Dimethylfumarat|Tecfidera®|51|2014 |
Biogen
120 mg magensaftresistente Hartkapseln
240 mg magensaftresistente Hartkapseln
Tecfidera ist zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose.
Der genaue Wirkmechanismus von Dimethylfumarat bei Multipler Sklerose ist nicht bekannt. Präklinische Studien weisen darauf hin, dass die entzündungshemmenden und immunmodulatorischen Eigenschaften primär über eine Aktivierung des Nuclear factor (erythyroid-derived 2)-like 2 (Nrf2)-Transkriptionswegs vermittelt werden. Dieser Signalweg ist ein körpereigener Abwehrmechanismus, der Zellen vor potenziell schädlichen Einflüssen wie Entzündungen und oxidativem Stress schützt. Der Wirkstoff ermöglicht die Bindung des Transkriptionsfaktors Nrf2 an ein sogenanntes Antioxidant-Response-Element (ARE), was innerhalb der Zellen letztlich eine Normalisierung des Energiehaushalts und einen Abbau beschädigter Proteine bewirkt. In Versuchen mit Rattengliazellen erhöhte Dimethylfumarat die Expression Nrf2-abhängiger antioxidativer Gene wie NAD(P)H-Dehydrogenase (Quinon 1).
Die Anfangsdosis ist zweimal täglich 120 mg Dimethylfumarat. Nach sieben Tagen wird auf die empfohlene Dosis von zweimal täglich 240 mg erhöht. Bei Auftreten von gastrointestinalen Nebenwirkungen oder Hitzegefühl kann vorübergehend wieder auf zweimal täglich 120 mg reduziert werden; jedoch sollte innerhalb eines Monats die empfohlene Dosis wieder aufgenommen werden. Zur besseren Verträglichkeit sollten die Tabletten zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen werden.
Die Kapsel oder ihr Inhalt darf nicht zerdrückt, geteilt, aufgelöst, gelutscht oder gekaut werden, da der magensaftresistente Überzug der Mikrotabletten eine Reizung des Darms verhindert.
Vorsicht ist geboten bei Patienten mit niedriger Lymphozytenzahl, da Tecfidera diese weiter vermindern kann. Vor Behandlungsbeginn muss ein aktuelles Blutbild (innerhalb der letzten sechs Monate) vorliegen. Ein solches sollte auch nach sechs Monaten gemacht werden sowie danach alle sechs bis zwölf Monate, sofern klinisch indiziert. Ebenfalls empfohlen wird vor Behandlungsbeginn eine Überprüfung der Nieren- und Leberfunktion, da unter Dimethylfumarat eine Veränderung der Nieren- und Leberwerte beobachtet wurde. Diese sollten nach drei und sechs Monaten erneut überprüft werden sowie danach alle sechs bis zwölf Monate, sofern klinisch indiziert.
Bei Patienten mit schwerer Nieren- oder schwerer Leberfunktionsstörung wurde der Arzneistoff nicht untersucht. Daher ist bei der Behandlung dieser Patientengruppe Vorsicht geboten. Gleiches gilt für Patienten mit schwerer aktiver Magen-Darm-Erkrankung.
Vermieden werden sollte die gleichzeitige Anwendung von Fumarsäurederivaten (systemisch oder topisch).
Dimethylfumarat wird nach oraler Einnahme durch Esterasen hydrolysiert und schnell zu seinem aktiven Primärmetaboliten Monomethylfumarat umgewandelt. Die weitere Verstoffwechselung erfolgt über den Citratzyklus ohne Beteiligung des Cytochrom-P450(CYP)-Systems. Mögliche Arzneimittelwechselwirkungen wurden in In-vitro-CYP-Inhibitions- und Induktionsstudien nicht festgestellt. Das gilt auch für Interferon-β-1a und Glatirameracetat.
Die gleichzeitige Behandlung mit nephrotoxischen Arzneimitteln, etwa Aminoglykoside, Diuretika, nicht-steroidale Antirheumatika und Lithium, kann das Risiko renaler Nebenwirkungen unter Dimethylfumarat erhöhen.
Dimethylfumarat wurde nicht in Kombination mit antineoplastischen oder immunsuppressiven Therapien untersucht. Daher ist bei der gleichzeitigen Anwendung Vorsicht geboten.
