Ausgabe 13/2014 |
24.03.2014 11:23 Uhr |
Schwerpunkt Phytopharmaka
Diese Ausgabe hat das Thema "Phytopharmaka" zum Schwerpunkt.
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Ungewollt kinderlos – Ursachen und Therapiemöglichkeiten
Von Josef Peter Guggenbichler / Die Arznei-Hefe Saccharomyces boulardii hat sich seit Jahrzehnten als Probiotikum bei der Behandlung von Diarrhöen unterschiedlicher Genese bewährt. Zu den bekannten Wirkmechanismen, die das breite Wirkspektrum erklären, kommen aktuelle Erkenntnisse hinzu, wie die Hefe auch das darmassoziierte Immunsystem beeinflusst.
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Wer sein Neugeborenes als Schutz vor dem plötzlichen Kindstod nachts auf dem Rücken schlafen lässt, riskiert Schädeldeformationen und Folgeschäden.
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Spätestens wenn die Verdauung nicht mehr reibungslos funktioniert, erhält die Darmflora oder sogenannte intestinale Mikrobiota die ihr zustehende Beachtung. Die unglaubliche Zahl von 100 Billionen Bakterien bildet vor allem im Dickdarm ein komplexes System, das nicht nur eine große Rolle bei der Verdauung und verschiedenen Stoffwechselvorgängen spielt. Auch ihre Bedeutung bei der Reifung und Aktivität des adaptiven und angeborenen Immunsystems ist zunehmend Gegenstand der aktuellen Forschung (1).
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Die Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota ist von Mensch zu Mensch verschieden und wird schon im frühen Kindesalter geprägt. Danach ist sie erstaunlich stabil. Unter physiologischen Bedingungen spalten die Kolon-bewohnenden Darmbakterien Ballaststoffe aus der Nahrung auf. Dabei entstehen kurzkettige Fettsäuren, die als Energieträger eine große Bedeutung für die Kolonozyten haben. Zusammen mit Natrium nehmen die Darmzellen die kurzkettigen Fettsäuren auf, was auf osmotischem Wege gleichzeitig zu einer passiven Wasseraufnahme und daher zu einer Stuhleindickung führt.
Verschiedene Faktoren können jedoch zu einer Fehlbesiedlung des Darms führen – sowohl hinsichtlich der Zahl als auch des Artenspektrums der intestinalen Bakterien. Fehlernährung oder Stress, aber auch ein hohes Alter sind bekannte Auslöser solcher sogenannter Dysbiosen (2, 3). Auch verschiedene Erkrankungen wie Diabetes oder Clostridium-difficile-Infektionen können die Mikrobiota aus dem Gleichgewicht bringen. Eine weitere häufige Ursache einer Dysbiose ist zudem die Einnahme von Antibiotika (3, 4)
Schon seit Jahrzehnten findet Saccharomyces (S.) boulardii als Probiotikum weltweit Verwendung bei der Behandlung von akuten Diarrhöen. Auch zur Prophylaxe beispielsweise von Reisedurchfällen wird die Hefe eingesetzt (6). Auch wenn in verschiedenen Studien nachgewiesen wurde, dass die gesunde intestinale Mikrobiota durch S. boulardii nicht signifikant verändert wird (7-10), so bewirkt die Gabe dennoch eine Stabilisierung der Mikrobiota. Diese präventive Wirkung von S. boulardii zeigt sich jedoch erst bei einer Pathogen-Exposition oder einer Antibiotika-Einnahme (11, 12).
In der Rubrik Originalia werden wissenschaftliche Untersuchungen und Studien veröffentlicht. Eingereichte Beiträge sollten in der Regel den Umfang von vier Druckseiten nicht überschreiten und per E-Mail geschickt werden. Die PZ behält sich vor, eingereichte Manuskripte abzulehnen. Die veröffentlichten Beiträge geben nicht grundsätzlich die Meinung der Redaktion wieder.
