Pharmazeutische Zeitung online
ARZNEISTOFFE

Pegyliertes Interferon alfa-2α|Pegasys®|51|2002

STOFFGRUPPE
51 Immunmodulatoren
WIRKSTOFF
Pegyliertes Interferon alfa-2α
FERTIGARZNEIMITTEL
Pegasys®
HERSTELLER

Roche

MARKTEINFÜHRUNG (D)
07/2002
DARREICHUNGSFORM

90 µg Injektionslösung in einer Fertigspritze

135 µg Injektionslösung in einer Fertigspritze

180 µg Injektionslösung in einer Fertigspritze

135 µg Injektionslösung in einem Fertigpen

180 µg Injektionslösung in einem Fertigpen

ATC-CODE
L03AB11
ORPHAN DRUG
Nein

Indikationen

Pegasys in Kombination mit anderen Arzneimitteln ist zugelassen zur Therapie einer histologisch nachgewiesenen Hepatitis C bei erwachsenen Patienten. Bei Kindern ab fünf Jahren und Jugendlichen erfolgt die Therapie in Kombination mit Ribavirin.

 

Pegasys ist außerdem zugelassen zur Behandlung der Hepatitis-B-Envelope-Antigen(HBeAg)-positiven und -negativen chronischen Hepatitis B bei Erwachsenen mit kompensierter Lebererkrankung, Nachweis viraler Replikation, erhöhten GPT-Werten und histologisch gesicherter Leberentzündung und/oder -fibrose.

Wirkmechanismus

Pegasys enthält rekombinant hergestelltes Interferon alfa-2a, das an ein Polyethylenglykol-Molekül mit einer Molekularmasse von 40.000 gebunden ist. Dank des Konjugats wird das Cytokin im Körper langsamer abgebaut und muss nur noch einmal wöchentlich in die Haut injiziert werden.

Anwendungsweise und -hinweise

Die empfohlene Dosis beträgt für beide Indikationen 180 µg pegyliertes Interferon alfa-2a einmal wöchentlich subkutan in Bauch oder Oberschenkel. Die Behandlung der Hepatitis B erfolgt über 48 Wochen, die der Hepatitis C richtet sich nach dem Genotyp des Erregers. Beim Genotyp 1 dauert sie ebenfalls 48 Wochen. Eine Behandlung über 24 Wochen kann beim Genotyp 1 mit niedriger Ausgangsviruslast sowie bei Infektionen mit Genotyp 4 erwogen werden. Bei den Genotypen 2 und 3, bei denen nach vier Behandlungswochen noch Virus-RNA nachgewiesen wird, sollten 24 Wochen behandelt werden. Eine Behandlungsdauer von nur 16 Wochen kann bei niedriger Anfangs-Viruslast erwogen werden. Bei den Genotypen 5 und 6 beträgt die Behandlungsdauer 48 Wochen. Bei verkürzter Behandlungsdauer muss ein möglicherweise erhöhtes Rückfallrisiko bedacht werden.

 

Für einige Patientengruppen gelten gesonderte Behandlungsempfehlungen, etwa für bereits vorbehandelte Hepatitis-C-Patienten oder Patienten mit einer HIV-Koinfektion.

Wichtige Wechselwirkungen

Pegyliertes Interferon alfa-2a interagiert vermutlich nicht mit den Cytochrom-P450-Isoenzymen 3A4, 2C9, 2C19 und 2D6. Es hemmt jedoch CYP1A2. Patienten, die gleichzeitig Theophyllin erhalten, müssen daher überwacht, und die Theophyllin-Dosis muss entsprechend angepasst werden. Ebenfalls überwacht werden müssen Patienten, die eine Methadon-Erhaltungstherapie bekommen.

 

Vermieden werden sollte die Kombination aus pegyliertem Interferon alfa-2a, Ribavirin und Azathioprin, da sich die Myelotoxizität erhöhen kann.

 

Die Kombination mit Telbivudin ist kontraindiziert.

