Polatuzumab Vedotin|Polivy®|86|2020 |
Roche
140 mg Pulver zur Herstellung eines Infusionslösungskonzentrats
Polivy ist zugelassen zur Behandlung erwachsener Patienten mit rezidivierendem oder refraktärem diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL). Es darf bei Betroffenen angewendet werden, die für eine hämatopoetische Stammzelltransplantation nicht infrage kommen. Dabei darf es ausschließlich in Kombination mit dem Zytostatikum Bendamustin und dem Anti-CD20-Antikörper Rituximab zum Einsatz kommen.
Polivy besteht aus dem Anti-CD79b-Antikörper Polatuzumab, der über einen Peptid-Linker an den hochpotenten Mitosehemmstoff Monomethyl-Auristatin E (MMAE) gekoppelt ist. CD79b ist eine Zelloberflächenkomponente des B-Zell-Rezeptors, die bei mehr als 95 Prozent der DLBC-Lymphome exprimiert wird. Nach Bindung an CD79b wird Polatuzumab internalisiert und der Linker durch lysosomale Proteasen abgespalten. In der Folge wird MMAE freigesetzt. Das Spindelgift tötet sich teilende Zellen durch Mitosehemmung und Induktion der Apoptose.
Die empfohlene Dosis beträgt 1,8 mg Polatuzumab Vedotin pro Kilogramm Körpergewicht. Es wird alle 21 Tage intravenös gegeben, in Kombination mit Bendamustin und Rituximab über sechs Zyklen. Die drei Präparate können in beliebiger Reihenfolge am ersten Tag eines Zyklus angewendet werden. Die Initialdosis von Polivy ist als 90-minütige intravenöse Infusion zu verabreichen. Die Patienten sind während und nach der Infusion für mindestens anderthalb Stunden zu beobachten.
Polivy kann infusionsbedingte Reaktionen verursachen, einschließlich schwerer Fälle. Vor der Anwendung ist eine Prämedikation mit einem Antihistaminikum und einem Antipyretikum zu verabreichen. Treten infusionsbedingte Reaktionen auf, ist die Infusionsrate zu verlangsamen oder die Infusion zu unterbrechen. Kommt es zu lebensbedrohlichen Reaktionen, ist die Anwendung von Polivy umgehend und dauerhaft abzubrechen.
Bereits im ersten Zyklus wurden in den klinischen Studien schwerwiegende und schwere sowie febrile Neutropenien beobachtet. Die prophylaktische Anwendung von Granulozyten-Kolonie-stimulierendem Faktor kann erwogen werden. Ebenfalls können Thrombozytopenien oder Anämien der Grade 3 oder 4 auftreten. Vor der Anwendung von Polivy ist daher das große Blutbild zu überprüfen. Auch vom Auftreten einer peripheren Neutropenie (PN) wurde berichtet. Patienten sind auf Symptome einer PN wie Taubheit der Glieder, neuropathische Schmerzen, Muskelschwäche und Gangstörungen zu überwachen.
Des Weiteren kann es zu schwerwiegenden, lebensbedrohlichen oder tödlich verlaufenden Infektionen kommen. Die Patienten sind engmaschig auf Anzeichen bakterieller, mykotischer und viraler Infektionen zu überwachen. Eine antiinfektive Prophylaxe ist über den gesamten Zeitraum der Behandlung mit Polivy in Betracht zu ziehen.
Unter der Behandlung mit Polivy wurde eine progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML) berichtet. Die Patienten sind engmaschig auf neue oder sich verschlechternde neurologische, kognitive oder Verhaltensveränderungen, die auf eine PML hinweisen, zu überwachen. Wenn der Verdacht auf eine PML besteht, sind die Behandlung mit Polivy und jegliche gleichzeitige Chemotherapie zu unterbrechen. Bestätigt sich der Verdacht, ist die Therapie dauerhaft abzusetzen.
