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ARZNEISTOFFE

Mirvetuximab-Soravtansin|Elahere®|86|2024

 
STOFFGRUPPE
86 Zytostatika, andere antineoplastische Mittel und Protektiva
WIRKSTOFF
Mirvetuximab-Soravtansin
FERTIGARZNEIMITTEL
Elahere®
HERSTELLER

Abbvie

ZIELSTRUKTUR
Mitose-Hemmstoffe
MARKTEINFÜHRUNG (D)
12/2024
DARREICHUNGSFORM

5 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung

ATC-CODE
L01FX26
ORPHAN DRUG
Ja

Indikationen

Elahere ist zugelassen als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patientinnen mit Folatrezeptor-alpha-(FRα-)positivem, platinresistentem, hochgradigem, serösem, epithelialem Ovarial-, Tuben- oder primärem Peritonealkarzinom. Voraussetzung ist, dass die Patientinnen zuvor eine bis drei systemische Behandlungslinien erhalten haben.

Wirkmechanismus

Bei Mirvetuximab-Soravtansin handelt es sich um ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat. Der Antikörperteil des Konjugats – Mirvetuximab – ist ein technisch hergestelltes IgG1, das gegen FRα gerichtet ist. FRα wird von etwa 35 Prozent der in der Indikation genannten Krebsarten überexprimiert. Wirkstoff ist der potente Tubulin-Inhibitor DM4, der über einen Linker an den Antikörper gebunden ist. Nach Bindung an FRα wird das Konjugat in die Zelle internalisiert, wo durch proteolytische Spaltung das Zellgift freigesetzt wird. Der Mitosehemmstoff unterbricht das Mikrotubuli-Netzwerk, was zu einem Stillstand des Zellzyklus und zum apoptotischen Zelltod führt.

Anwendungsweise und -hinweise

Die empfohlene Dosis beträgt 6 mg Mirvetuximab-Soravtansin pro kg angepasstes Idealkörpergewicht (Adjusted Ideal Body Weight, AIBW) einmal alle drei Wochen (21-Tage-Zyklus) als intravenöse Infusion bis zur Progression der Erkrankung oder bis zum Auftreten einer inakzeptablen Toxizität. Eine auf dem AIBW basierende Dosierung reduziert die Expositionsvariabilität bei Patientinnen, die entweder unter- oder übergewichtig sind.

 

Eine Anpassung der Dosis ist bei Vorliegen einer leichten bis mittelschweren Niereninsuffizienz und leichten Leberinsuffizienz nicht erforderlich. Bei Patientinnen mit mittelschwerer bis schwerer Leberinsuffizienz ist eine Therapie mit Mirvetuximab-Soravtansin zu vermeiden.

 

Die Patientinnen erhalten vor jeder Infusion eine Prämedikation, bestehend aus einem Corticoid, einem Antihistaminikum, einem Antipyretikum und einem Antiemetikum, um Häufigkeit und Schwere von Infusionsreaktionen, Übelkeit und Erbrechen zu reduzieren.

 

Mirvetuximab-Soravtansin kann wie andere Antikörper-Wirkstoff-Konjugate schwere Nebenwirkungen am Auge hervorrufen, darunter Sehverschlechterung (vorwiegend verschwommenes Sehen), Hornhauterkrankungen, trockenes Auge, Photophobie und Augenschmerzen. Die Patientinnen müssen daher vor Beginn der Therapie zur Augenuntersuchung. Ferner sind sie darauf hinzuweisen, vor jedem Zyklus alle neuen oder sich verschlechternden derartigen Symptome dem Arzt zu melden. Je nach Schwere der Befunde muss die Elahere-Dosis angepasst werden. Während der Behandlung sollten benetzende Augentropfen angewendet werden. Bei Patientinnen, die Nebenwirkungen an der Hornhaut von mindestens Grad 2 entwickeln, wird für nachfolgende Zyklen mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat die Anwendung von topischen Steroiden am Auge empfohlen. Das Tragen von Kontaktlinsen sollte vermieden werden.

 

Eine weitere Nebenwirkung ist eine schwere, lebensbedrohliche oder tödlich verlaufende interstitielle Lungenerkrankung, einschließlich Pneumonitis. Die Patientinnen sind auf pulmonale Anzeichen und Symptome zu überwachen. Bei Patientinnen, die eine anhaltende oder rezidivierende Pneumonitis vom Grad 2 entwickeln, muss die Behandlung ausgesetzt werden, bis die Symptome auf ≤ Grad 1 abgeklungen sind. Zudem ist eine Dosisreduktion in Betracht zu ziehen. Bei Patientinnen mit Pneumonitis von Grad 3 oder 4 ist Elahere dauerhaft abzusetzen.

