Pharmazeutische Zeitung online
Bärlauch

Potenter Frühlingsbote

25.03.2014  16:45 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi / Er ist eines der ersten Heilkräuter, die im Frühling aus der Erde kommen: der Bärlauch. Schon seit Jahrtausenden wird der wilde Knoblauchverwandte als Heilpflanze verwendet, der eine Reihe von positiven Gesundheitseffekten zugesprochen wird. Einige von diesen sind in vitro sogar nachgewiesen.

Wilder Knoblauch, Zigeunerlauch, Waldknoblauch, Ramsell: Bezeichnungen gibt es viele für den Bärlauch (Allium ursinum), der zu der Subfamilie der Lauchgewächse (Allioideae) aus der Familie der Amaryllisgewächse gehört. Die krautige überdauernde Pflanze kommt in fast ganz Europa bis nach Nordasien vor. Nur in der Mittelmeerregion ist sie nicht zu finden. 

Denn die Pflanze bevorzugt schattige, feuchte und humusreiche Standorte. In Auen- und Laubwäldern kommt sie daher häufig vor und kann dort große Flächen einnehmen, die schon von Weitem an ihrem charakteristischen knoblauchartigen Geruch zu erkennen sind.

 

Ab März wachsen aus einer länglichen Zwiebel meist zwei Laubblätter, die schmal und lanzettförmig sind. In den Monaten April und Mai erscheinen dann die kleinen sternförmigen weißen Blüten, die in flachen Scheindolden angeordnet sind. Durch das frühe Erscheinen gilt der Bärlauch seit jeher als Frühlingsbote.

 

Er ist eine der ältesten Heilpflanzen Europas und war schon den Germanen und Kelten bekannt. Sie schätzten ihn als blutreinigendes und stärkendes Gewächs. Viele Mythen sind mit dem Bärlauch verbunden. So sollen Bären, die bei den Germanen als sogenannte Seelentiere als Sinnbild von Kraft und Er neuerung verehrt wurden, nach dem langen Winterschlaf aus ihrer Höhle kommen und die frischen Blätter des Bärlauch fressen. Dies sollte sie für das neue Jahr stärken.

 

Vorgeschriebener Anbau im Mittelalter

 

Auch im Frühmittelalter war die Pflanze in Europa sehr beliebt. Karl der Große erließ in seiner Landgüterverordnung »Capitulare de villis vel curtis imperii« aus dem Jahr 812 nach Christus, dass Bärlauch eine der 73 Nutzpflanzen sein sollte, die neben 16 Baum­arten in allen kaiserlichen Gütern von den Verwaltern anzubauen waren. Lange Zeit blieb der Waldknoblauch eine geschätzte Heilpflanze. So beschrieb der deutsche Botaniker Hieronymus Bock den Bärlauch in seinem »Kreütter Buch« von 1539 ausführlich und verglich ihn darin mit dem Gartenknoblauch (Allium sativum): Der Waldknoblauch würde »übler stinken«, hätte aber vielleicht eine kräftigere Heilwirkung als dieser. Danach geriet der Bärlauch langsam in Vergessenheit, was vermutlich mit dem Siegeszug des Knoblauchs zusammenhing. Mittlerweile hat er aber wieder Einzug in deutsche Küchen gehalten und die Blätter werden gerne zu Suppen, Saucen, Salaten oder Pesto verarbeitet.

 

Schwefelhaltige Inhaltsstoffe

 

Der knoblauchartige Geschmack und Geruch des Bärlauchs stammt von schwefelhaltigen Inhaltsstoffen, von denen eine Vielzahl vorhanden ist. Den größten Teil machen die Cystein-Sulfoxide Methiin und Alliin, aber auch Isoalliin und Propiin aus. Diese sekundären Pflanzenstoffe sind geruchlos und nicht flüchtig, werden aber durch hydrolytische Spaltung in eine ganze Reihe von flüchtigen Verbindungen wie Allicin, Thio-Sulfinate und Polysulfide umgewandelt, die den charakteristischen Duft ausmachen. Neben den schwefelhaltigen Verbindungen kommt noch eine Reihe von anderen Pflanzeninhaltstoffen vor, zu denen Polyphenole wie Flavonoide, steroidale Glykoside und Lectine gehören. Zudem enthält Allium ursinum nennenswerte Mengen an Magnesium, Mangan und Eisen und ist reich an Adenosin, das eine gefäßerweiternde Wirkung besitzt.

 

Angewendet wird der Bärlauch traditionell zur Kräftigung und »Reinigung des Blutes«. Dabei können alle Teile der Pflanze genutzt werden, denn alle sind essbar. Für medizinische Zwecke werden in der Regel die Blätter (Allii ursini folium/herba) in den Monaten April bis Mai oder die Zwiebeln (Allii ursini bulbus) in September und Oktober geerntet. Anders als häufig angenommen, können die Blätter auch verwendet werden, wenn die Pflanze bereits blüht. Allerdings sind sie dann weniger aromatisch, und die Konzentrationen der Inhaltsstoffe fallen geringer aus. Dem Bärlauch werden neben der kräftigenden auch verdauungsfördernde, antimikrobielle und entgiftende Wirkungen nachgesagt, und er soll vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen. Extern angewendet soll er die Wundheilung beschleunigen und bei chronischen Hauterkrankungen wirksam sein.

Einige Wirkungen sind in In-vitro-Unter­su­chun­gen belegt. Einen Überblick über die Studien­lage geben Danuta Sobolewska von der Jagiellonian-Universität in Krakau, Polen, und Kolleginnen im Fachjournal »Phytochemistry Reviews« (doi: 10.1007/s11101-013-9334-0). Dem Artikel zufolge hat Bärlauch ein kardio­pro­tek­tives Potenzial. So können Bärlauch-Extrakte die Plättchen-Aggregation, die Cholesterol-Synthese und die Aktivität des Angiotensin-konvertierenden Enzyms (ACE) hemmen. Bei Fütterungsversuchen mit Ratten zeigte sich, dass Tiere, die über acht Wochen pulverisierte Bärlauchblätter verspeist hatten, eine signifikant niedrigere Plasma-ACE-Aktivität aufwiesen als Kontrolltiere. In Untersuchungen mit spontan hypertensiven Ratten, die über 45 Tage eine mit Bärlauch angereicherte Kost erhielten, hatten diese einen signifikant niedrigeren Blutdruck als Kontrolltiere

 

Antimikrobiell wirksam

 

Auch eine antimikrobielle Aktivität von Allium ursinum ist in vitro belegt. So konnten Extrakte das Wachstum von verschiedenen Bakterienspezies wie Staphylococcus aureus, Bacillus subtilis oder Salmonella enteritidis und von Pilzen sowie von Nematoden hemmen. Die antimikrobielle Wirkung korreliert dabei mit dem Gehalt an schwefelhaltigen Substanzen.

 

Trotz der jahrtausendealten Tradition von Bärlauch als Heilpflanze stecke die Erforschung des therapeutischen Nutzens noch in den Kinderschuhen, folgern Sobolewska und ihre Kolleginnen. Er habe aber durchaus therapeutisches Potenzial, das weiter untersucht werden sollte. Schon jetzt ist Bärlauch in Europa als Nahrungsergänzungsmittel und auch in Form einer homöopathischen Urtinktur erhältlich. Frisch verzehrt ist er aber leckerer. Dass man nach dem Verzehr nicht nach Knoblauch riecht, ist allerdings ein Gerücht. /

Mehr von Avoxa