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ARZNEISTOFFE

Boceprevir|Victrelis®|83|2011

STOFFGRUPPE
83 Virustatika
WIRKSTOFF
Boceprevir
FERTIGARZNEIMITTEL
Victrelis®
HERSTELLER

MSD

MARKTEINFÜHRUNG (D)
09/2011
DARREICHUNGSFORM

Nicht mehr zugelassen

ATC-CODE
J05AP03
ORPHAN DRUG
Nein

Indikationen

Victrelis ist indiziert zur Behandlung von chronischen Hepatitis-C(CHC)-Infektionen vom Genotyp 1. Der Proteasehemmer ist in Kombination mit Peginterferon-alfa und Ribavirin zugelassen für erwachsene Patienten mit kompensierter Lebererkrankung, die entweder noch keine Behandlung erhalten oder darauf nicht angesprochen oder einen Rückfall erlitten haben. Von einer kompensierten Lebererkrankung spricht man, wenn das Organ geschädigt ist, aber noch eine normale Funktion aufweist.

Wirkmechanismus

Boceprevir inhibiert die virale NS3-Protease bei HCV vom Genotyp 1. Dieses Enzym ist an der Virusreplikation beteiligt. Der Arzneistoff bindet kovalent, aber reversibel im aktiven Zentrum der Serinprotease und blockiert damit die Virusvermehrung in infizierten Zellen. Die Kombination mit den beiden Standardmedikamenten soll die Resistenzbildung verhindern.

Anwendungsweise und -hinweise

Der Patient muss dreimal täglich 800 mg Boceprevir zusammen mit einer Mahlzeit einnehmen; das sind zwölf Kapseln pro Tag. Bei Nüchterneinnahme sinkt die Bioverfügbarkeit deutlich. Hat der Patient eine Einnahme vergessen, soll er sie nachholen, wenn es bis zur nächsten planmäßigen Dosis noch mehr als zwei Stunden dauert.

 

Alle Patienten starten die Behandlung zunächst für vier Wochen mit Peginterferon und Ribavirin, danach nehmen sie zusätzlich Boceprevir ein. Patienten mit Leberzirrhose sollen die Dreifachtherapie 44 Wochen lang fortsetzen. Bei bestimmten Patienten ohne Zirrhose kann diese Therapiephase auf 28 Wochen verkürzt werden, wenn in Woche 8 und 24 keine Virus-RNA nachweisbar ist (»Response-gesteuerte Therapie«).

Wichtige Wechselwirkungen

Boceprevir ist ein starker Hemmstoff von CYP3A4/5 und wird selbst teilweise darüber verstoffwechselt. Daher sind zahlreiche Wechselwirkungen möglich. So ist die gleichzeitige Einnahme von Arzneistoffen, die über diese CYP-Enzyme abgebaut werden und bei Kumulation starke Nebenwirkungen auslösen können, kontraindiziert. Dazu zählen beispielsweise Midazolam und Triazolam, Pimozid, Lumefantrin und Halofantrin, Tyrosinkinase-Inhibitoren und Ergot-Derivate. Vorsicht ist geboten, wenn der Patient Arzneimittel einnimmt, die die QT-Zeit des Herzens verlängern können, beispielsweise Amiodaron, Chinidin, Methadon und einige Neuroleptika.

Nebenwirkungen

Bei der Therapie mit Boceprevir kann es zu zahlreichen Nebenwirkungen kommen, am häufigsten Fatigue, Anämie, Übelkeit, Kopfschmerzen und Geschmacksstörungen (Dysgeusie). Die Anämie, die unter der Dreifachtherapie deutlich häufiger war, kann dosislimitierend sein.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Kontraindiziert ist Boceprevir bei Menschen mit Autoimmunhepatitis und in der Schwangerschaft. Weitere Kontraindikationen siehe unter Wechselwirkungen.

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Die Wirksamkeit von Boceprevir wurde in zwei Phase-III-Studien mit knapp 1100 therapienaiven sowie 400 erfolglos vorbehandelten HCV-infizierten Patienten geprüft. In beiden Studien erhielten die Teilnehmer zunächst vier Wochen lang die Standardtherapie und danach zusätzlich Placebo oder dreimal täglich 800 mg Boceprevir über 48 Wochen. Hauptindikator für die Wirksamkeit war die Zahl der Patienten, bei denen 24 Wochen nach Behandlungsende kein Virus im Blut mehr nachweisbar war (Sustained Virologic Response, SVR). Unter der 44-wöchigen Tripletherapie wurden 66 bis 68 Prozent der Patienten geheilt. Im »Placebo-Arm« waren es 38 Prozent bei den therapienaiven Patienten sowie 21 Prozent bei den erfolglos vorbehandelten.

 

In beiden Studien gab es einen dritten Arm, in dem die Therapie bei frühem Ansprechen verkürzt wurde. War in der 8. und 24. Behandlungswoche keine HCV-RNA messbar, endete die Behandlung nach 28 Wochen. 63 sowie 59 Prozent der Patienten erreichten die Heilung. Ist die Virus-RNA auch noch in Woche 24 nachweisbar, wird die Tripletherapie abgesetzt.

Besonderheiten

In der Apotheke ist Victrelis im Kühlschrank (2–8 °C) zu lagern.
Patienten können Victrelis ebenfalls im Kühlschrank aufbewahren. Außerhalb des Kühlschranks ist Victrelis bei Temperaturen bis zu 30 °C drei Monate haltbar; danach soll das Arzneimittel aufgebraucht sein oder entsorgt werden.
Victrelis ist verschreibungspflichtig.

Formeln

Boceprevir

Boceprevir

Die dreidimensionale Strukturformel können Sie mit einem kostenlosen Zusatzprogramm aus dem Internet, zum Beispiel Cortona von Parallelgraphics, ansehen (externer Link).

Boceprevir_01.wrl

Weitere Hinweise

Beceprevir in Kombination mit Ribavirin und Peginterferon ist während der Schwangerschaft kontraindiziert. In der Stillzeit muss entschieden werden, ob auf das Stillen oder die Therapie mit Boceprevir verzichtet werden soll.

Letzte Aktualisierung: 17.10.2022

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