Pharmazeutische Zeitung online
ARZNEISTOFFE

Ivosidenib|Tibsovo®|86|2023

 
STOFFGRUPPE
86 Zytostatika, andere antineoplastische Mittel und Protektiva
WIRKSTOFF
Ivosidenib
FERTIGARZNEIMITTEL
Tibsovo®
HERSTELLER

Servier

ZIELSTRUKTUR
Isocitrat-Dehydrogenase-1-Inhibitoren
MARKTEINFÜHRUNG (D)
07/2023
DARREICHUNGSFORM

250 mg Filmtabletten

ATC-CODE
L01XX62
ORPHAN DRUG
Ja

Indikationen

Tibsovo in Kombination mit Azacitidin ist zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie (AML) mit einer Isocitrat-Dehydrogenase-1-(IDH1)-R132-Mutation, die für eine Standard-Induktionschemotherapie nicht geeignet sind.

 

Tibsovo als Monotherapie ist zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Cholangiokarzinom mit einer IDH1-R132-Mutation, die zuvor bereits mit mindestens einer systemischen Therapie behandelt worden sind.

 

In beiden Indikationen muss vor Therapiestart die entsprechende Mutation per Test nachgewiesen worden sein.

Wirkmechanismus

Ivosidenib ist in Europa die erste zugelassene zielgerichtete Therapie für Isocitrat-Dehydrogenase-1-(IDH1) mutierte Tumorerkrankungen. Derartige Mutationen finden sich etwa beim Cholangiokarzinom (CCA) und bei akuter myeloischer Leukämie (AML). Ivosidenib ist ein Inhibitor des mutierten IDH1-Enzyms.

 

Die mutierte Form führt dazu, dass der Onkometabolit 2-Hydroxyglutarat (2-HG) akkumuliert. 2-HG stimuliert epigenetische Fehlregulierungen wie Hypermethylierung und blockiert die Zelldifferenzierung. In der Folge häufen sich undifferenzierte Zellen an, was die Tumorentstehung bei hämatologischen sowie auch bei nicht hämatologischen Malignomen fördert.

Anwendungsweise und -hinweise

Die empfohlene Dosis beträgt 500 mg Ivosidenib einmal täglich. Die Patienten sollten zwei Stunden vor und eine Stunde nach der Einnahme nichts essen und während der Behandlung auf Grapefruit und Grapefruitsaft verzichten.

 

Bei schwerer Nierenfunktionsstörung sowie bei mäßiger bis schwerer Leberfunktionsstörung darf Ivosidenib nur mit Vorsicht und unter engmaschiger Überwachung zum Einsatz kommen.

 

Vor Therapiebeginn muss ein EKG gemacht werden. Das QTc-Intervall sollte weniger als 450 ms betragen. Anschließend müssen EKG während der ersten drei Therapiewochen mindestens einmal wöchentlich und danach, wenn das QTc-Intervall ≤ 480 ms bleibt, monatlich durchgeführt werden. Die Patienten sollten über das Risiko aufgeklärt werden sowie die Anzeichen und Symptome einer QT-Verlängerung wie Herzklopfen, Schwindel, Synkope oder sogar Herzstillstand kennen.

Wichtige Wechselwirkungen

Ivosidenib ist ein Substrat von CYP3A4. Die gleichzeitige Gabe von starken CYP3A4-Induktoren ist kontraindiziert. Zugleich induziert der Wirkstoff CYP3A4 sowie CYP2B6, CYP2C8, CYP2C9 und CYP2C19, was die systemische Exposition gegenüber Substraten dieser Enzyme verringern kann.

 

Die gleichzeitige Einnahme von Arzneimitteln, die das QTC-Intervall verlängern, ist zu vermeiden. Das gilt auch für die Kombination mit moderaten oder starken CYP3A4-Hemmern, die das Risiko einer QTC-Intervallverlängerung erhöhen. Lässt sich die gleichzeitige Anwendung nicht vermeiden, sollte die Ivosidenib-Dosis auf einmal täglich 250 mg reduziert werden.

 

Des Weiteren kann Ivosidenib die systemische Exposition von Wirkstoffen, die überwiegend durch PGP transportiert werden, verändern. Die Kombination mit Dabigatran ist daher kontraindiziert. Zudem hemmt Ivosidenib die Transportproteine OAT3, OATP1B1 und OATP1B3. Die gleichzeitige Verabreichung von OAT3-Substraten (etwa Furosemid) oder sensitiven OATP1B1/1B3-Substraten (etwa Atorvastatin) gilt es zu vermeiden.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen in Studien zu Ivosidenib bei Patienten mit Cholangiokarzinom waren Müdigkeit, Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall, verminderter Appetit, Aszites, Erbrechen, Anämie und Hautausschlag.

