Imatinib|Glivec®|86|2001 |
Novartis Pharma
100 mg Filmtabletten
400 mg Filmtabletten
Glivec ist zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen und Kindern mit neu diagnostizierter Philadelphia-Chromosom(bcr-abl)-positiver (Ph+) chronischer myeloischer Leukämie (CML), für die eine Knochenmarktransplantation als Erstbehandlungsmöglichkeit nicht in Betracht gezogen wird, von Erwachsenen und Kindern mit Ph+ CML in der chronischen Phase nach Versagen einer Interferon-α-Therapie, in der akzelerierten Phase oder in der Blastenkrise, von Erwachsenen und Kindern mit neu diagnostizierter Philadelphia-Chromosom-positiver akuter lymphatischer Leukämie (Ph+ ALL) in Kombination mit einer Chemotherapie, von Erwachsenen mit rezidivierter oder refraktärer Ph+ ALL als Monotherapie, von Erwachsenen mit myelodysplastischen/myeloproliferativen Erkrankungen (MDS/ MPD) in Verbindung mit Genumlagerungen des PDGF-Rezeptors (Platelet Derived Growth Factor Receptor), von Erwachsenen mit fortgeschrittenem hypereosinophilem Syndrom (HES) und/oder chronischer eosinophiler Leukämie (CEL) mit FIP1L1-PDGFRα-Umlagerung.
Glivec ist außerdem zugelassen zur Behandlung c-Kit-(CD 117)-positiver nicht resezierbarer und/oder metastasierter maligner gastrointestinaler Stromatumoren (GIST) bei Erwachsenen, zur adjuvanten Behandlung Erwachsener mit signifikantem Risiko eines Rezidivs nach Resektion c-Kit-(CD 117)-positiver GIST. Patienten mit einem niedrigen oder sehr niedrigen Rezidivrisiko sollten keine adjuvante Behandlung erhalten. Außerdem ist Glivec zugelassen zur Behandlung Erwachsener mit nicht resezierbarem Dermatofibrosarcoma protuberans (DFSP) und Erwachsener mit rezidivierendem und/oder metastasiertem DFSP, die für eine chirurgische Behandlung nicht in Frage kommen.
Imatinib ist ein Tyrosinkinaseinhibitor beziehungsweise ein Phenylamino-Pyrimidin-Derivat, das als Signaltransduktions-Inhibitor charakterisiert wird.
Imatinib blockiert gezielt eine Gruppe von Tyrosinkinasen, die unter anderem die unkontrollierte Produktion entarteter Leukozyten katalysieren. Die meisten CML-Patienten haben im Erbgut ein sogenanntes Philadelphia-Chromosom. Es entsteht, wenn die Enden von Chromosom 22 und 9 gegeneinander ausgetauscht werden. Dieser Austausch im Erbgut hat fatale Folgen, denn das Gen, das für die Tyrosinkinase ABL codiert, wird mit dem BCR-Gen fusioniert. So steigt die Aktivität der Kinase deutlich an. Die ABL-Kinase kurbelt die Zellteilung an und unterdrückt die Apoptose.
Imatinib blockiert unter anderem die ABL-Kinase und verhindert so die unkontrollierte Vermehrung der entarteten Zelllinien. Neben der ABL-Kinase hemmt Imatinib auch den PDGF-Rezeptor (Platelet Derived Growth Factor Receptor) und ein Enzym namens KIT. Dazu lagert sich das Molekül in die ATP-Bindungstasche der Enzyme ein.
Die Imatinib-Dosis richtet sich unter anderem nach der Art der Erkrankung. Sie reicht bei Erwachsenen zumeist von 400 bis 800 mg. Dosierungen bis zu 600 mg täglich sollten in einer Einmalgabe verabreicht werden. Dosierungen von 800 mg täglich sollten hingegen auf zwei Gaben à 400 mg verteilt werden.
Die Patienten sollten die Tabletten mit einem großen Glas Wasser einnehmen. Die Tabletten können aber auch in einem Glas kohlensäurefreiem Wasser oder Apfelsaft suspendiert werden, wenn der Patient die Tabletten nicht schlucken kann. Die Einnahme sollte dann unmittelbar nach dem Suspendieren erfolgen.