 

Zudem kann unter Mirvetuximab-Soravtansin eine periphere Neuropathie auftreten. Die Patientinnen sind auf entsprechende Anzeichen wie Parästhesie, Kribbeln oder Brennen, neuropathische Schmerzen, Muskelschwäche oder Dysästhesie zu überwachen. Bei Patientinnen mit neu auftretender oder sich verschlechternder peripherer Neuropathie ist die Mirvetuximab-Soravtansin-Dosis je nach Schweregrad der peripheren Neuropathie auszusetzen, zu reduzieren oder dauerhaft abzusetzen.

Wichtige Wechselwirkungen

DM4 ist ein CYP3A4-Substrat. Die gleichzeitige Anwendung von Elahere mit starken CYP3A4-Inhibitoren kann die Exposition gegenüber unkonjugiertem DM4 und somit das Risiko von Nebenwirkungen erhöhen. Lässt sich eine gleichzeitige Gabe mit starken CYP3A4-Inhibitoren nicht vermeiden, sind die Patientinnen engmaschig auf Nebenwirkungen zu überwachen. Umgekehrt können starke CYP3A4-Induktoren die Exposition gegenüber unkonjugiertem DM4 verringern.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen in Studien zu Elahere waren verschwommenes Sehen, Übelkeit, Durchfall, Müdigkeit, Bauchschmerzen, Keratopathie, trockene Augen, Verstopfung, Erbrechen, verminderter Appetit, periphere Neuropathie, Kopfschmerzen, Asthenie, erhöhte Aspartat-Aminotransferase und Arthralgie.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Die Zulassung von Elahere basiert auf den Daten der offenen, randomisierten und kontrollierten Phase-III-Studie MIRASOL. Eingeschlossen waren 453 Frauen mit high-grade serösem, Platin-resistentem Ovarialkarzinom und hoher FRα-Expression, die bereits ein- bis dreifach vortherapiert waren. Sie erhielten randomisiert entweder eine Chemotherapie (Paclitaxel, pegyliertes liposomales Doxorubicin oder Topotecan) nach Wahl des Prüfarztes oder Elahere 6 mg/kg AIBW (n = 227) an Tag 1 eines jeden dreiwöchigen Zyklus. Primärer Endpunkt war das von den Prüfärzten beurteilte progressionsfreie Überleben (PFS).

 

Die Ergebnisse zeigen einen signifikanten PFS-Vorteil für die Patientinnen im Mirvetuximab-Soravtansin-Behandlungsarm: Das Risiko für Tumorprogression oder Tod war verglichen mit dem unter einer Chemotherapie um 35 Prozent signifikant reduziert (Median 5,62 versus 3,98 Monate). Zudem verlängerte Elahere signifikant das Gesamtüberleben: Das Risiko zu versterben war in diesem Behandlungsarm um 33 Prozent verringert (Median 16,46 versus 12,75 Monate).

Hintergrundinfos

Eierstockkrebs ist nach Brustkrebs die zweithäufigste tödliche gynäkologische Krebserkrankung. Oft verläuft sie lange Zeit symptomfrei. Ovarialkarzinome werden deshalb meist erst in einem fortgeschrittenen Tumorstadium diagnostiziert, was mit einer schlechten Prognose einhergeht. Als Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms wird in der Regel eine Operation durchgeführt, an die sich eine platinhaltige Chemotherapie anschließt. Bei einem Großteil der Patientinnen rezidiviert die Erkrankung jedoch und häufig entwickeln die Betroffenen im Verlauf Resistenzen gegenüber platinbasierten Chemotherapien. Bislang standen für das platinresistente Ovarialkarzinom nur begrenzt wirksame Behandlungsoptionen zur Verfügung.

Besonderheiten

Elahere ist bei Temperaturen von 2 bis 8 °C (Kühlschrank) aufrecht stehend zu lagern. Es darf nicht einfrieren. Außerdem ist es vor Licht geschützt (Umkarton) aufzubewahren.

Elahere ist verschreibungspflichtig.

Weitere Hinweise

Mirvetuximab-Soravtansin enthält mit DM4 eine genotoxische Verbindung und kann bei Verabreichung an Schwangere zur Schädigung des Embryos/Fetus führen. Gebärfähige Patientinnen müssen deshalb während der Behandlung und für sieben Monate nach der letzten Dosis eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Der Einsatz von Elahere bei Schwangeren wird nicht empfohlen. Während der Behandlung mit dem Mirvetuximab-Soravtansin sowie für einen Monat nach der letzten Dosis darf nicht gestillt werden.

Vorläufige Bewertung

Sprunginnovation

Letzte Aktualisierung: 08.01.2025

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