AAD und antibiotische Dysbiose
Eine Antibiotikatherapie geht im Allgemeinen mit signifikanten Veränderungen der intestinalen Mikrobiota einher. Vor allem die Reduktion der Kolon-Mikrobiota erklärt die häufigste Nebenwirkung einer Antibiose: Die gestörte intestinale Mikrobiota ist in vielen Fällen nicht mehr ausreichend in der Lage, Ballaststoffe zu verdauen und kurzkettige Fettsäuren zu produzieren. Mangels osmotischer Effekte wird dem Stuhl nur unzureichend Wasser entzogen, sodass er flüssig bleibt. Mit einer Häufigkeit bis zu 39 Prozent im ambulanten Bereich und bis zu 60 Prozent in der Klinik tritt in der Folge eine Antibiotika-assoziierte Diarrhö (AAD) auf (13, 14). Grundsätzlich besitzen alle Antibiotikaklassen ein AAD-Risiko, wobei Clindamycin, Breitspektrumpenicilline, Cephalosporine und Antibiotika-Kombinationen besonders betroffen sind. Milde, selbstlimitierende Verläufe bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen sind möglich. (11)
In zahlreichen Studien wurde die Wirksamkeit einer präventiven Gabe von S. boulardii bei einer Antibiotikabehandlung untersucht. Trotz der großen Heterogenität der Studien hinsichtlich des eingesetzten Antibiotikums, der zugrundeliegenden Erkrankungen und der S.-boulardii-Dosierung konnte in der weit überwiegenden Mehrzahl der Untersuchungen ein protektiver Effekt nachgewiesen werden: Eine AAD konnte in 43,7 Prozent bis 87,3 Prozent der Fälle verhindert werden (11). Eine Metaanalyse von fünf Studien mit 1076 eingeschlossenen Patienten wies eine signifikante Reduzierung des AAD-Risikos von 17,2 Prozent auf 6,7 Prozent durch eine S.-boulardii-Behandlung versus Placebo nach (Abbildung 1) (13).
Aber nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer AAD kann durch S. boulardii signifikant reduziert werden. Laut dem Arzneiverordnungs-Report 2016 wird die Einnahme von S. boulardii auch bei Antibiotika-bedingten Nebenwirkungen als effektiv angesehen (15). Zudem konnte in Studien nachgewiesen werden, dass eine gleichzeitige Einnahme von S. boulardii während einer Antibiotikatherapie den Rückgang der mikrobiellen Population verringerte und S. boulardii somit einen schützenden Effekt auf die Darmbakterien besitzt. Des Weiteren unterstützte eine im Anschluss an die Antibiose durchgeführte zweiwöchige S.-boulardii-Behandlung die schnellere Regeneration der intestinalen Mikrobiota (Abbildung 2) (16).
Die Arznei-Hefe Saccharomyces boulardii CNCM I-745 ist ein Stamm der Hefe S. cerevisiae. Trotz genetischer Verwandtschaft sind sie metabolisch und auch physiologisch gesehen sehr unterschiedlich. Bedingt durch ihr höheres Temperaturoptimum und eine bessere Säureresistenz, zeigt S. boulardii eine schnellere Wachstumsrate im Darmtrakt auf (5).
Seit mehr als 50 Jahren wird die Arznei-Hefe als Probiotikum prophylaktisch und therapeutisch bei Diarrhöen eingesetzt. Der Hefestamm S. boulardii CNCM I-745 wird von Biocodex (Gentilly, Frankreich) in einem Gefriertrocknungsverfahren, der sogenannten Lyophilisierung, hergestellt. Die Wirksamkeit bei der Prävention und Behandlung von Diarrhöen unterschiedlicher Genese wurde in zahlreichen klinischen Studien belegt. Diese Studien wurden überwiegend mit Perenterol® durchgeführt und sind somit nicht auf andere Präparate übertragbar.
Infektiöse Diarrhöen
Neben der AAD können mit S. boulardii in vielen Fällen auch Diarrhöen infektiösen Ursprungs erfolgreich behandelt werden. Dank unterschiedlicher Wirkmechanismen, die an verschiedenen Stellen der Infektionskaskade angreifen, besitzt S. boulardii ein breites Wirkspektrum und ist bei vielen Pathogenen wirksam.
