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ARZNEISTOFFE

Vedolizumab|Entyvio®|51|2014

STOFFGRUPPE
51 Immunmodulatoren
WIRKSTOFF
Vedolizumab
FERTIGARZNEIMITTEL
Entyvio®
HERSTELLER

Takeda

MARKTEINFÜHRUNG (D)
05/2014
DARREICHUNGSFORM

108 mg Injektionslösung in einem Fertigpen

108 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze

300 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung

ATC-CODE
L04AA33
ORPHAN DRUG
Nein

Indikationen

Entyvio ist zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa und mittelschwerem bis schwerem aktivem Morbus Crohn, die auf eine konventionelle Therapie oder einen TNF-α-Antagonisten nicht ausreichend angesprochen haben oder diese nicht vertragen.

Wirkmechanismus

Vedolizumab blockiert spezifisch das zelluläre Adhäsionsmolekül α4β7-Integrin. Dieses wird bevorzugt auf einer speziellen Untergruppe der Memory-T-Helferzellen exprimiert, die in den Magen-Darm-Trakt eindringt und dort die chronische Entzündung verursacht. Diese T-Zellen werden durch Vedolizumab daran gehindert, an das mukosale Adressin-Zelladhäsionsmolekül-1 (MadCAM-1) auf Darm-Endothelzellen zu binden. Die Einwanderung dieser T-Lymphozyten in den Magen-Darm-Trakt wird so unterbunden.

Anwendungsweise und -hinweise

Die empfohlene Dosierung beträgt 300 mg Vedolizumab als halbstündige intravenöse Infusion zu Beginn der Behandlung, nach zwei und sechs Wochen und dann alle acht Wochen. Bei nachlassender Wirkung kann das Intervall der Erhaltungstherapie auf vier Wochen verkürzt werden. Nach Therapie-Unterbrechungen, die in klinischen Studien bis zu ein Jahr dauerten, kann die Behandlung ebenfalls im Vier-Wochen-Rhythmus wieder begonnen werden, ohne dass Wirksamkeit oder Verträglichkeit darunter leiden.

 

Die Erhhaltungstherapie kann nach mindestens zwei intravenösen Infusionen auch subkutan mittels Fertigspritze oder Ferigpen verabreicht werden. Die empfohlene Dosierung beträgt dabei 108 mg alle zwei Wochen. Die erste subkutane Dosis sollte anstelle der nächsten geplanten intravenösen Dosis und danach alle zwei Wochen verabreicht werden.

 

Morbus-Crohn-Patienten sprechen tendenziell später auf die Therapie an als Patienten mit Colitis ulcerosa. Daher soll bei Letzteren ein Abbruch der Therapie erwogen werden, wenn bis Woche 10 keine Hinweise auf einen therapeutischen Nutzen zu beobachten sind. Patienten mit Morbus Crohn, die nicht angesprochen haben, profitieren dagegen möglicherweise von einer zusätzlichen Dosis Vedolizumab in Woche 10; bei ihnen sollte die Therapie bei Nichtansprechen erst in Woche 14 abgebrochen werden.

 

Es wird empfohlen, allen Patienten vor Beginn der Therapie alle Impfungen nach den aktuellen Impfempfehlungen zu verabreichen. Lebend­impfstoffe sollten Patienten unter Vedolizumab-Therapie nur gegeben werden, wenn der Nutzen die Risiken eindeutig überwiegt. Impfungen mit inaktivierten oder abgetöteten Impfstoffen sind aber möglich.

Wichtige Wechselwirkungen

Studien zu Wechselwirkungen wurden mit Vedolizumb nicht durchgeführt.

 

Eine Impfung mit Lebendimpfstoffen, insbesondere mit oral verabreichten, sollte unter der Behandlung mit Vedolizumab mit Vorsicht erfolgen.

Nebenwirkungen

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten in Studien zu Vedolizumab unter Langzeit-Behandlung bei 19 Prozent der mit Vedolizumab therapierten Patienten und bei 13 Prozent der mit Placebo behandelten Patienten auf.

