Asciminib|Scemblix®|86|2022 |
Novartis
20 mg Filmtabletten
40 mg Filmtabletten
Scemblix ist zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit Philadelphia-Chromosom-positiver chronischer myeloischer Leukämie (CML) in der chronischen Phase, die zuvor mit zwei oder mehr Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) behandelt wurden.
Asciminib ist ein BCR-ABL-TKI. Es greift an der Myristat-Bindetasche an. Dies führt zu einer Konformationsänderung und Inaktivierung der Tyrosinkinase. BCR-ABL wird somit durch Asciminib allosterisch (nicht kompetitiv) gehemmt. Novartis spricht daher von einer neuen TKI-Klasse: STAMP (Specifically Targeting the ABL Myristoyl Pocket). Der Angriffspunkt hat laut dem Hersteller zwei Vorteile: eine zu erwartende Wirksamkeit trotz Resistenz gegen ältere TKI und weniger Off-Target-Effekte, weil die ATP-Bindestelle im Gegensatz zur Myristat-Tasche auch auf anderen Kinasen vorkommt.
Die empfohlene Dosis beträgt zweimal täglich 40 mg Asciminib im Abstand von zwölf Stunden. Bei Unverträglichkeiten kann die Dosis auf 20 mg zweimal täglich gesenkt werden. Wird auch die niedrige Dosis nicht vertragen, sollte Asciminib dauerhaft abgesetzt werden.
Die Tabletten werden im Ganzen mit einem Glas Wasser außerhalb der Mahlzeiten geschluckt. Mindestens zwei Stunden vor und eine Stunde nach der Einnahme sollte der Patient nichts essen.
Versäumte Dosen sollen innerhalb von sechs Stunden nachgeholt werden; nach diesem Zeitpunkt soll die versäumte Dosis übersprungen und die Therapie zum darauffolgenden Einnahmezeitpunkt fortgesetzt werden.
Mögliche Nebenwirkungen, die eine besondere Überwachung des Patienten erfordern beziehungsweise mit Blick auf die Komedikation beachtet werden müssen, sind Myelosuppression, Pankreastoxizität, QT-Zeit-Verlängerung, Bluthochdruck und Hepatitis-B-Reaktivierung.
Asciminib wird hauptsächlich über CYP3A4 metabolisiert, sodass bei gleichzeitiger Anwendung von starken Induktoren dieses Enzyms (zum Beispiel Carbamazepin oder Johanniskraut) besondere Vorsicht geboten ist. Gleiches gilt, wenn zeitgleich andere CYP3A4-Substrate mit enger therapeutischer Breite (zum Beispiel Fentanyl) oder auch entsprechende CYP2C9-Substrate (zum Beispiel Phenytoin oder Warfarin) angewendet werden.
Die in Studien zu Asciminib häufigsten Nebenwirkungen waren muskuloskelettale Schmerzen (37,1 Prozent der behandelten Patienten), Infektionen der oberen Atemwege (28,1 Prozent), Thrombozytopenie (27,5 Prozent), Fatigue (27,2 Prozent), Kopfschmerzen (24,2 Prozent), Arthralgie (21,6 Prozent), erhöhte Pankreasenzyme (21,3 Prozent), Bauchschmerzen (21,3 Prozent), Durchfall (20,5 Prozent) und Übelkeit (20,2 Prozent).
Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.
Ausschlaggebend für die Zulassung von Scemblix waren die Ergebnisse der unverblindeten Phase-III-Studie ASCEMBL, an der 233 Patienten mit Philadelphia-Chromosom-positiver CML in der chronischen Phase teilnahmen, die zuvor Therapieversagen oder Unverträglichkeit auf mindestens zwei TKI gezeigt hatten. Die Probanden wurden im Verhältnis 2:1 randomisiert und erhielten entweder Asciminib 40 mg zweimal täglich oder Bosutinib 500 mg einmal täglich. Die Wirksamkeit der Therapie wurde anhand des guten molekularen Ansprechens (Major Molecular Response, MMR) erfasst. Dieses ist erreicht, wenn der Anteil der BCR-ABL-Kopien bei einem Patienten auf ≤ 0,1 Prozent abgesunken ist.
Den primären Endpunkt der Studie, ein MMR nach 24 Wochen, erreichten 25,5 Prozent der Patienten unter Asciminib und 13,2 Prozent unter Bosutinib. Nach 96 Wochen betrug die MMR-Rate im Asciminib-Arm 37,6 Prozent und im Vergleichsarm 15,8 Prozent (sekundärer Endpunkt). Eine Aufschlüsselung der Ansprechraten in Abhängigkeit von der Anzahl der Vortherapien zeigt, dass Asciminib auch bei stark vorbehandelten Patienten noch wirksam sein kann: Die MMR-Rate nach 24 Wochen betrug bei Patienten, für die die Studienmedikation die dritte, vierte beziehungsweise fünfte oder höhere TKI-Therapielinie darstellte, unter Asciminib 29,3 Prozent, 25 Prozent beziehungsweise 16,1 Prozent (Bosutinib: 20 Prozent, 13,8 Prozent und 0 Prozent).
Auslöser der chronischen myeloischen Leukämie (CML) ist bei den allermeisten Patienten ein sogenanntes Philadelphia-Chromosom, bei dem die kurzen Enden der Chromosomen 9 und 22 gegeneinander ausgetauscht sind. Infolge dieser Translokation entsteht das Fusionsgen BCR-ABL. Dessen Genprodukt, die Tyrosinkinase BCR-ABL, ist im Gegensatz zur physiologischen Tyrosinkinase ABL dauerhaft aktiv und lässt sich nicht mehr abschalten. Dadurch werden viel zu viele (unreife) Zellen der myeloischen Leukozytenreihe gebildet, was letztlich auch die Produktion der anderen Leukozyten sowie der Erythrozyten und Thrombozyten durcheinander bringt.
Gegen BCR-ABL gerichtete TKI gibt es bereits einige. Imatinib (Glivec®) war 2001 der erste und gleichzeitig auch der erste zugelassene TKI überhaupt – ein großer Innovationsschritt, der im Jahr darauf mit dem PZ-Innovationspreis ausgezeichnet wurde. Seitdem sind mit Dasatinib (Sprycel™), Nilotinib (Tasigna®) und Bosutinib (Bosulif®) mehrere Substanzen der zweiten Generation sowie mit Ponatinib (Iclusig®) auch schon ein Drittgenerations-TKI hinzugekommen.
Scemblix ist bei Temperaturen nicht über 25 °C sowie in der Originalverpackung zu lagern, um das Arzneimittel vor Feuchtigkeit zu schützen. Scemblix ist verschreibungspflichtig.
Asciminib
Die dreidimensionale Strukturformel können Sie mit einem kostenlosen Zusatzprogramm aus dem Internet, zum Beispiel Cortona von Parallelgraphics, ansehen (externer Link).
Asciminib soll während der Schwangerschaft nicht angewendet werden. CML-Patientinnen im gebärfähigen Alter sollten während der Behandlung und für mindestens drei Tage nach der letzten Einnahme zuverlässig verhüten. Während der Behandlung und mindestens drei Tage nach deren Ende sollte nicht gestillt werden.
Sprunginnovation
Letzte Aktualisierung: 04.11.2022