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ARZNEISTOFFE

Garadacimab|Andembry®|40|2025

 
STOFFGRUPPE
40 Enzyminhibitoren, Präparate bei Enzymmangel und Transportproteine
WIRKSTOFF
Garadacimab
FERTIGARZNEIMITTEL
Andembry®
HERSTELLER

CSL Behring

ZIELSTRUKTUR
Faktor-XIIa-Inhibitoren
MARKTEINFÜHRUNG (D)
03/2025
DARREICHUNGSFORM

200 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze 

200 mg Injektionslösung in einem Fertigpen

ATC-CODE
B06AC07
ORPHAN DRUG
Nein

Indikationen

Andembry ist zugelassen zur routinemäßigen Prophylaxe wiederkehrender Attacken des hereditären Angioödems (hereditary angioedema, HAE) bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren.

Wirkmechanismus

Garadacimab ist ein vollständig humaner monoklonaler IgG4-Antikörper. Er ist gegen Faktor XIIa gerichtet. Durch die Hemmung von Faktor XIIa unterbindet Garadacimab die Bildung von Kallikrein und Bradykinin. Dadurch wird HAE-Attacken vorgebeugt.

Anwendungsweise und -hinweise

Die Therapie beginnt mit einer Aufsättigungsdosis von 400 mg Garadacimab (zwei Injektionen à 200 mg). Anschließend werden einmal monatlich 200 mg gegeben. Die Gabe erfolgt per subkutaner Injektion in das Abdomen, den Oberschenkel oder den äußeren Oberarm, wobei die Injektionsstellen gewechselt werden sollen. Nach einer Schulung können sich Patienten Andembry selbst injizieren.

 

Für die Behandlung von akuten HAE-Attacken ist Garadacimab nicht vorgesehen. Kommt es unter einer Prophylaxe mit Garadacimab zu einer Durchbruchattacke, soll diese mit einem geeigneten Bedarfsmedikament behandelt werden.

 

Die Ergebnisse von Gerinnungstests können bei Patienten unter Garadacimab-Therapie verfälscht sein: Der Antikörper kann die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) verlängern. Hintergrund ist, dass die im aPTT-Assay verwendeten Reagenzien Faktor XII aktivieren.

Nebenwirkungen

Häufige Nebenwirkungen in Studien zu Garadacimab waren Reaktionen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen und Abdominalschmerz.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Ausschlaggebend für die Zulassung von Andembry waren die Ergebnisse der doppelblinden Phase-III-Studie VANGUARD, an der 58 erwachsene und sechs pädiatrische Patienten ab zwölf Jahren teilnahmen. Alle Probanden hatten HAE Typ I oder Typ II und erlitten während des Einleitungszeitraums von bis zu zwei Monaten mindestens zwei Attacken. Sie wurden im Verhältnis 3:2 auf eine Behandlung mit Garadacimab oder Placebo randomisiert.

Während des Behandlungszeitraums von sechs Monaten wurde als primärer Endpunkt die zeitlich normalisierte Anzahl von HAE-Attacken erfasst. Diese betrug in der Garadacimab-Gruppe 0,27 und in der Placebogruppe 2,01 (jeweils Mittelwerte), was einer Reduktion um 86,51 Prozent entsprach. 71,79 Prozent der Teilnehmenden in der Garadacimab-Gruppe waren von Tag 1 bis zum Ende des dritten Monats attackenfrei; in der Placebogruppe traf dies auf 8,33 Prozent der Patienten zu.

Hintergrundinfos

Das hereditäre Angioödem (HAE) ist eine genetisch bedingte Erkrankung, bei der es zu wiederkehrenden, unvorhersehbaren, lokal begrenzten Schwellungen von Haut und Schleimhäuten kommt. Häufig betroffene Körperstellen sind Hals und Gesicht, Kehlkopf, Unterleib, Genitalien, Hände und Füße. Die Attacken dauern in der Regel zwei bis fünf Tage an und können sich bis zu zweimal pro Woche ereignen. Sie können sehr schmerzhaft und, wenn die Atemwege betroffen sind, lebensbedrohlich sein.

 

Mit einer geschätzten Häufigkeit von weltweit 1 von 50.000 Menschen gehört das HAE zu den Seltenen Erkrankungen. In den allermeisten Fällen liegt ihm eine Defizienz (Typ I) oder eine Dysfunktion (Typ II) des C1-Inhibitors (C1-INH) zugrunde. Der C1-INH ist ein wichtiger Regulator der Komplementkaskade sowie des Kallikrein-Kinin-Systems (KKS). Das KKS ist eine endogene Stoffwechselkaskade, an der unter anderem Kallikrein und Faktor XII beziehungsweise aktivierter Faktor XIIa beteiligt sind und deren Aktivierung zu einer vermehrten Freisetzung von Bradykinin führt. Dieses bewirkt die Schwellungen.

 

HAE-Attacken können mit C1-INH-Präparaten beziehungsweise dem rekombinanten C1-INH Conestat alfa (Ruconest™) oder mit dem Bradykinin-Antagonisten Icatibant (Firazyr®) behandelt werden. Als Langzeitprophylaxe können ebenfalls C1-INH-Präparate verabreicht werden (zweimal pro Woche), täglich der Plasma-Kallikrein-Hemmer Berotralstat (Orladeyo®) geschluckt oder alle zwei bis vier Wochen der Anti-Plasma-Kallikrein-Antikörper Lanadelumab (Takhzyro®) subkutan gespritzt werden. Therapieziel ist laut geltender internationaler Leitlinie eine vollständige Krankheitskontrolle, also eine langfristige Attackenfreiheit.

Besonderheiten

Andembry ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C und im Umkarton aufzubewahren. Einmalig kann das Präparat für einen Zeitraum von bis zu zwei Monaten bei Raumtemperatur (bis zu 25 °C) aufbewahrt werden. Andembry ist verschreibungspflichtig.

Weitere Hinweise

Vorsichtshalber sollte Garadacimab nicht während der Schwangerschaft angewendet werden. 
In den ersten Tagen nach der Geburt gehen IgG-Antikörper in die Muttermilch über. In diesem kurzen Zeitraum kann ein Risiko für den gestillten Säugling nicht ausgeschlossen werden. Danach ist während der Stillzeit die Anwendung von Garadacimab möglich.

Vorläufige Bewertung

Schrittinnovation

Letzte Aktualisierung: 04.04.2025