 

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Nasopharyngitis, Arthralgie und Kopfschmerzen, gefolgt von Übelkeit, Infektionen der oberen Atemwege, Fieber, Müdigkeit und Husten. 4 Prozent der Patienten berichteten von infusionsbedingten Reaktionen.

 

Aufgrund seiner darmselektiven Wirkung hat Vedolizumab zwar keine systemische immunsuppressive Wirkung, dennoch kann unter der Therapie das Risiko für opportunistische Infektionen steigen. Akute schwere Infektionen wie Tuberkulose, Sepsis, Cytomegalie-Virus oder Listeriose sind daher Kontraindikationen. Wird bei der Untersuchung vor Beginn einer Vedolizumab-Therapie eine latente Tuberkulose entdeckt, muss zuerst eine Therapie dagegen eingeleitet werden, bevor die Vedolizumab-Behandlung beginnen kann.

 

Es wird empfohlen, allen Patienten vor Beginn der Therapie alle Impfungen nach den aktuellen Impfempfehlungen zu verabreichen. Lebend­impfstoffe sollten Patienten unter Vedolizumab-Therapie nur gegeben werden, wenn der Nutzen die Risiken eindeutig überwiegt. Impfungen mit inaktivierten oder abgetöteten Impfstoffen sind aber möglich.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Patienten mit aktiven schweren Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Sepsis oder Listeriose darf die Behandlung mit Vedolizumab erst begonnen werden, wenn die Infektion unter Kontrolle gebracht wurde.

 

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Vedolizumab wurden in den drei klinischen Studien GEMINI I bis III nachgewiesen. An der ersten nahmen 374 Patienten mit Colitis ulcerosa teil, bei denen zuvor mindestens eine herkömmliche Therapie einschließlich Corticosteroide, Immunmodulatoren und/oder Infliximab versagt hatte. Die Teilnehmer erhielten zu Beginn der Studie und nach zwei Wochen je 300 mg Vedolizumab oder Placebo. Primärer Endpunkt war der Anteil Patienten mit klinischem Ansprechen, definiert anhand zweier gängiger Scores. Ein klinisches Ansprechen erreichten unter Vedolizumab 47 Prozent der Patienten, eine klinische Remission 17 Prozent und eine Abheilung der Schleimhaut 41 Prozent. Für Placebo betrugen die entsprechenden Prozentzahlen 26, 5 und 25.

 

Patienten, die unter Vedolizumab ein klinisches Ansprechen gezeigt hatten, erhielten randomisiert ab Woche 6 entweder Vedolizumab alle acht Wochen, Vedolizumab alle vier Wochen oder Placebo alle vier Wochen. Ein Jahr nach Therapiestart (Woche 52) waren unter Verum im Vier-Wochen-Rhythmus 45 Prozent der Patienten in klinischer Remission (primärer Endpunkt), unter Verum im Acht-Wochen-Rhythmus 42 Prozent und unter Placebo 16 Prozent. Patienten nach erfolgloser Anti-TNF-α-Therapie sprachen dabei mit 35 Prozent (Vier-Wochen-Rhythmus) beziehungsweise 37 Prozent (Acht-Wochen-Rhythmus) schlechter an als solche, bei denen eine konventionelle Therapie versagt hatte.

 

Das Design der GEMINI-II-Studie, an der 368 Patienten mit Morbus Crohn nach Versagen mindestens einer herkömmlichen Therapie teilnahmen, entsprach dem von GEMINI I. Neben der klinischen Remission in Woche 6 gab es einen weiteren primären Endpunkt, nämlich ein verbessertes klinisches Ansprechen in Woche 6. Ersteres erreichten 15 Prozent der Patienten unter Vedolizumab und 7 Prozent unter Placebo, Letzteres 31 Prozent unter Vedolizumab und 26 Prozent unter Placebo. Nach 52 Wochen waren 36 Prozent der vierwöchentlich mit Verum therapierten Patienten in klinischer Remission, 45 Prozent erfüllten die Kriterien für ein verbessertes klinisches Ansprechen. Für die im Acht-Wochen-Rhythmus therapierten Patienten betrugen die entsprechenden Prozentzahlen 39 beziehungsweise 44, für Placebo 22 beziehungsweise 30.

