Atezolizumab|Tecentriq®|86|2017 |
Roche Pharma
840 mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung
1200 mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung
Tecentriq 840 mg darf beim Harnblasenkarzinom als Erstlinientherapie zum Einsatz kommen, wenn die Patienten für eine Cisplatin-haltige Chemotherapie ungeeignet sind. Zudem kann es bei dieser Krebsart verwendet werden, wenn die Patienten mit einer Platin-haltigen Therapie vorbehandelt sind. Als Monotherapie wird es außerdem zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) nach vorheriger Chemotherapie eingesetzt. Patienten mit aktivierenden EGFR-Mutationen oder ALK-positiven Tumormutationen sollten vor der Therapie mit Tecentriq bereits eine auf diese Mutation zielgerichtete Behandlung erhalten haben. In Kombination mit nab-Paclitaxel ist es außerdem zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit nicht resezierbarem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem triple-negativen Mammakarzinom (TNBC – triple-negative breast cancer), deren Tumoren eine PD-L1-Expression ≥ 1 % aufweisen und die keine vorherige Chemotherapie zur Behandlung der metastasierten Erkrankung erhalten haben.
Tecentriq 1200 mg darf ebenfalls beim Harnblasenkarzinom als Erstlinientherapie zum Einsatz kommen, wenn die Patienten für eine Cisplatin-haltige Chemotherapie ungeeignet sind. Zudem kann es bei dieser Krebsart verwendet werden, wenn die Patienten mit einer Platin-haltigen Therapie vorbehandelt sind. Es ist außerdem zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom:
Darüber hinaus ist Tecentriq 1200 mg in Kombination mit Carboplatin und Etoposid für die Erstlinienbehandlung des kleinzelligen Lungenkarzinoms im fortgeschrittenen Stadium bei erwachsenen Patienten zugelassen.
Atezolizumab ist ein Checkpoint-Inhibitor für die Immuntherapie bei Krebs. Physiologischerweise unterbindet der PD-1-Signalweg eine dauerhafte T-Zell-Aktivierung, um den Körper vor überschießenden Immunreaktionen zu schützen. Eigentlich ist das vorteilhaft für den Körper. Nutzen aber Krebszellen diese Bremse des Immunsystems aus, ist das sehr ungünstig.
Anders als die Checkpoint-Inhibitoren Nivolumab (Opdivo®, Bristol-Myers Squibb) und Pembrolizumab (Keytruda®, MSD) bindet Atezolizumab nicht an den Checkpoint-Rezeptor PD-1 auf aktivierten T-Zellen, sondern an den PD-1-Liganden (PD-L1) und hemmt so die Interaktion zwischen Rezeptor und Ligand. Darüber hinaus blockiert es noch einen weiteren Signalweg. PD-L1 bindet normalerweise auch an den Rezeptor B7.1. Atezolizumab unterbindet auch dies.
Die durch die PD-L1-Inhibition vermittelte duale Signal-Blockade setzt sowohl im Tumor als auch im Lymphknoten an. Im Tumor kommt es zur Reaktivierung der Immunantwort, in den Lymphknoten kann durch die teilweise Wiederherstellung des T-Zell-Primings die Bildung von zytotoxischen T-Zellen verstärkt werden. Die Abläufe, die während der T-Zell-Aktivierung im Lymphknoten ablaufen, werden dabei auch als Ursache diskutiert, warum eine PD-L1-Blockade auch wirken kann, wenn der Tumor selbst kein PD-L1 exprimiert.
Ein weiterer Unterschied zu Nivolumab und Pembrolizumab: Unter PD-L1-Blockade bleibt die Interaktion zwischen dem PD-1-Rezeptor und dem PD-2-Liganden (PD-L2) erhalten. Dieser Ligand spielt hinsichtlich des Tumors keine Rolle, wohl aber bei der Immunhomöostase. Wird nur PD-L1 und nicht PD-L2 gehemmt, kann dies einer überschießenden Immunantwort entgegenwirken und möglicherweise eine verbesserte Verträglichkeit bedeuten, was in einem direktem Vergleich der alten und neuen Antikörper aber noch zu beweisen wäre.
Die empfohlene Dosierung und das Dosierungsintervall von Atezolizumab richten sich nach der vorliegenden Erkrankung.
Die Initialdosis wird über einen Zeitraum von 60 Minuten gegeben. Wird diese gut vertragen, können nachfolgende Infusionen über einen Zeitraum von 30 Minuten erfolgen.
