Obinutuzumab|Gazyvaro®|86|2014 |
Roche
1000 mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung
Gazyvaro ist in Kombination mit Chlorambucil zur Behandlung von nicht vorbehandelten Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) indiziert, die aufgrund von Begleiterkrankungen für eine Therapie mit einer vollständigen Dosis Fludarabin nicht geeignet sind.
Gazyvaro in Kombination mit Bendamustin ist außerdem zugelassen zur Behandlung von Patienten mit follikulärem Lymphom (FL), die auf eine Behandlung mit Rituximab oder einem Rituximab-haltigen Regime nicht angesprochen haben oder während bzw. bis zu sechs Monate nach der Behandlung progredient wurden. Der Kombinationstherapie folgt eine Gazyvaro-Erhaltungstherapie.
Obinutuzumab ist ein humanisierter monoklonaler Typ-II-anti-CD20-Antikörper der IgG1-Subklasse. Der rekombinante monoklonale humanisierte Antikörper Obinutuzumab greift am CD20-Protein auf der Oberfläche von B-Lymphozyten an und sorgt dafür, dass diese vom Immunsystem erkannt und abgetötet werden. Sowohl maligne als auch nicht maligne B-Zellen werden auf diese Weise beseitigt. Hämatopoetische Stammzellen im Knochenmark, die das CD20-Protein nicht tragen, bleiben hingegen verschont und können normale B-Zellen nachbilden. Der Fc-Anteil von Obinutuzumab ist durch Glycoengeneering modifiziert, was seine Affinität für Fcγ-RIII-Rezeptoren erhöht. Diese Rezeptoren finden sich unter anderem auf natürlichen Killerzellen, Makrophagen und Monozyten und vermitteln die antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität. Obinutuzumab vermag dadurch verglichen mit Rituximab, einem ebenfalls von Roche hergestellten Anti-CD20-Antikörper, B-Zellen effektiver abzutöten.
Obinutuzumab wird nicht nach Körperoberfläche dosiert, sondern in beiden Indikationen in der Standarddosierung 1000 mg verabreicht. Unterschiede bestehen in den Kombinationspartnern sowie in der Erhaltungstherapie.
Es soll in sechs Behandlungszyklen à 28 Tagen gegeben werden. Die Patienten erhalten am ersten Tag zunächst 100 mg, um zu testen, wie sie die Behandlung vertragen. Treten Infusions-abhängige Reaktionen (IRR) auf, soll je nach Schweregrad der Reaktion die Infusion unterbrochen beziehungsweise ihre Geschwindigkeit gesenkt werden. Wenn die ersten 100 mg problemlos vertragen wurden, kann der zweite Beutel mit 900 mg Obinutuzumab noch am selben Tag verabreicht werden. Ansonsten darf das erst am folgenden Tag geschehen. Diese Vorsichtsmaßnahme gilt nur für die allererste Infusion, da sowohl die Inzidenz als auch der Schweregrad von IRR in Studien bei den folgenden Behandlungen sehr stark zurückgingen. Sowohl die 1000-mg-Dosen an den Tagen 8 und 15 des ersten Behandlungszyklus als auch an den Tagen 1 der Zyklen zwei bis sechs werden daher unaufgeteilt verabreicht.
Um die geteilte Infusion zu ermöglichen und gleichzeitig Verwechslungen zu vermeiden, soll die erste Teildosis à 100 mg Obinutuzumab (entsprechend 4 ml Konzentrat) in 100 ml 0,9-prozentiger NaCl-Lösung verdünnt werden. Für die restlichen 900 mg (entsprechend 36 ml Konzentrat) wird ein 250-ml-Beutel verwendet. Für alle folgenden Infusionen mit jeweils 1000 mg Obinutuzumab werden ebenfalls 250-ml-Beutel empfohlen.
Aufgrund des Risikos für infusionsbedingte Reaktionen (IRR) muss jede Anwendung unter engmaschiger Überwachung eines erfahrenen Arztes erfolgen und eine Ausrüstung zur Wiederbelebung sofort verfügbar sein.
Weder ein höheres Lebensalter noch eine leichte bis mittelschwere Nierenfunktionsstörung sprechen gegen den Einsatz von Obinutuzumab. Allerdings wurde der Arzneistoff bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min) und bei Patienten mit Leberfunktionsstörung nicht untersucht. Gleiches gilt für Kinder und Jugendliche sowie für Schwangere. Da die B-Lymphozyten durch Obinutuzumab abgetötet werden, werden Lebendimpfungen während der Behandlung nicht empfohlen.
Obinutuzumab ist weder ein Substrat noch ein Hemmer oder Induktor des Cytochrom-P-450-Systems, der Uridindiphosphat-Glucuronyltransferase-(UGT)-Enzyme oder von Transportern wie P-Glykoprotein.
Aufgrund der immunsupprimierenden Wirkung wird eine Impfung mit Lebendimpfstoffen während der Behandlung bis zur Normalisierung der B-Zell-Werte nicht empfohlen.
Bei der ersten Infusion von Obinutuzumab traten bei fast zwei Drittel der Patienten (65 Prozent) Infusions-abhängige Reaktionen (IRR) auf; in 7 Prozent der Fälle waren diese so schwerwiegend, dass die Therapie abgebrochen werden musste. Die häufigsten Symptome waren Übelkeit, Schüttelfrost, Hypotonie, Fieber, Erbrechen, Dyspnoe, Hitzegefühl, Hypertonie, Kopfschmerzen, Tachykardie und Diarrhö. Um einem Blutdruckabfall vorzubeugen, soll bei Patienten mit antihypertensiver Dauermedikation diese zwölf Stunden vor, während sowie eine Stunde nach jeder Infusion abgesetzt werden, wenn die individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung das zulässt.
