Histrelin|Vantas®|86|2009 |
Orion Pharma
in Deutschland nicht auf dem Markt
Behandlung von Männern mit fortgeschrittenem Prostatakrebs
Histrelin ist ein synthetisches Analogon des natürlichen Gonadotropin-Releasing-Hormons (Gonadorelin, GnRH). Zur Erinnerung: Physiologisch wird das Decapeptid GnRH pulsatil vom Hypothalamus ausgeschüttet, was die Hypophyse zur Sekretion von Follikel-stimulierendem Hormon (FSH) und Luteinisierendem Hormon (LH) anregt. Diese Gonadotropine regen die Ausschüttung von Sexualhormonen in den Endorganen, beim Mann also die Testosteron-Bildung in den Leydig-Zellen der Hoden, an. Durch medikamentösen Eingriff in diese Achse kann man die Testosteron-Bildung komplett, aber reversibel unterdrücken und damit das Wachstum hormonabhängiger Tumoren bremsen.
Im Juni 2009 wurde mit Degarelix (nach Abarelix) ein neuer GnRH-Antagonist zugelassen. Nun folgt mit Histrelinacetat ein Agonist. Die Stoffgruppe ist gut bekannt, denn GnRH-Agonisten wie Leuprorelin und Buserelin sind seit Jahren verfügbar. Nach anfänglicher kurzer Aktivierung des Hypothalamus-Hypophysen-Systems und der Testosteron-Produktion regulieren sie es herunter. Histrelin reiht sich in diese Gruppe ein.
Das Implantat enthält ein biologisch nicht abbaubares, zylindrisch geformtes, rund 3 cm langes Hydrogel-Reservoir mit 50 mg Wirkstoff.
Der Vorteil des neuen Medikaments liegt in der galenischen Form, die eine einmal jährliche Applikation ermöglicht. Der Arzt platziert das Implantat subkutan durch einen kleinen Hautschnitt (unter Lokalanästhesie) auf der Innenseite des Oberarms. Dort ist es in der Regel tastbar. Aus dem Depot werden zwölf Monate lang täglich durchschnittlich 50 µg Histrelin ins Gewebe freigesetzt. Dann wird das Implantat entfernt und bei Bedarf durch ein neues ersetzt. Soll die Therapie abgebrochen werden, kann das Implantat jederzeit gezogen werden.
Acht von zehn Männern klagten über Nebenwirkungen, meist solche, die infolge der Hormonsuppression zu erwarten waren. Dazu zählen Hitzewallungen, Gynäkomastie, Hodenatrophie und erektile Dysfunktion. Häufig war auch Müdigkeit (Fatigue). Ebenso kam es zu Beschwerden an der Operationsstelle wie Schmerzen, Schwellung oder Entzündung (selten). Möglich ist auch eine Ausstoßung des Implantats.
Der kurzzeitige Hormonanstieg zu Beginn jeder Therapie mit GnRH-Agonisten kann bei einigen Patienten die Symptome, zum Beispiel Gelenk- und Knochenschmerzen, Neuropathie oder Harnwegsobstruktionen, verschlimmern. Dann kann der Arzt die Gabe von Antiandrogenen erwägen.
Das Arzneimittel ist bei Frauen und Kindern kontraindiziert.
Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.
In einer offenen multizentrischen Studie erhielten 138 Männer mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom das Implantat (bei 110 Männern wurde es nach zwölf Monaten erneuert). Bei allen 134 Männern, bei denen die Testosteron-Spiegel nach vier Wochen gemessen werden konnten, lagen diese auf Kastrationsniveau (unter 20 ng/dl). Dies blieb über 52 Wochen erhalten (Daten von 111 Patienten). Erwartungsgemäß sanken die LH- und PSA-Spiegel erheblich ab. Das Prostata-spezifische Antigen (PSA) ist ein wichtiger Parameter bei der Verlaufs- und Therapiekontrolle des Prostatakarzinoms.
Das Implantat ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad C zu lagern und darf nicht eingefroren werden. Das Implantationsinstrument wird in einem sterilen Beutel mitgeliefert.
Letzte Aktualisierung: 06.10.2015