 

Bei Patienten mit AML waren die häufigsten hämatologischen Nebenwirkungen von Grad ≥ 3 Anämie, Neutropenie sowie febrile Neutropenien. Übelkeit und Erbrechen sowie Blutungsereignisse zählten zu den häufigsten nicht hämatologischen Nebenwirkungen über alle Schweregrade hinweg.

 

Für AML-Patienten gibt es noch einen gesonderten Warnhinweis. Bei ihnen kann unter der Behandlung ein Differenzierungssyndrom auftreten. Dieses geht mit einer schnellen Proliferation und Differenzierung von myeloischen Zellen einher und kann lebensbedrohlich oder tödlich sein. Zu den Symptomen zählen unter anderem periphere Ödeme, Pyrexie, Dyspnoe und Hypotonie. Patienten sollten diese Symptome kennen und sich beim Auftreten unverzüglich an ihren Arzt wenden. Zudem sollten sie die Patientenkarte zur sicheren Anwendung stets bei sich tragen.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Unter der Behandlung mit Ivosidenib kann es zur Verlängerung des herzfrequenzkorrigierten QT-Intervalls (QTC-Intervall) am Herzen kommen. Kontraindiziert ist Tibsovo daher unter anderem bei angeborenem Long-QT-Syndrom sowie einem QT/QTC-Intervall > 500 ms, unabhängig von der Korrekturmethode. Nicht angewendet werden darf der Wirkstoff zudem bei plötzlichem Tod oder polymorphen ventrikulären Arrhythmien in der Familienanamnese.

 

Kontraindiziert ist außerdem die Gleichzeitige Gabe von starken CYP3A4-Induktoren oder Dabigatran.

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Die Zulassung von Tibsovo bei AML erfolgte auf Basis der Phase-III-Studie AGILE mit 200 Patienten, die randomisiert Azacitidin entweder mit oder ohne Ivosidenib erhielten. Als primärer Endpunkt war das ereignisfreie Überleben definiert. Die Studie wurde frühzeitig beendet, da sich ein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Wirksamkeit zeigte. Die Hinzunahme von Ivosidenib führte zu einer signifikanten Verlängerung des ereignisfreien Überlebens (HR = 0,33; p = 0,002) und des Gesamtüberlebens (HR = 0,44; p < 0,001). Im Durchschnitt konnte das Gesamtüberleben von 7,9 Monaten unter Azacitidin plus Placebo auf 24 Monate unter Azacitidin plus Ivosidenib verdreifacht werden.

 

Sicherheit und Wirksamkeit in der Indikation Cholangiokarzinom belegte Ivosidenib in der Phase-III-Studie ClarIDHy an 187 Patienten. Die Patienten erhielten randomisiert entweder einmal täglich 500 mg Tibsovo oder Placebo. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Unter Ivosidenib kam es mit 2,7 Monaten zu einer signifikanten Verbesserung des PFS verglichen mit 1,4 Monaten unter Placebo.

Besonderheiten

Bei der Lagerung von Tibsovo sind keine besonderen Bedingungen zu berücksichtigen. Die Flasche ist fest verschlossen zu halten, um den Inhalt vor Feuchtigkeit zu schützen. Tibsovo ist verschreibungspflichtig.

Formeln

Ivosidenib

Ivosidenib

Die dreidimensionale Strukturformel können Sie mit einem kostenlosen Zusatzprogramm aus dem Internet, zum Beispiel Cortona von Parallelgraphics, ansehen (externer Link).

ivosidenib.wrl

Links

Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR)

 

Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels

 

Nutzenbewertung des G-BA vom 16.10.2023 (lokal fortgeschrittenes oder metastasiertes Cholangiokarzinom mit IDH1-R132-Mutation)

 

Nutzenbewertung des G-BA vom 16.10.2023 (AML mit IDH1-R132-Mutation)

Weitere Hinweise

Frauen im gebärfähigen Alter sollen vor Behandlungsbeginn einen Schwangerschaftstest durchführen. Sie sowie Männer mit Partnerinnen im gebärfähigen Alter müssen während der Therapie und für mindestens einen Monat danach eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Da Ivosidenib die systemische Konzentration von hormonellen Verhütungsmitteln vermindern kann, wird die gleichzeitige Anwendung einer alternativen Verhütungsmethode empfohlen.

 

Nicht empfohlen wird die Anwendung von Tibsovo während der Schwangerschaft. Das Stillen soll während der Behandlung und für mindestens einen Monat nach der letzten Dosis unterbrochen werden.

Vorläufige Bewertung

Sprunginnovation

Letzte Aktualisierung: 02.08.2023

Mehr aus Stoffgruppe 86 Zytostatika, andere antineoplastische Mittel und Protektiva