Außer IRR wurden Überempfindlichkeitsreaktionen einschließlich Anaphylaxie, Neutropenie, Thrombozytopenie, eine Verschlechterung bestehender Herzerkrankungen und ein Tumorlysesyndrom beobachtet. Für Letzteres besteht bei Patienten mit hoher zirkulierender Lymphozytenzahl ein erhöhtes Risiko. Ab einer Lymphozytenzahl von > 25 x 109/l sollen Patienten daher zwölf bis 14 Stunden vor Behandlungsbeginn eine Hydratation sowie Allopurinol oder ein anderes Urikostatikum erhalten.
Unter der Therapie kann es zur Reaktivierung einer Hepatitis-B-Infektion kommen. Alle Patienten müssen deshalb vor der ersten Infusion auf Hepatitis-B-Oberflächenantigen und -Antikörper getestet werden und bei positivem Nachweis während der gesamten Therapiedauer von einem Hepatologen überwacht werden.
Wegen der Gefahr einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie muss die Behandlung mit Obinutuzumab beim Auftreten neurologischer Auffälligkeiten unterbrochen werden, bis diese fachärztlich geklärt sind.
Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.
Ausschlaggebend für die Zulassung von Obinutuzumab war die offene, randomisierte Phase-III-Studie BO21004/CLL11, an der 781 Patienten teilnahmen. Sie wurden im Verhältnis 2:2:1 auf drei Behandlungsarme mit folgenden Therapieregimen aufgeteilt: Obinutuzumab plus Chlorambucil, Rituximab plus Chlorambucil und Chlorambucil als Monotherapie. Primärer Endpunkt war das vom Prüfarzt beurteilte mediane progressionsfreie Überleben (PFS). Dieses war unter Obinutuzumab/Chlorambucil mit 26,7 Monaten sowohl gegenüber Chlorambucil (11,1 Monate) als auch gegenüber Rituximab/Chlorambucil (15,2 Monate) signifikant verlängert. Auch beim sekundären Endpunkt Gesamtüberleben zeigte sich die Obinutuzumab-Chlorambucil-Kombination sowohl Chlorambucil allein als auch Rituximab/Chlorambucil überlegen. Eine Aussage über das mediane Gesamtüberleben war zum Zeitpunkt der Zulassung allerdings noch nicht möglich, da dieser Endpunkt noch nicht erreicht worden war.
Das Risiko für Krankheitsprogression oder Tod war im Obinutuzumab-Chlorambucil-Arm gegenüber beiden anderen Behandlungsarmen verringert, außer in der Subgruppe der Patienten mit 17p-Deletion. Bei ihnen wurde lediglich ein positiver Trend im Vergleich zur Chlorambucil-Monotherapie gesehen, gegenüber der Rituximab-Chlorambucil-Kombination hatte Obinutuzumab/Chlorambucil keinen Vorteil. Bei Patienten mit dieser genetischen Veränderung schreitet die CLL in der Regel rasch fort. Sie sprechen generell oft nur kurzzeitig auf eine Therapie an.
Die CLL ist in der westlichen Welt die häufigste Leukämieform und betrifft meist Patienten im fortgeschrittenen Lebensalter. Bei ihnen kommt es zu einer Vermehrung von funktionslosen Lymphozyten, in der überwiegenden Mehrheit der Fälle von B-Lymphozyten.
Gazyvaro ist im Kühlschrank bei 2-8 °C zu lagern. Nicht einfrieren.
Um den Inhalt vor Licht zu schützen, sollte das Arzneimittel in seinem Umkarton gelagert werden.
Gazyvaro ist verschreibungspflichtig.
Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR)
Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels
Nutzenbewertung des G-BA vom 17.11.2014 (aufgehoben)
Nutzenbewertung des G-BA vom 04.10.2016 (aufgehoben)
Nutzenbewertung des G-BA vom 15.01.2018 (nAWG: follikuläres Lymphom, nicht vorbehandelte Patienten) (aufgehoben)
Nutzenbewertung des IQWiG vom 12.08.2021 (follikuläres Lymphom, Erstlinientherapie)
Nutzenbewertung des IQWiG vom 12.08.2021 (chronische lymphatische Leukämie)
Nutzenbewertung des IQWiG vom 12.08.2021 (follikuläres Lymphom, Rituximab-refraktär)
Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und in den 18 Monaten nach der Behandlung mit Gazyvaro eine wirksame Empfängnisverhütung anwenden.
Gazyvaro sollte während der Schwangerschaft außer in Fällen, in denen der Nutzen das Risiko überwiegt, nicht angewendet werden. Eine Tierstudie ergab keinen Hinweis auf eine Schädigung der Nachkommen bei Exposition in der Schwangerschaft. Es kann jedoch beim Neugeborenen zu einer kompletten B-Zell-Depletion kommen, die sich aber innerhalb der ersten sechs Lebensmonate regenerierte. Impfungen mit Lebendimpfstoffen sollten dann verschoben werden.
In Tierstudien wurde gezeigt, dass Obinutuzumab in die Muttermilch übertritt. Während der Therapie und bis 18 Monate nach der letzten Dosis sollte daher nicht gestillt werden.
Letzte Aktualisierung: 29.09.2021