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ARZNEISTOFFE

Vandetanib|Caprelsa®|86|2012

STOFFGRUPPE
86 Zytostatika, andere antineoplastische Mittel und Protektiva
WIRKSTOFF
Vandetanib
FERTIGARZNEIMITTEL
Caprelsa®
HERSTELLER

Sanofi Genzyme

MARKTEINFÜHRUNG (D)
03/2012
DARREICHUNGSFORM

100 mg Filmtabletten

300 mg Filmtabletten

ATC-CODE
L01EX04
ORPHAN DRUG
Nein

Indikationen

Caprelsa ist indiziert zur Behandlung des aggressiven und symptomatischen medullären Schilddrüsenkarzinoms (MTC) bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab fünf Jahren mit nicht resektabler, lokal fortgeschrittener oder metastasierter Erkrankung. Vor Behandlungsbeginn muss mit einem validierten Test ein positiver RET-Status festgestellt werden.

Wirkmechanismus

Vandetanib ist ein oral anwendbarer Multityrosinkinase-Inhibitor mit zwei unterschiedlichen Wirkmechanismen. Die Blutversorgung des Tumors (Angioneogenese) und damit das Wachstum des Karzinoms werden unter anderem durch eine Hemmung des Rezeptors VEGF-2 (vascular endothelial growth factor receptor-2) unterbunden. Zudem werden die Überlebensdauer und das unkontrollierte Wachstum der Tumorzellen verringert, indem die Signalwege unter anderem der Rezeptoren EGF und RET blockiert werden.

Anwendungsweise und -hinweise

Die empfohlene Tagesdosis von Vandetanib beträgt bei Erwachsenen einmal 300 mg, bei Kindern und Jugendlichen richtet sie sich nach der Körperoberfläche.

 

Bei Patienten mit leichter Niereninsuffizienz ist keine Dosisanpassung notwendig.  Bei Patienten mit mittelschwerer Nierenfunktionsstörung muss möglicherweise auf 200 mg reduziert werden, bei schwerer Niereninsuffizienz wird die Therapie mit Vandetanib nicht empfohlen. Letzteres gilt auch für Patienten mit Leberfunktionsstörung.

 

Das pharmazeutische Personal kann Patienten mit Schluckbeschwerden raten, die Tablette in einem halben Glas kohlensäurefreiem Wasser zu dispergieren (circa zehn Minuten) und danach sofort zu trinken. Reste im Glas werden gegebenenfalls erneut mit einem halben Glas Wasser gemischt und getrunken.

 

Vor Therapiebeginn und danach sollte der Arzt in regelmäßigen Abständen das QTc-Intervall im EKG auswerten, denn Vandetanib ist in der Dosierung von 300 mg mit einer erheblichen Verlängerung des QTc-Intervalls verbunden. Erstmalige QTc-Verlängerungen treten üblicherweise in den ersten drei Monaten der Behandlung auf, sie sind aber auch noch später möglich. Zu beachten ist, dass – bedingt durch die lange Halbwertszeit von 19 Tagen – Nebenwirkungen, einschließlich einer Verlängerung des QTc-Intervalls, möglicherweise nicht schnell überwunden werden können.

Wichtige Wechselwirkungen

In Sachen Wechselwirkung ist unter anderem zu beachten, dass die gleichzeitige Anwendung von Vandetanib mit starken CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin, Johanniskraut und Carbamazepin vermieden werden sollte.

 

Vandetanib ist ein Inhibitor des organischen Kationentransporters 2 (OCT2). Bei gleichzeitiger Anwendung mit Metformin sollten daher Blutspiegel und/oder klinische Wirkungen überwacht werden, da die Metformin-Wirkung verstärkt werden kann.

 

Eine Überwachung ist außerdem bei Substraten des P-Glycoproteins (PGP) erforderlich. Zu diesen gehören Digoxin und Dabigatran.