 

In GEMINI III erhielten 416 Morbus-Crohn-Patienten, bei denen mindestens eine herkömmliche Therapie versagt hatte, in den Wochen 0, 2 und 6 doppelblind entweder 300 mg Vedolizumab oder Placebo. Primärer Endpunkt war der Anteil Patienten in klinischer Remission in Woche 6 in der Untergruppe der Anti-TNF-α-Versager. Sowohl in Gemini II als auch in Gemini III zeigte sich somit auch in der Indikation Morbus Crohn, dass Patienten nach erfolgloser Anti-TNF-α-Therapie tendenziell schlechter auf Vedolizumab ansprachen.

Hintergrundinfos

Mit dem Multiple-Sklerose-Medikament Natalizumab (Tysabri™) ist bereits ein Antikörper mit ähnlichem Wirkmechanismus auf dem Markt. Dieser bindet allerdings an die α4-Untereinheit des Integrins und wirkt dadurch unspezifischer als Vedolizumab. Natalizumab verhindert die Einwanderung von Lymphozyten in Gewebe, unter anderem das zentrale Nervensystem (ZNS) und den Magen-Darm-Trakt. In den USA ist es daher außer zur Behandlung von Patienten mit Multipler Sklerose auch zur Therapie von CED-Patienten zugelassen.

 

Eine seltene schwerwiegende Nebenwirkung von Natalizumab ist die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML), eine meist tödlich verlaufende opportunistische Infektion des Gehirns. Da Vedolizumab wie Natalizumab ein Integrin-Modulator ist, besteht theoretisch die Möglichkeit, dass auch Patienten unter Vedolizumab eine PML entwickeln könnten. Bislang wurde aber von keinem derartigen Fall berichtet. Gegen die Gefahr einer PML durch Vedolizumab spricht, dass die Einwanderung von Leukozyten ins ZNS durch Bindung des α4β1-Integrins (VLA-4) an das vaskuläre Zelladhäsionsmolekül-1 (VCAM-1) auf Endothelzellen vermittelt wird und Vedolizumab diese Interaktion nicht stört.

 

Vedolizumab wurde mit dem PZ-Innovationspreis ausgezeichnet.

Besonderheiten

Entyvio ist bei 2–8 °C (Kühlschrank) zu lagern. Um den Inhalt vor Licht zu schützen, ist Entyvio im Umkarton aufzubewahren.

 

Entyvio zur Infusion muss vor der Anwendung zunächst rekonstituiert und anschließend verdünnt werden. Dies sollte bei Raumtemperatur (20–25 °C) erfolgen. Da Entyvio keine Konservierungsmittel enthält, sollte die Infusionslösung möglichst umgehend verwendet werden. Falls erforderlich, kann sie bis zu 24 Stunden gelagert werden, davon maximal 12 Stunden bei Raumtemperatur, die übrige Zeit im Kühlschrank.

 

Entyvio Fertigpens und Fertigspritzen können in ihren Umkartons bei Bedarf bis zu sieben Tage bei Raumtemperatur (bis 25 °C) aufbewahrt werden. Wurden sie in dieser Zeit nicht verwendet, müssen sie anschließend entsorgt werden.

 

Entyvio ist verschreibungspflichtig.

Weitere Hinweise

Gebärfähigen Frauen sollten geeignete Methoden zur Empfängnisverhütung anwenden und diese mindestens 18 Wochen nach der letzten Gabe von Vedolizumab fortführen. Während der Schwangerschaft darf Vedolizumab nur dann zum Einsatz kommen, wenn der Nutzen das potenzielle Risiko für die Mutter und den Fetus eindeutig überwiegt. Dies gilt analog auch während der Stillzeit.

Letzte Aktualisierung: 30.09.2021

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