Carglumsäure|Carbaglu®|40|2004 |
Orphan Europe
200 mg Tabletten zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen
Carbaglu ist zugelassen zur Behandlung einer Hyperammonämie, wenn diese auf einem primären N-Acetylglutamatsynthasemangel, einer Isovalerianazidämie, einer Methylmalonazidämie beziehungsweise einer Propionazidämie beruht.
Carglumsäure senkt den erhöhten Ammoniakspiegel im Plasma (Hyperammonämie), der durch Mangel an N-Acetylglutamat-Synthase (NAGS) entsteht. In der Leber wird Ammoniak zu Harnstoff umgewandelt, der mit dem Urin ausgeschieden wird. An diesem Harnstoffzyklus sind sechs Enzyme beteiligt. Wenn eines davon fehlt oder nicht richtig arbeitet, reichert sich Ammoniak im Körper an und wirkt toxisch. Der erste Teil des Harnstoffzyklus findet in den Mitochondrien statt, der zweite im Cytosol. Als erster Schritt wird N-Acetylglutamat (NAG) aus Acetyl-CoA und L-Glutamat gebildet. NAG ist als Coaktivator für das nachfolgende Enzym Carbamylphosphat-Synthetase (CPS) und damit für den Zyklus unentbehrlich. Ist die NAG-Synthetase defekt, verringert sich NAG, der Harnstoffzyklus funktioniert nicht, und Ammoniak reichert sich an.
Carglumsäure (N-Carbamoyl-L-Glutaminsäure) ähnelt strukturell dem N-Acetylglutamat und kann dieses in vivo ersetzen. Dadurch wird das CPS-Enzym aktiviert und der Harnstoffzyklus kommt in Gang. In der Folge können die Ammoniakspiegel im Plasma bis auf Normniveau sinken.
Die empfohlene tägliche Anfangsdosis liegt zwischen 100 mg/kg KG und 250 mg/kg KG Carglumsäure täglich. Sie sollte so angepasst werden, dass normale Ammoniakkonzentrationen im Plasma erreicht werden. Meist kann die Anfangsdosis mit der Zeit auf 10–100 mg/kg KG reduziert werden.
Die Tabletten müssen in 5–10 ml Wasser aufgelöst und sofort eingenommen oder über eine Nasensonde verabreicht werden.
Bei Patienten mit N-Acetylglutamatsynthasemangel kam es unter der Therapie mit Carglumsäure häufig zu Schwitzen, gelegentlich traten erhöhte Transaminasewerte auf. Bei Patienten mit organischer Azidämie wurden nur gelegentlich Nebenwirkungen beobachtet: Bradykardie, Durchfall und Erbrechen oder Pyrexie. In beiden Gruppen wurde mit nicht bekannter Häufigkeit Ausschlag berichtet.
Während der Stillzeit darf Carglum nicht angewendet werden.
Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.
Der erste Fall eines N-Acetylglutamat-Synthase(NAGS)-Mangels wurde 1981 publiziert. Seither identifizierte Orphan Europe weltweit 42 Patienten, von denen 17 sehr jung starben. In einer retrospektiven Analyse wertete das Unternehmen die Daten von 12 Patienten mit nachgewiesenem NAGS-Mangel, die Carglumsäure erhielten, aus. Die Ammoniakspiegel konnten über einen Zeitraum von 0,7 bis 9,8 Jahre (im Mittel 3,1 Jahre) weitgehend normalisiert werden. Alle Kinder überlebten, wuchsen und entwickelten sich normal (Ausnahme: ein Kind, das bereits mental retardiert war). Die Patienten brauchten keine oder nur eine moderate Diät und keine weitere Medikation.
Die Häufigkeit von Störungen des Harnstoffzyklus liegt bei 1 zu 25 000 bis 1 zu 50 000 Geburten. Die Dunkelziffer könnte groß sein, da vermutlich viele Patienten sterben, bevor überhaupt eine exakte Diagnose gestellt wird. Die Erkrankungen werden vererbt; das Gen für den NAG -Synthetase-Mangel wurde auf Chromosom 17 lokalisiert. Von den möglichen Störungen ist dieser Defekt am seltensten, allerdings kann nur hier der Harnstoffzyklus durch eine Therapie wieder hergestellt werden.
Je nach Alter bei der Manifestation wirkt sich die Hyperammonämie unterschiedlich aus. Die ersten Symptome bei Neugeborenen sind Trinkunlust, Erbrechen, Lethargie, Hypotonie, erhöhte Atemfrequenz, Reizbarkeit und Krampfanfälle. Unbehandelt führt die Krankheit zum Koma und zum Tod. Bei späteren Manifestationen im Kleinkind- bis Erwachsenenalter treten hauptsächlich Anfälle von Erbrechen, Migräne, Schläfrigkeit, Erregung, Desorientiertheit, Sehstörung und eingeschränktes Bewusstsein auf. Oft ist das Wachstum verzögert, und die Patienten sind geistig retardiert.
Carglum ist bei Temperaturen von 2–8 °C zu lagern.
Nach dem ersten Öffnen soll Carglum nicht mehr gekühlt, sondern bei Raumtemperatur nicht über 30 °C aufbewahrt werden. Nach dem ersten Öffnen sind die Tabletten einen Monat verwendbar. Nach der Entnahme muss das Behältnis stets fest verschlossen werden, um den Inhalt vor Feuchtigkeit zu schützen.
Carbaglu ist verschreibungspflichtig.
Carglumsäure
Die dreidimensionale Strukturformel können Sie mit einem kostenlosen Zusatzprogramm aus dem Internet, zum Beispiel Cortona von Parallelgraphics, ansehen (externer Link).
Bei der Anwendung von Carglum während der Schwangerschaft ist Vorsicht geboten. Die Anwendung während der Stillzeit ist kontraindiziert.
Letzte Aktualisierung: 12.04.2016