Die Dosierungen für Kinder werden anhand der Körperoberfläche ermittelt.
Dosisanpassungen können unter anderem bei Leber- oder Nierensuffizienz oder bei Auftreten bestimmter Nebenwirkungen erforderlich werden.
Um spezielle Dosierungen zu erreichen, stehen teilbare Filmtabletten à 100 mg zur Verfügung. Die 400-mg-Tabletten sind nicht teilbar.
Da die Substanz unter anderem über CYP3A4 metabolisiert wird, ist bei entsprechenden Enzyminhibitoren (zum Beispiel Ketoconazol) Vorsicht geboten. Imatinib kann aber auch die Plasmakonzentrationen anderer Arzneistoffe wie Simvastatin oder Ciclosporin erhöhen.
In Studien zu Imatinib wurden die Nebenwirkungen als schwach beschrieben. Am häufigsten nannten die Betroffenen leichte Übelkeit, die allerdings gemildert werden konnte, wenn das Arzneimittel zu den Mahlzeiten eingenommen wurde. Daneben litten die Patienten teils unter Ödemen, Muskelkrämpfen, Durchfall und Hautreaktionen.
Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.
In präklinischen Versuchen hinderte Imatinib die meisten CML-Zelllinien an der Zellteilung. Auf Zellen, die nicht die BCR-ABL-Translokation aufwiesen, wirkte die Substanz erwartungsgemäß nicht.
In einer klinischen Studie der Phase I verabreichten Mediziner Imatinib 54 Patienten in der chronischen Phase der Erkrankung. Alle hatten zuvor nicht auf eine Therapie mit Interferon-α angesprochen. Bei 53 Patienten gelang eine komplette hämatologische Remission, und das Blutbild normalisierte sich. Bei 29 Probanden ging die Zahl der Zellen mit Philadelphia-Chromosom im Blut deutlich zurück. Bei sieben Patienten waren in zehn untersuchten Zellkernen überhaupt keine Philadelphia-Chromosomen mehr nachweisbar.
In eine andere Phase-I-Studie wurden Patienten in der Blastenkrise aufgenommen, der letzten Phase der Erkrankung. Hier beobachteten die Ärzte immerhin noch bei 21 von 38 Patienten hämatologische Remissionen, bei vier Patienten war das Blutbild anschließend nicht von dem gesunder Patienten zu unterscheiden. Bei sieben Patienten hielt die Remission unter weiterer Therapie mit Imatinib 101 bis 349 Tage an. Allerdings brach die Erkrankung anschließend bei allen Patienten bis auf einen wieder aus. Alle Patienten hatten mindestens 300 mg Glivec täglich eingenommen.
Multicenterstudien der Phase II brachten ähnliche Ergebnisse. Nach fast einem Jahr profitierten 91 Prozent der Patienten in der chronischen Phase von einer kompletten hämatologischen Remission. Ob die Therapie mit Imatinib klinische Effekte zeigt und zum Beispiel das Leben der Patienten verlängert, ist noch nicht klar. Nach bisher veröffentlichten Daten betrug die Lebensverlängerung in der Blastenkrise gerade einmal einen Monat (6 versus 7 Monate). Ursache dafür sind Resistenzen der Tumorzellen gegen Imatinib, die vor allem in den fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung sehr schnell auftreten. Dennoch ermöglicht der – wenn auch geringe – Zeitgewinn bei einigen Patienten durch die Normalisierung des Blutbildes eine allogene Transplantation von Blutstammzellen, die einzige Möglichkeit nach derzeitigem Wissensstand, eine CML zu heilen.
Glivec ist bei Temperaturen nicht über 30 °C sowie vor Feuchtigkeit geschützt (Originalverpackung) zu lagern.
Glivec ist verschreibungspflichtig.
Imatinib
Die dreidimensionale Strukturformel können Sie mit einem kostenlosen Zusatzprogramm aus dem Internet, zum Beispiel Cortona von Parallelgraphics, ansehen (externer Link).
Glivec darf in der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn, dies ist zwingend erforderlich. In einem solchen Fall ist die Patientin über das mögliche Risiko für den Fetus zu informieren. Während einer Behandlung mit Imatinib dürfen Frauen nicht stillen.
Letzte Aktualisierung: 25.04.2017