Systemische Corticosteroide oder Immunsuppressiva sollten vor Behandlungsbeginn mit Atezolizumab aufgrund möglicher Beeinträchtigungen der pharmakodynamischen Aktivität und der Wirksamkeit von Atezolizumab nicht gegeben werden. Nach Beginn der Therapie mit Atezolizumab können sie jedoch zur Behandlung von immunvermittelten Nebenwirkungen angewendet werden.
Die häufigsten Nebenwirkungen von Atezolizumab waren Fatigue, verminderter Appetit, Übelkeit, Dyspnoe, Diarrhö, Hautausschlag, Fieber, Erbrechen, Arthralgie, Asthenie und Juckreiz.
Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.
Die Zulassung von Atezolizumab zur Anwendung beim Urothelkarzinom basiert auf zwei Studien. In Kohorte 1 (n = 119) der einarmigen Phase-II-Zulassungsstudie IMvigor210 sprachen 22,7 Prozent der Patienten, die für eine Platin-basierte Chemotherapie nicht geeignet waren, auf die First-Line-Therapie mit Atezolizumab an. Gut 9 Prozent erreichten eine Komplettremission und gut 13 Prozent eine partielle Remission. Das mediane Gesamtüberleben betrug knapp 16 Monate. Bei bereits Platin-vorbehandelten Patienten der Kohorte 2 (n = 310) lag die objektive Ansprechrate bei 16 Prozent. In der randomisierten Phase-III-Studie IMvigor211 wurden Wirksamkeit und Sicherheit von Tecentriq im Vergleich zu einer Vinflunin-, Paclitaxel oder Docetaxel-Chemotherapie bei mehr als 900 Patienten mit Harnblasenkarzinom nach Versagen einer Platin-haltigen Chemotherapie in der Zweit- und Drittlinientherapie untersucht. Beim primären Endpunkt, dem Gesamtüberleben, konnte jedoch kein statistisch signifikanter Unterschied gezeigt werden. Das durchschnittliche Gesamtüberleben lag im Tecentriq-Arm bei 11,1 Monaten und im Chemotherapie-Arm bei 10,6 Monaten. Allerdings litten Patienten, die Tecentriq erhalten hatten, weniger häufig unter therapiebedingten Nebenwirkungen der Grade 3/4 als Patienten, die mit einer Chemotherapie behandelt wurden (20 versus 43 Prozent).
Die Zulassung bei Lungenkrebs basiert auf den Ergebnissen der randomisierten Phase-III-Studie OAK. Diese untersuchte Wirksamkeit und Sicherheit von Atezolizumab gegenüber Docetaxel bei 1225 vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben. Im Vergleich zu Docetaxel verlängerte Atezolizumab das mediane Gesamtüberleben signifikant um 4,2 Monate von 9,6 auf 13,8 Monate. Wie beim Urothelkarzinom bestätigte sich auch in dieser Indikation eine bessere Verträglichkeit der Immuntherapie im Vergleich zur klassischen Chemotherapie. So lag die Rate an therapiebedingten unerwünschten Ereignissen der Grade 3 und 4 unter Atezolizumab bei 15 Prozent gegenüber 43 Prozent unter Docetaxel.
Tecentriq ist bei Temperaturen von 2–8 °C (Kühlschrank) sowie vor Licht geschützt (Umkarton) zu lagern. Es darf nicht einfrieren.
Tecentriq ist verschreibungspflichtig.
Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR)
Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels
Nutzenbewertung des IQWiG vom 27.12.2017 (nicht kleinzelliges Lungenkarzinom)
Nutzenbewertung des IQWiG vom 22.12.2017 (Urothelkarzinom Erstlinientherapie)
Nutzenbewertung des IQWiG vom 22.12.2017 (Urothelkarzinom nach Chemotherapie)
Nutzenbewertung des IQWiG vom 27.3.2019 (Urothelkarzinom Erstlinientherapie)
Nutzenbewertung des IQWiG vom 20.12.2019 (NSCLC; Kombination mit nab-Paclitaxel und Carboplatin)
Nutzenbewertung des IQWiG vom 20.12.2019 (Mammakarzinom)
Nutzenbewertung des IQWiG vom 13.01.2020 (kleinzelliges Lungenkarzinom)
Nutzenbewertung des IQWiG vom 10.09.2021 (NSCLC; Erstlinie)
Nutzenbewertung des IQWiG vom 11.10.2022 (NSCLC, adjuvant)
Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und für fünf Monate nach der Behandlung eine wirksame Verhütungsmethode anwenden. In der Schwangerschaft darf Atezolizumab nicht zum Einsatz kommen, es sei denn, der klinische Zustand der Frau macht dies erforderlich. Bei Stillenden ist zu entscheiden, ob Tecentriq abgesetzt oder abgestillt wird.
Letzte Aktualisierung: 26.02.2020