Nebenwirkungen

Das potenzielle Nebenwirkungsprofil von pegyliertem Interferon alfa-2a ist wie bei allen Interferonen vielschichtig. Bei der Therapie sollte daher regelmäßig das Blutbild kontrolliert werden. Zudem können die Patienten unter psychiatrischen Nebenwirkungen wie Depressionen leiden. Bei Vorbelasteten ist daher besondere Vorsicht geboten. Kommt es während der Behandlung zu Leberkompensationen, sollte das Medikament abgesetzt werden. Pegasys darf zudem bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen nur sehr vorsichtig eingesetzt werden.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Pegasys darf nicht angewendet werden bei Patienten mit Autoimmunhepatitis, schwerer Dysfunktion der Leber oder Leberzirrhose. Kontraindiziert ist es auch bei Patienten mit schwerer Herzerkrankung in der Anamnese, einschließlich instabiler oder unkontrollierter Herzerkrankung in den vergangenen sechs Monaten. Patienten mit einer HIV-Koinfektion, Zirrhose und einem Child-Pugh-Wert ≥ 6 dürfen Pegasys nicht erhalten, es sei denn, dies beruht ausschließlich auf einer indirekten Hyperbilirubinämie, die durch Arzneimittel wie Atazanavir und Indinavir verursacht wurde. Kontraindiziert ist außerdem die Kombination mit Telbivudin. Neugeborene und Kleinkinder bis zu drei Jahren dürfen Pegasys nicht erhalten, da es Benzylalkohol enthält. Pädiatrische Patienten mit schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankungen (aktuelle und vorbestehende), zum Beispiel schweren Depressionen, Selbstmordgedanken oder Suizidversuchen, dürfen nicht mit Pegasys  behandelt werden.

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Pegyliertes Interferon alfa-2a wurde sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit Ribavirin klinisch geprüft. In einer Untersuchung erhielten 1121 Patienten über ein Jahr einmal wöchentlich entweder 180 µg Pegasys und Placebo, 180 µg Pegasys und täglich 1 bis 1,2 g Ribavirin oder dreimal wöchentlich 3 Millionen I.E. Interferon alfa-2b plus täglich 1 bis 1,2 g Ribavirin. Die Kombination aus pegyliertem Interferon und Ribavirin war signifikant wirksamer als die anderen Regime. Die virologische Ansprechrate der Kombination aus Pegasys und Ribavirin lag bei den Patienten mit und ohne Zirrhose nach Therapieende bei 69 Prozent, die der von herkömmlichem Interferon plus Ribavirin bei 52 Prozent. 71 Prozent der Träger des Genotyps 2 und 3 profitierten von einer anhaltenden Ansprechrate auf die Kombination aus Pegasys und Ribavirin im Vergleich zu 61 Prozent in der anderen Kombinationsgruppe. Bei Patienten, die sich mit einem HC-Virus vom Genotyp 1 infiziert hatten, lagen die Raten bei 45 beziehungsweise 36 Prozent.

 

In anderen klinischen Studien zeigte sich zudem, dass die Ansprechrate bei HCV-1-infizierten Patienten je nach Therapiedauer und Viruslast variiert. So lag die Ansprechrate bei Patienten mit niedriger Viruslast nach 24 Wochen Behandlung mit Pegasys und Ribavirin bei 50 und nach 48 Wochen bei über 60 Prozent. Bei hoher Viruslast fiel der Unterschied noch deutlicher aus. Hier lagen die Raten nach 24 Wochen bei 25 und nach 48 Wochen bei 45 Prozent. Bei den Nicht-1-Trägern bringt die längere Behandlung jedoch keinen zusätzlichen Benefit.

 

Entsprechend einer Studie (Manns, Medizinischen Hochschule Hannover), liegt die Ansprechrate der Kombination aus pegyliertem Interferon und Ribavirin bei Viren vom Genotyp 1 bei 46 Prozent. Die Rate bei Infektionen mit Erregern eines anderen Genotyps bezifferte der Experte auf 71 Prozent.

Besonderheiten

Nach Meinung von Experten leiden in Deutschland zurzeit (2002) rund 0,4 Prozent der Bevölkerung an einer Hepatitis C. Die Zahl der Infizierten unter Drogenabhängigen, die sich intravenös ihr Rauschmittel verabreichen, wird auf 80 Prozent geschätzt. Bislang kann man sich vor den Hepatitis-C-Viren nicht mit einer Impfung schützen. Die Therapie der Lebererkrankung konnte in den vergangenen Jahren immer weiter verbessert werden. Derzeit gilt die Kombination aus pegyliertem Interferon und Ribavirin als Therapie der Wahl. Primäres Ziel ist es, den chronischen Verlauf der Lebererkrankung zu verhindern. Die Viruslast und der Genotyp des Erregers gelten als entscheidende Parameter für den Behandlungserfolg.

Weitere Hinweise

Während der Schwangerschaft sollte Pegasys nur angewendet werden, wenn dies zwingend erforderlich ist. Mütter sollten vor Beginn einer Therapie mit Pegasys abstillen.

Letzte Aktualisierung: 17.03.2017

Mehr aus Stoffgruppe 51 Immunmodulatoren