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ARZNEISTOFFE

Tisotumab Vedotin|Tivdak®|86|2025

 
STOFFGRUPPE
86 Zytostatika, andere antineoplastische Mittel und Protektiva
WIRKSTOFF
Tisotumab Vedotin
FERTIGARZNEIMITTEL
Tivdak®
HERSTELLER

Genmab

MARKTEINFÜHRUNG (D)
09/2025
DARREICHUNGSFORM

40 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung

ATC-CODE
L01FX23
ORPHAN DRUG
Nein

Indikationen

Tivdak ist zugelassen als Monotherapie für erwachsene Frauen mit rezidivierendem oder metastasierendem Gebärmutterhalskrebs, bei denen der Tumor während oder nach einer systemischen Therapie fortgeschritten ist.

Wirkmechanismus

Tisotumab Vedotin ist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) aus einem vollständig humanen Antikörper vom Typ IgG1-κ (Tisotumab) und dem Zytotoxin Monomethyl-Auristatin E (MMAE), die über einen proteolytisch spaltbaren Valin-Citrullin-Linker miteinander verbunden sind (Vedotin). 

 

Der Antikörper Tisotumab richtet sich gegen den Gewebefaktor (TF), der von einigen soliden Tumoren vermehrt auf der Zelloberfläche exprimiert wird und durch den das Tumorwachstum, die Angiogenese und die Metastasierung begünstigt werden. Das Transmembran-Glykoprotein TF ist ein neues Target in der Onkologie.

 

Das Konjugat bindet über seinen Antikörper-Anteil an TF auf Tumorzellen und wird in die Zelle aufgenommen. Dort kommt es zur Freisetzung des Spindelgifts MMAE aus dem Konjugat. Dieses unterbricht das Mikrotubuli-Netzwerk von sich teilenden Zellen, was zum Stillstand des Zellzyklus und zum apoptotischen Zelltod führt. In vitro wurden eine direkte Zytotoxizität in TF-exprimierenden Zellen, Zytotoxizität in tumorumgebenden, sogenannten Bystander-Zellen, antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität und Phagozytose sowie immunogener Zelltod nachgewiesen.

Anwendungsweise und -hinweise

Die empfohlene Dosis beträgt 2 mg Tisotumab Vedotin pro kg Körpergewicht (höchstens 200 mg bei Patientinnen mit einem Gewicht über 100 kg) alle drei Wochen bis zur Krankheitsprogression oder inakzeptablen Toxizität. Tivdak wird als 30-minütige intravenöse Infusion verabreicht, keinesfalls als Push- oder Bolusinjektion.

 

Bei bestimmten Nebenwirkungen können Therapiepausen oder eine Dosisreduktion erforderlich werden. Wird auch eine Dosis von 0,9 mg/kg KG nicht vertragen, soll Tivdak abgesetzt werden. 

Wichtige Wechselwirkungen

Bei gleichzeitiger Verabreichung von Tisotumab Vedotin mit starken CYP3A4-Inhibitoren, zum Beispiel Antibiotika wie Clarithromycin oder Telithromycin, vielen HIV-Medikamenten sowie Azol-Antimykotika, müssen die Patientinnen sorgfältig auf unerwünschte Reaktionen überwacht werden.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen (jeweils über 25 Prozent) in Studien zu Tivdak waren periphere Neuropathie, Übelkeit, Nasenbluten, Konjunktivitis, Alopezie, Anämie und Diarrhö.

 

Schwere Nebenwirkungen ab Grad 3 traten bei 56 Prozent der Patientinnen auf. Am häufigsten waren Anämie, periphere Neuropathie, Ermüdung/Fatigue, Abdominalschmerz, Neutropenie, Erbrechen, Asthenie und Diarrhö. Bei 2 Prozent der Frauen endeten Nebenwirkungen tödlich.

 

Da in Studien Nebenwirkungen am Auge aufgetreten sind – am häufigsten Konjunktivitis, trockene Augen, Keratitis und Blepharitis –, ist die Sorge um das Sehvermögen sehr wichtig. Vor Therapiebeginn muss ein Ophthalmologe die Augen gründlich untersuchen. Vor jeder einzelnen Infusion, also alle drei Wochen, muss der Arzt die Augen der Patientin überprüfen und die normalen Augenbewegungen kontrollieren. Bei jeglichen Symptomen muss die Frau zum Augenarzt.

 

Außerdem muss sie vor und mehrere Tage nach der Infusion regelmäßig konservierungsmittelfreie Corticosteroid-haltige Augentropfen, zum Beispiel mit Dexamethason, sowie vasokonstriktive Augentropfen, zum Beispiel mit Brimonidintartrat, anwenden. Nach Verabreichung der Augentropfen sind vor, während und bis 30 Minuten nach der Infusion kühlende Augenpads aufzulegen.

 

Weitere Vorsichtsmaßnahmen betreffen das frühzeitige Erkennen einer peripheren Neuropathie sowie von Hautreaktionen, da schwere Hauterkrankungen, einschließlich eines lebensbedrohlichen Stevens-Johnson-Syndroms, unter Tisotumab Vedotin auftreten können. Bei Anzeichen oder Symptomen solcher Hautreaktionen muss das Medikament sofort pausiert werden, bis deren Ätiologie geklärt ist.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Die Wirksamkeit von Tisotumab Vedotin wurde in der offenen, randomisierten Phase-III-Studie SGNTV-003 bei 502 Frauen mit rezidiviertem oder metastasiertem Zervixkarzinom untersucht. Die Frauen waren im Median 50 Jahre alt und hatten bereits eine oder zwei systemische Therapien erhalten, darunter eine Chemotherapie mit oder ohne Bevacizumab und einen PD-1-/PD-L1-Inhibitor. Sie erhielten im Rahmen der Studie entweder Tisotumab Vedotin oder eine Chemotherapie mit Topotecan, Vinorelbin, Gemcitabin, Irinotecan oder Pemetrexed.

 

Primärer Endpunkt der Studie war das Gesamtüberleben. Zu den sekundären Endpunkten zählten das progressionsfreie Überleben (PFS) und die bestätigte objektive Ansprechrate.

 

Tisotumab Vedotin verlängerte signifikant das Gesamtüberleben auf median 11,5 Monate im Vergleich zu 9,5 Monaten unter Chemotherapie. Auch das mediane PFS war signifikant länger (4,2 versus 2,9 Monate). Die Ansprechrate lag bei 17,8 Prozent versus 5,2 Prozent.

 

Nahezu alle Frauen in der Phase-III-Studie erlitten Nebenwirkungen. Bei 25 Prozent der Patientinnen war eine Dosisreduktion erforderlich und fast 15 Prozent mussten die Therapie mit Tisotumab Vedotin wegen toxischer Effekte abbrechen. 

Besonderheiten

Tivdak ist bei Temperaturen von 2 bis 8 °C (Kühlschrank) zu lagern. Es darf nicht einfrieren.

 

Tivdak ist verschreibungspflichtig.

Weitere Hinweise

Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und mindestens zwei Monate nach dem Absetzen der Behandlung wirksam verhüten. Haben Männer Partnerinnen im gebärfähigen Alter, muss die Verhütung mindestens vier Monate nach der letzten Dosis fortgesetzt werden.  Da das Tisotumab Vedotin den Embryo oder Fötus schädigen könnte, darf es nicht in der Schwangerschaft angewendet werden, außer wenn der klinische Zustand der Frau dies erfordert. 

 

Das Stillen muss während und für mindestens drei Wochen nach Absetzen der Behandlung unterbrochen werden.

Vorläufige Bewertung

Sprunginnovation

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