Nebenwirkungen

Wie bei anderen Tyrosinkinasehemmern sind auch bei Vandetanib Nebenwirkungen häufig. Am häufigsten berichtet wurden Diarrhö, Hautausschlag, Übelkeit, Hypertonie und Kopfschmerzen. Unter Vandetanib können auch schwere Nebenwirkungen wie die Verlängerung des QTc-Intervalls auftreten. Wegen der Nebenwirkungen musste in Studien bei mehr als einem Drittel der Patienten die Dosierung von Vandetanib reduziert werden.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Kontraindiziert ist Vandetanib bei Patienten mit kongenitalem Long-QTc-Syndrom sowie bei Patienten mit einem QTc-Intervall von mehr als 480 ms. Die gleichzeitige Anwendung mit Wirkstoffen, die bekanntermaßen das QTc-Intervall verlängern, ist ebenfalls kontraindiziert oder wird nicht empfohlen, abhängig davon, ob es eine alternative Therapie gibt oder nicht. Kontraindiziert sind zum Beispiel arsenhaltige Arzneimittel, Cisaprid, Toremifen, Mizolastin sowie Moxifloxacin und Antiarrhythmika der Klasse IA und III. Nicht empfohlen wird zum Beispiel die Kombination mit Haloperidol, Amisulprid und Sulpirid. Vandetanib ist außerdem in der Stillzeit kontraindiziert.

 

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

In einer placebokontrollierten Studie der Phase III wurden 331 Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem hereditären oder sporadischen MTC untersucht. Es wurde eine 2:1-Randomisierung in eine Verum- und eine Placebogruppe vorgenommen, nach Progress war eine Open-Label-Behandlung mit Vandetanib möglich. Der Hauptindikator für die Wirksamkeit war das progressionsfreie Überleben (progression-free survival, PFS). Das Ergebnis: Eine Tumorprogression war unter Verum signifikant weniger wahrscheinlich. Das PFS war unter Vandetanib mit einem PFS-Median von circa 30,5 Monaten versus 19,3 Monaten in der Placebogruppe signifikant verlängert. Die objektive Ansprechrate betrug in der Verumgruppe 45 Prozent. Im Placeboarm zeigte sich ein Ansprechen bei 13  Patienten (13 Prozent), wobei jedoch zwölf Patienten das Ansprechen erst in der Open-Label-Phase, also unter Vandetanib, hatten. Bisher fanden sich bei der Therapie des MTC mit anderen Zytostatika geringe Ansprechraten von weniger als 25 Prozent, sodass vor diesem Hintergrund die Studienergebnisse vielversprechend sind. Trotzdem wird in der Fachinformation ausdrücklich darauf hingewiesen, dass, im Hinblick auf mögliche Risiken dieser Therapie, die Behandlung mit Vandetanib auf Patienten mit einem symptomatisch-aggressiven Verlauf der Erkrankung beschränkt ist.

Hintergrundinfos

In Europa erkranken jährlich etwa 48.000 Patienten an einem Schilddrüsenkarzinom. Die geschätzte Mortalitätsrate liegt bei 6300. Man unterscheidet vier Arten: Die papillären und follikulären Schilddrüsenkarzinome kommen am häufigsten vor, die anaplastische und die medulläre Form sind weniger häufig. Zwischen 5 und 10  Prozent der Schilddrüsenkarzinome gehören zum medullären Typ. Das medulläre Schilddrüsenkarzinom (MTC) unterscheidet sich von den papillären und follikulären Typen, da dieses nicht aus der Schilddrüsenzelle selbst stammt, sondern aus spezialisierten »C-Zellen«, die sich zwischen den eigentlichen Schilddrüsenzellen befinden. Diese C-Zellen sind in erster Linie im oberen und mittleren Teil der Schilddrüse zu finden und produzieren Calcitonin, das als Marker des Krankheitsfortschreitens oder der Progression des MTC dienen kann.

Besonderheiten

Caprelsa ist bei Temperaturen nicht über 30 °C zu lagern.

Caprelsa ist verschreibungspflichtig.

Alle mit Caprelsa behandelten Patienten müssen einen Patientenpass erhalten, der über die Vorsichtsmaßnahmen und über Symptome informiert, die eine frühzeitige Erkennung bedeutsamer Nebenwirkungen ermöglichen. Vandetanib wurde »unter Auflagen« zugelassen. Dies bedeutet, dass weitere Nachweise für den Nutzen des Arzneimittels erwartet werden, insbesondere über das Ausmaß des Nutzens bei Patienten ohne RET-Mutation.

Formeln

Die dreidimensionale Strukturformel können Sie mit einem kostenlosen Zusatzprogramm aus dem Internet, zum Beispiel Cortona von Parallelgraphics, ansehen (externer Link).

Vandetanib_neu.wrl

Weitere Hinweise

Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und mindestens vier Monate nach Abschluss der Behandlung mit Vandetanib zuverlässig verhüten. Das Stillen während der Behandlung mit Vandetanib ist kontraindiziert.

Letzte Aktualisierung: 04.01.2023

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