Eine Impfung mit Totimpfstoffen kann während der Behandlung mit Tecfidera in Erwägung gezogen werden. Lebendimpfstoffe sollten nur in Ausnahmefällen verabreicht werden, wenn der zu erwartende Nutzen mögliche Risiken überwiegt.
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen, die besonders zu Beginn der Behandlung auftraten, waren Hitzegefühl und gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Oberbauch- und Unterleibsschmerzen sowie Durchfall. Darüber hinaus wurden Blutbildveränderungen beobachtet, unter anderem ein Abfall der Lymphozyten, sowie ein potenzieller Anstieg der Leberwerte.
Die Patienten sollten darauf hingewiesen werden, dass eine häufige Nebenwirkung von Dimethylfumarat das Auftreten von Hitzegefühlen ist. Diese traten in den klinischen Studien bei 34 Prozent der Patienten auf. In einer Studie reduzierte die Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) 30 Minuten vor der Tecfidera-Gabe über vier Tage lang das Auftreten und den Schweregrad des Hitzegefühls. Eine langfristige Anwendung von ASS wird jedoch nicht empfohlen.
Bei Patienten mit vermuteter oder bestätigter progressiver multifokaler Leukenzephalopathie (PML) ist Tecfidera kontraindiziert.
Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.
Die Zulassung von Tecfidera basiert auf einem klinischen Studienprogramm mit mehr als 2600 MS-Patienten. In den beiden globalen Studien DEFINE und CONFIRM reduzierte Dimethylfumarat in einer oralen Dosis von zweimal täglich 240 mg sowohl die jährliche Schubrate als auch das Fortschreiten des Behinderungsgrades auf der EDSS-Skala (Expanded Disability Status Scale). Zudem verringerte sich die Anzahl der Läsionen im MRT. In DEFINE reduzierte im Vergleich zu Placebo die zweimal tägliche Gabe von Dimethylfumarat nach zwei Jahren signifikant das Schubrisiko um 49 Prozent und die jährliche Schubrate um 53 Prozent. Das Fortschreiten des Behinderungsgrades, gemessen anhand des EDSS-Werts nach zwölf Wochen, konnte um 38 Prozent gesenkt werden. Die CONFIRM-Studie enthielt zusätzlich eine Referenzgruppe, die mit Glatirameracetat (20 mg/d subkutan) behandelt wurde und nicht verblindet war. Mit der zweimal täglichen Einnahme von Dimethylfumarat ging im Vergleich zu Placebo nach zwei Jahren die jährliche Schubrate signifikant um 44 Prozent zurück (mit Glatirameracetat um 29 Prozent). Auch hier konnte Dimethylfumarat das Fortschreiten des Behinderungsgrads senken, allerdings nicht signifikant.
Tecfidera ist neben Fingolimod (Gilenya®, Novartis) und Teriflunomid (Aubagio®, Sanofi) das dritte oral anwendbare Präparat bei Multipler Sklerose. Der Wirkstoff ist altbekannt: Unter dem Handelsnamen Fumaderm® wird Dimethylfumarat in Kombination mit Ethylhydrogenfumarat bereits seit Langem zur Behandlung von mittelschweren bis schweren Formen der Psoriasis eingesetzt, sofern der Patient auf eine äußerliche Therapie nicht ausreichend anspricht. Seit Juni 2017 ist Dimethylfumarat unter dem Handelsnamen Skilarence® zur systemischen Therapie für Erwachsene mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis zugelassen.
Tecfidera ist bei Temperaturen nicht über 30 °C sowie vor Licht geschützt (Originalverpackung) zu lagern.
Tecfidera ist verschreibungspflichtig.
Dimethylfumarat
Die dreidimensionale Strukturformel können Sie mit einem kostenlosen Zusatzprogramm aus dem Internet, zum Beispiel Cortona von Parallelgraphics, ansehen (externer Link).
Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR)
Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels
Nutzenbewertung des IQWiG vom 30.07.2014 (Tecfidera®, Multiple Sklerose)
Nutzenbwertung des IQWiG vom 22.12.2017 (Skilarence®, Psoriasis vulgaris)
Die Anwendung von Dimethylfumarat während der Schwangerschaft und bei Frauen, die nicht zuverlässig verhüten, wird nicht empfohlen. Da nicht bekannt ist, ob der Wirkstoff in die Muttermilch übergeht, muss entweder das Stillen unterbrochen oder auf die Therapie verzichtet werden.
Letzte Aktualisierung: 29.06.2021