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ARZNEISTOFFE

(177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan|Pluvicto®|86|2024

 
STOFFGRUPPE
86 Zytostatika, andere antineoplastische Mittel und Protektiva
WIRKSTOFF
(177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan
FERTIGARZNEIMITTEL
Pluvicto®
HERSTELLER

Novartis Pharma

MARKTEINFÜHRUNG (D)
06/2024
DARREICHUNGSFORM

1000 MBq/ml Injektions-/Infusionslösung

ATC-CODE
V10XX05
ORPHAN DRUG
Nein

Indikationen

Pluvicto ist in Kombination mit einer Androgendeprivationstherapie zugelassen zur Behandlung von Männern mit progredientem PSMA-positiven, metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC), die zuvor einen Inhibitor des Androgenrezeptor-(AR-)Signalwegs und eine taxanbasierte Chemotherapie erhalten haben. Bei Patienten, die nicht chirurgisch kastriert sind, sollte die medikamentöse Kastration mit einem GnRH-Analogon beibehalten werden.

Wirkmechanismus

Pluvicto ist ein β--Strahler. Das enthaltene Lutetium-177 zerfällt mit einer Halbwertszeit von 6,647 Tagen unter Abgabe eines Elektrons zu stabilem Hafnium-177. Das Radionuklid ist in Pluvicto an einen niedermolekularen Liganden mit einer hohen Affinität zum PSMA gekoppelt. Das Molekül bindet an PSMA-exprimierende Tumorzellen, wird durch Endozytose ins Zellinnere aufgenommen und gibt dort seine Strahlung ab. Es kommt zu DNA-Schäden und in der Folge zum Zelltod. Die Reichweite der β--Strahlung beträgt nur wenige Millimeter, sodass Zellen in der unmittelbaren Umgebung des Tumors ebenfalls geschädigt werden, weiter entfernt liegendes Gewebe aber kaum.

Anwendungsweise und -hinweise

Das empfohlene Behandlungsschema beträgt 7400 MBq intravenös alle sechs Wochen (± eine Woche) bis zu einer Gesamtzahl von maximal sechs Dosen. 7400 MBq entsprechen dem Inhalt einer Durchstechflasche der gebrauchsfertigen Lösung. Das Volumen der Lösung kann zwischen 7,5 und 12,5 ml liegen.

 

Schreitet die Krebserkrankung unter der Therapie weiter fort oder kommt es zu inakzeptabler Toxizität, soll sie nicht fortgeführt werden. Verschiedene Nebenwirkungen können eine vorübergehende Behandlungsunterbrechung, eine Dosisreduktion oder ein dauerhaftes Absetzen erforderlich machen. Um die entsprechenden Veränderungen des Blutbildes sowie der Nieren- und Leberfunktion zu erfassen, müssen vor und während der Behandlung Labortests durchgeführt werden. Besteht von vorneherein eine mittelschwere bis schwere Nierenfunktionsstörung, wird die Anwendung von Pluvicto nicht empfohlen.

 

Um die Strahlenbelastung der Blase möglichst gering zu halten, sollten Patienten viel trinken und möglichst oft Wasserlassen. Nach jeder Verabreichung von Pluvicto sollten sie für die Dauer von zwei Tagen engen Kontakt (weniger als einen Meter) mit anderen Haushaltsmitgliedern vermeiden; zu Kindern und schwangeren Frauen soll diese Distanz für die Dauer von sieben Tagen eingehalten werden. Zudem soll nach jeder Gabe sieben Tage lang auf sexuelle Aktivität verzichtet werden und der Patient für drei Tage getrennt von anderen Mitgliedern des Haushalts in einem eigenen Schlafzimmer schlafen (7 Tage lang getrennt von Kindern und 15 Tage lang getrennt von Schwangeren). Während der Behandlung und für die Dauer von 14 Wochen nach der letzten Dosis sollte der Patient kein Kind zeugen und beim Geschlechtsverkehr Kondome verwenden.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen unter der Therapie mit Pluvicto waren Ermüdung (43,1 Prozent der Behandelten), Mundtrockenheit (39,3 Prozent), Übelkeit (35,3 Prozent), Anämie (31,8 Prozent), verminderter Appetit (21,2 Prozent) und Obstipation (20,2 Prozent). Als Nebenwirkungen der Grade 3 bis 4 traten am häufigsten Anämie (12,9 Prozent), Thrombozytopenie (7,9 Prozent), Lymphopenie (7,8 Prozent) und Ermüdung (5,9 Prozent) auf.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Die Wirksamkeit von Pluvicto wurde in der randomisierten, multizentrischen, offenen Phase-III-Studie VISION gezeigt. An ihr nahmen 831 Patienten mit progredientem PSMA-positiven mCRPC teil, von denen 551 insgesamt bis zu sechs Dosen Pluvicto 7400 MBq plus bestmögliche Standardversorgung (BSoC) und 280 BSoC allein erhielten. Die primären Wirksamkeitsendpunkte waren das Gesamtüberleben (OS) und das radiografische progressionsfreie Überleben (rPFS) entsprechend einer verblindeten unabhängigen zentralen Begutachtung. Zu den sekundären Endpunkten zählten die Gesamtansprechrate (ORR) und die Zeit bis zum ersten skelettbezogenen Ereignis (SSE).

 

Pluvicto plus BSoC war BSoC signifikant überlegen. Es waren sowohl ein längeres OS von median 15,3 versus 11,3 Monaten als auch ein längeres rPFS von median 8,7 versus 3,4 Monaten zu verzeichnen. Auch die Vorteile in den sekundären Endpunkten ORR (29,8 versus 1,7 Prozent) und SSE (median 11,5 versus 6,8 Monate) waren signifikant.

Hintergrundinfos

Das Prostata-spezifische Membranantigen (PSMA) ist ein Glykoprotein, das laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) vor allem auf der Oberfläche von Prostatakrebszellen vorkommt. Auf gesunden Zellen der Prostata sei PSMA sehr viel weniger und in übrigen Körperzellen kaum zu finden, informierte das DKFZ, das an der Entwicklung von (177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan beteiligt war, schon vor einigen Jahren. Die EU-Zulassung des Arzneimittels erfolgte 2022, als Neueinführung beim ABDATA Pharma-Daten-Service wurde es zum 1. Juni 2024 gemeldet.

Besonderheiten

Pluvicto-Durchstechflaschen sind in der Originalverpackung zur Abschirmung von einem Bleibehältnis umschlossen und sollen in diesem aufbewahrt werden. Die Dauer der Haltbarkeit beträgt 120 Stunden (fünf Tage) ab dem Tag und Zeitpunkt der Kalibrierung. Als radioaktives Arzneimittel darf Pluvicto nur von dazu berechtigten Personen in speziell dafür bestimmten klinischen Einrichtungen in Empfang genommen, gehandhabt und angewendet werden.

Pluvicto ist verschreibungspflichtig.

Formeln

(<sup>177</sup>Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan

(177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan

Weitere Hinweise

Aufgrund der mit der Strahlung von (177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan assoziierten potenziellen Wirkungen auf die Spermatogenese wird männlichen Patienten geraten, während der Behandlung mit Pluvicto und für die Dauer von 14 Wochen nach der letzten Dosis kein Kind zu zeugen und beim Geschlechtsverkehr Kondome zu verwenden.

Vorläufige Bewertung

Sprunginnovation

Letzte Aktualisierung: 09.07.2024

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