Für Patienten mit hoher Tumorlast und schnell proliferierendem Tumor kann ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Tumorlyse-Syndroms (TLS) bestehen. Geeignete Maßnahmen beziehungsweise eine geeignete Prophylaxe in Übereinstimmung mit lokalen Leitlinien sind vor Beginn der Behandlung mit Polivy zu ergreifen. Während der Behandlung mit Polivy sind Patienten engmaschig auf das Auftreten eines TLS zu überwachen.
Vorsicht ist geboten, wenn gleichzeitig CYP3A4-Inhibitoren gegeben werden. Insbesondere bei der gleichzeitigen Anwendung von starken CYP3A4-Inhibitoren sind die Patienten engmaschiger auf Anzeichen für Toxizitäten zu überwachen. Zu diesen gehören beispielsweise Boceprevir, Clarithromycin, Cobicistat, Indinavir, Itraconazol, Nefazodon, Nelfinavir, Posaconazol, Ritonavir, Saquinavir, Telaprevir, Telithromycin oder Voriconazol.
Starke CYP3A4-Induktoren können die Exposition von unkonjugiertem Mitosehemmstoff Monomethyl-Auristatin E (MMAE) verringern. Zu diesen gehören unter anderem Rifampicin, Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin und Johanniskraut.
Als häufigste Nebenwirkungen traten Anämie, Thrombozytopenie, Neutropenie, Fatigue, Diarrhö, Übelkeit und Fieber auf. Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden bei 27 Prozent der Polivy-Patienten beobachtet, darunter febrile Neuropathien, Fieber und Pneumonien.
Beim Vorliegen einer aktiven schweren Infektion ist Polivy kontraindiziert.
Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.
Die Zulassung von Polivy basiert auf der randomisierten, offenen Phase-Ib/II-Studie GO29365. In der Studie wurde Polivy als Add-on zu Bendamustin plus Rituximab mit der alleinigen Gabe dieser Kombination verglichen. Im Vergleich zum Kontrollarm verdoppelte Polivy die Rate kompletter Remissionen (40 versus 17,5 Prozent) und verlängerte das mediane progressionsfreie Überleben (9,5 versus 3,7 Monate) sowie das Gesamtüberleben (12,4 versus 4,7 Monate). Das entspricht einem um 58 Prozent reduzierten Sterberisiko.
Das Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) ist relativ selten. Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 9160 Männer und 7880 Frauen daran. Abhängig von der Wachstumsgeschwindigkeit des Krebses unterteilt man das NHL in eine indolente (langsam wachsende) oder aggressive (schnell wachsende) Form. In letzterer Kategorie ist das diffus großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) mit rund 30 Prozent die häufigste Krebsart. Erste Anzeichen sind meist vergrößerte Lymphknoten, es können aber auch Organe außerhalb des Lymphsystems befallen sein. Das DLBCL tritt vorrangig bei älteren Menschen auf und bedarf aufgrund seiner Aggressivität einer sofortigen Behandlung.
Polivy ist bei Temperaturen von 2–8 °C (Kühlschrank) zu lagern und darf nicht einfrieren. Die Durchstechflasche ist außerdem im Umkarton (Lichtschutz) zu lagern. Polivy ist verschreibungspflichtig.
Die Anwendung von Polivy während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine Verhütungsmethode anwenden, wird nicht empfohlen. Frauen sollten während einer Behandlung mit Polivy nicht stillen, da ein Risiko für den gestillten Säugling nicht ausgeschlossen werden kann.
Polatuzumab Vedotin kann die männliche Reproduktionsfähigkeit und Fertilität beeinträchtigen. Männern mit Kinderwunsch wird deswegen geraten, vor Behandlungsbeginn Spermaproben einzufrieren und aufzubewahren. Zudem sollten sie während der Behandlung und bis zu sechs Monate nach der letzten Dosis kein Kind zu zeugen.
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Letzte Aktualisierung: 10.03.2020