Pharmazeutische Zeitung online
ARZNEISTOFFE

Efgartigimod alfa|Vyvgart®|51|2022

STOFFGRUPPE
51 Immunmodulatoren
WIRKSTOFF
Efgartigimod alfa
FERTIGARZNEIMITTEL
Vyvgart®
HERSTELLER

Argenx

MARKTEINFÜHRUNG (D)
09/2022
DARREICHUNGSFORM

20 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung

ATC-CODE
L04AA58
ORPHAN DRUG
Ja

Indikationen

Vyvgart ist zugelassen zusätzlich zur Standardtherapie zur Behandlung von Patienten mit generalisierter Myasthenia gravis. Voraussetzung für die Therapie ist, dass der Patient Anti-Acetylcholin-Rezeptor (AChR)-Antikörper positiv ist.

Wirkmechanismus

Bei Efgartigimod alfa handelt sich um ein Fragment des humanen rekombinanten Immunglobulins G1 (IgG1), das an den neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn) bindet. Dieser intrazelluläre Rezeptor ist an einem Recyclingprozess beteiligt, der spezifisch für IgG-Antikörper ist: Bindet ein IgG mit seiner Fc-Region an den FcRn, wird es nicht abgebaut, sondern aus der Zelle hinausbefördert und wieder freigesetzt. Ist der FcRn durch Efgartigimod alfa blockiert, können andere IgG nicht daran binden und werden nicht recycelt, sondern abgebaut. Unter dem Strich sorgt Efgartigimod alfa dafür, dass die Spiegel aller IgG-Antikörper sinken, auch der der pathogenen Autoantikörper. Andere Immunglobuline, etwa IgA, IgD, IgE oder IgM, werden nicht beeinflusst.

Anwendungsweise und -hinweise

Die empfohlene Dosis beträgt 10 mg Efgartigimod alfa pro kg Körpergewicht, jedoch maximal 1200 mg, einmal wöchentlich über vier Wochen. Dies entspricht einem Zyklus. Weitere Zyklen sind verlaufsabhängig möglich, wobei die Sicherheit nicht erwiesen ist, wenn zwischen den Zyklen weniger als sieben Wochen liegen.

 

Während der Gabe von Efgartigimod alfa und eine Stunde danach müssen die Patienten auf Infusionsreaktionen überwacht werden. Tritt eine solche ein, sollte die Infusion unterbrochen werden und es sollten geeignete unterstützende Maßnahmen eingeleitet werden. Nach Abklingen der Reaktion kann die Infusion gegebenenfalls mit einer langsameren Infusionsgeschwindigkeit fortgesetzt werden.

 

Infolge der vorübergehenden Verringerung der IgG-Spiegel kann sich das Infektionsrisiko der Patienten erhöhen. Sie sollten entsprechend überwacht werden. Kommt es zu einer schwerwiegenden Infektion, sollte in Betracht gezogen werden, die Behandlung mit Efgartigimod alfa zu verschieben, bis die Infektion abgeklungen ist.

Wichtige Wechselwirkungen

Impfungen mit (attenuierten) Lebendimpfstoffen werden unter der Therapie nicht empfohlen. Andere Impfstoffe können gegeben werden, wenn die letzte Infusion eines Behandlungszyklus mindestens zwei Wochen zurückliegt und der nächste Zyklus frühestens vier Wochen später beginnt.

Nebenwirkungen

Häufigste Nebenwirkungen in Studien zu Efgartigimod alfa waren Infektionen der oberen Atemwege (10,7 Prozent der Behandelten) und Harnwegsinfektionen (9,5 Prozent). Häufig kam es darüber hinaus zu Bronchitis, Myalgie und Kopfschmerzen. Die Infektionen waren leicht bis mittelschwer; sie führten bei weniger als 2 Prozent der Patienten zu einem Therapieabbruch oder erforderten eine Unterbrechung der Therapie.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Die Sicherheit von Vyvgart wurde in einer 26-wöchigen, doppelblinden, randomisierten Phase-III-Studie mit 167 Patienten mit gMG untersucht. Von den Probanden waren 129 Anti-AChR-Antikörper-positiv; nur sie wurden bei der Beurteilung der Wirksamkeit berücksichtigt. Die Patienten erhielten zusätzlich zu ihrer bestehenden Therapie entweder Efgartigimod alfa in dem empfohlenen Dosierungsschema mit maximal drei Behandlungszyklen oder Placebo.

 

Für die Bewertung der Wirksamkeit wurden verschiedene validierte Fragebögen herangezogen, darunter »Myasthenia Gravis Activities of Daily Living« (MG-ADL). Dieser Score umfasst Werte von 0 bis 24, wobei höhere Werte eine stärkere Beeinträchtigung bedeuten. In der Studie war ein MG-ADL-Responder definiert als ein Patient mit einer Verringerung des MG-ADL- Scores um mindestens zwei Punkte gegenüber dem Ausgangswert vor dem Behandlungszyklus. Die Verbesserung durfte dabei nicht später als eine Woche nach der letzten Infusion des Zyklus einsetzen und musste über mindestens vier Wochen bestehen bleiben.

 

Als primärer Wirksamkeitsendpunkt wurde der Prozentsatz der MG-ADL-Responder während des ersten Behandlungszyklus erfasst. Er betrug in der Efgartigimod-alfa-Gruppe 67,7 Prozent (44 von 65 Patienten) und in der Placebogruppe 29,7 Prozent (19 von 64 Patienten). Die überlegene Wirksamkeit von Efgartigimod alfa blieb nach dem zweiten Behandlungszyklus bestehen und bestätigte sich auch unter Verwendung eines anderen Fragebogens (»Quantitative Myasthenia Gravis«, QMG).

Hintergrundinfos

Myasthenia gravis bedeutet übersetzt »schwere Muskelschwäche«. Kennzeichen der seltenen Erkrankung ist eine belastungsabhängige Muskelschwäche, die sich in Ruhe wieder bessert. Im Fall der generalisierten Myasthenia gravis (gMG) betrifft diese den gesamten Körper. Zugrunde liegt bei 80 bis 90 Prozent der Patienten ein autoimmunes Geschehen, nämlich die Bildung von Autoantikörpern, die sich gegen den Acetylcholinrezeptor (AChR) richten. Dadurch ist die neuromuskuläre Erregungsübertragung gestört.

 

Grundpfeiler der Pharmakotherapie bei gMG sind Cholinesterase-Inhibitoren wie Pyridostigmin und Neostigmin sowie Glucocorticoide und Azathioprin zur Immunsuppression. Die Therapie kann bei Bedarf (vorübergehend) eskaliert werden, zum Beispiel mit Rituximab oder Cyclophosphamid. Hilfreich kann es auch sein, die Thymusdrüse operativ zu entfernen. Unter Ausschöpfung der therapeutischen Möglichkeiten haben Patienten mit gMG heute eine normale Lebenserwartung, doch ist die Belastung durch die erforderliche Therapie hoch.

Besonderheiten

Vyvgart wird im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C originalverpackt gelagert.

Vyvgart ist verschreibungspflichtig.

Weitere Hinweise

Der Einsatz von Vyvgart in Schwangerschaft und Stillzeit sollte nur in Erwägung gezogen werden, wenn der klinische Nutzen die Risiken überwiegt. Wenn eine Frau während der Schwangerschaft mit dem Medikament behandelt wurde, ist beim Neugeborenen ein verringerter Nestschutz zu erwarten.

Vorläufige Bewertung

Sprunginnovation

Letzte Aktualisierung: 11.10.2022

Mehr aus Stoffgruppe 51 Immunmodulatoren