Enfuvirtid|Fuzeon®|83|2003 |
Roche
90 mg/ml Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung
Fuzeon wird in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln bei HIV-1-infizierten Patienten angewendet, die auf eine vorangegangene Behandlung nicht angesprochen oder die diese nicht vertragen haben. Die vorangegangene Therapie enthielt zumindest ein Arzneimittel aus jeder der antiretroviralen Substanzklassen Proteasehemmer, nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer und nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer.
Mit Enfuvirtid wurde ein neuer Ansatz in der Behandlung der HIV-1-Infektion realisiert. Bisherige Wirkstoffe wie Reverse-Transkriptase-Hemmer (nukleosidische und nicht-nukleosidische RT) und Protease-Inhibitoren hemmen die Vermehrung des Virus nach Befall der Zielzellen. Enfuvirtid greift extrazellulär an und braucht auch keine intrazelluläre Aktivierung. Es wirkt als „Entry-Inhibitor“ oder Fusionshemmer. Das heißt, es verhindert den Eintritt des Viruskapsids in die menschliche Zielzelle.
Der Wirkungsmechanismus lässt sich wie folgt erklären: Der Eintritt des HI-Virus in die Immunzelle läuft in mehreren Schritten ab. Zentral beteiligt sind Proteine auf der Virusoberfläche, das extrazelluläre Glykoprotein gp120 und der transmembrane Anteil gp41. Andockstellen auf der Oberfläche der Zielzelle sind CD4-Rezeptoren und die Chemokin-Corezeptoren CXCR4 oder CCR5. Zunächst bindet gp120 an den CD4-Rezeptor und dann an Chemokin-Corezeptoren, die in der Nähe des CD4-Rezeptors auf der Zelle sitzen. Danach ändert das virale Glykoprotein vermutlich erneut seine Konformation und ermöglicht dem hydrophoben Anteil von gp41, in die Zellmembran einzudringen. Durch Faltung innerhalb des gp41-Moleküls kommen die Membranen von Virus und Zielzelle in Kontakt. Dies scheint die Membranen so zu destabilisieren, dass sie verschmelzen und dem Viruskapsid den Weg ins Zytoplasma öffnen. Enfuvirtid bindet als Fusionshemmer extrazellulär an ein „Heptad-repeat“-Muster (HR1) innerhalb des nativen gp41 und verhindert damit dessen Faltung und in der Folge die Fusion der Membranen.
Wie in der Anti-HIV-Therapie üblich wird Enfuvirtid mit anderen antiretroviralen Arzneistoffen kombiniert.
1ml der Lösung enthält 90 mg Enfuvirtid. Diese Dosis wird zweimal täglich subkutan injiziert. Die Handhabung des Arzneimittels ist nicht trivial und muss dem Patienten erklärt werden. Nach Zugabe von 1,1 ml Wasser zum Lyophilisat darf man die Durchstechflasche nicht schütteln oder umdrehen, da sonst viel Schaum entstehen kann. Es kann bis zu 45 Minuten dauern, bis das Pulver vollständig gelöst und die Lösung klar und frei von Bläschen ist. Erst dann wird das Medikament in Bauch, Oberarm oder den vorderen Oberschenkel injiziert. Da die fertige Lösung 24 Stunden im Kühlschrank (Lichtschutz) stabil bleibt, kann der Patient die beiden Tagesdosen gleichzeitig zubereiten.
Wechselwirkungen von Enfuvirtid über das Cytochrom-P-450-System werden nicht erwartet.
In Studien zu Enfuvirtid klagten praktisch alle Patienten über lokale Reaktionen an der Injektionsstelle wie Erytheme, Verhärtungen und Knoten, meist in der ersten Therapiewoche. Jedoch brachen nur 3 Prozent die Therapie deswegen ab. Davon abgesehen hatten drei Viertel der Patienten in beiden Therapiegruppen (TORO-1) Nebenwirkungen. Am häufigsten waren Diarrhö, Übelkeit und Fatigue. Zudem wurden mehr bakteriell bedingte Lungenentzündungen und Sepsisfälle in der Enfuvirtid-Gruppe beobachtet.
Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.
Die Zulassung von Enfuvirtid basiert auf zwei Phase-III-Studien, die mit sehr ähnlichem Design in Nord- und Südamerika (TORO-1) sowie in Europa und Australien (TORO-2) liefen. Eingeschlossen waren 491 beziehungsweise 504 stark vorbehandelte Patienten mit hoher Viruslast (größer 5000 HIV-1-RNA-Kopien/ml Plasma) und sehr niedrigen CD4-Zellzahlen (unter 100/mm3). In beiden Studien war der antiretrovirale und immunologische Erfolg nach 24 Wochen in der Verum-Gruppe deutlich besser. Die Viruslast ging hoch signifikant zusätzlich um 0,93 (TORO-1) und 0,78 log10-Stufen (TORO-2) zurück. Die Zahl der CD4-Lymphozyten stieg im Vergleich zur Kontrolle-Gruppe weiter um 44 sowie 27/mm3 an.
Fuzeon ist vor Licht geschützt (Umkarton) aufzubewahren.
Nach der Rekonstitution des Pulvers ist Fuzeon bei Temperaturen von 2–8 °C (Kühlschrank) aufzubewahren. Die chemische und physikalische Stabilität wurde für 48 Stunden bei 5 °C nachgewiesen. Aus mikrobiologischer Sicht sollte die Lösung innerhalb von 24 Stunden verwendet werden.
Fuzeon ist verschreibungspflichtig.
Während einer Schwangerschaft sollte Enfuvirtid nur dann gegeben werden, wenn der zu erwartende Nutzen das potenzielle Risiko überwiegt. Mütter, die Enfuvirtid erhalten, sollten nicht stillen.
Letzte Aktualisierung: 13.01.2017