Unter den bakteriellen Diarrhö- Erregern spielt Clostridium (C.) difficile als häufiger Verursacher von Krankenhausinfektionen eine große Rolle. Außerdem sind C.-difficile-Infektionen eine gefürchtete Komplikation bei einer AAD, da die Bakterien resistent gegen die meisten Antibiotika sind (11). C.-difficile-Infektionen treten bei circa 20 Prozent der AAD-Fälle auf. Ihre Pathogenität beruht auf den beiden freigesetzten Toxinen A und B, die zytotoxisch und sekretionssteigernd auf die Darmzellen wirken. S. boulardii ist in der Lage, eine Serinprotease zu produzieren, die die beiden Toxine enzymatisch spalten und damit inaktivieren kann (17, 18).
Pathogene Escherichia-(E.)-coli-Stämme wie enterohämorrhagische (EHEC), entheropathogene (EPEC) und enterotoxische (ETEC) E. coli sind weltweit Auslöser schwerer Diarrhöen. Je nach Gebiet sind ETEC-Bakterien eine häufige Ursache von Reisedurchfällen. Wie bei anderen bakteriellen Erregern kann S. boulardii die Adhäsion der Pathogene an die Darmepithelzellen und ihre Internalisierung reduzieren.
Auch bei Salmonelleninfektionen ist S. boulardii wirksam: Die Hefe verringerte in Studien die Adhäsion der Bakterien an die Darmepithelzellen und ihre Invasion in die Wirtszellen. In der frühen Phase der Infektion stimuliert sie außerdem die Sekretion entzündungshemmender Zytokine und reduziert während einer andauernden Infektion die Ausschüttung inflammatorischer Zytokine (19).
Abbildung 2: Schematische Darstellung der Auswirkungen einer S. boulardii Behandlung während oder nach einer Antibiotikatherapie sowie einer Kontrollbehandlung ohne S. boulardii (modifiziert nach (16))
blau: Antibiose ohne S. boulardii Behandlung
rot: gleichzeitige Einnahme von S. boulardii zur Antibiose
grün: zweiwöchige S. boulardii Behandlung im Anschluss an die Antiobiose
schwarz: Einnahme von S. boulardii zur Antibiose sowie zweiwöchige Einnahme im Anschluss an die Antiobiose (hypothetisch)
Besonders in den Wintermonaten treten gehäuft Norovirus-Infektionen auf. Viral bedingte Diarrhöen gehen mit Verkürzungen der Villi und teils, in Abhängigkeit vom Virus, auch einer Zerstörung der reifen Enterozyten einher. Dies hat zur Folge, dass ein Defizit der Bürstensaumenzyme entsteht und dies zu einer Malabsorption unterschiedlicher Zucker führt. Polyamine, welche durch S. boulardii produziert und sezerniert werden, begünstigen die Reifung von Enterozyten. Darüber hinaus führt die Einnahme von S. boulardii zu einer gesteigerten Enzymaktivität der Bürstensaumenzyme und wirkt so einer Malabsorption und folglich auch einer viral bedingten Diarrhö entgegen (14, 20-23).
Wirkmechanismen
Mehrere, sich ergänzende antidiarrhöische Wirkmechanismen sind für S. boulardii nachgewiesen. Je nach Ursache der Diarrhö sind unterschiedliche Effekte relevant.
S. boulardii beeinflusst das darmassoziierte Immunsystem:
Neben den immunologischen Effekten zeigt S. boulardii weitere Wirkmechanismen:
Fazit
Die Arznei-Hefe S. boulardi ist sowohl in der Prophylaxe als auch bei der Behandlung von Diarrhöen unterschiedlicher Genese wirksam. Neben einem stabilisierenden Einfluss auf die intestinale Mikrobiota, welcher unter anderem effektiv einer Antibiotika-assoziierten Diarrhö vorbeugt, unterstützt S. boulardii die Regeneration der Darmflora nach einer Antibiose. Zudem sind mehrere Wirkmechanismen bekannt, wie S. boulardii die Infektionskaskade bei einer pathogen-induzierten Diarrhö beeinflusst. Eine wichtige Rolle spielt dabei die nachgewiesene Aktivierung des darmassoziierten Immunsystems. /
Literatur
Anschrift des Verfassers
Professor Dr. Josef Peter Guggenbichler
Leitweg 23
6345 Kössen
Österreich