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ARZNEISTOFFE

Cipaglucosidase alfa|Pombiliti™|40|2023

 
STOFFGRUPPE
40 Enzyminhibitoren, Präparate bei Enzymmangel und Transportproteine
WIRKSTOFF
Cipaglucosidase alfa
FERTIGARZNEIMITTEL
Pombiliti™
HERSTELLER

Amicus Therapeutics

MARKTEINFÜHRUNG (D)
08/2023
DARREICHUNGSFORM

105 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung

ATC-CODE
A16AB23
ORPHAN DRUG
Nein

Indikationen

Pombiliti ist zugelassen zur langfristigen Enzymersatztherapie bei Erwachsenen mit Morbus Pompe der späten Verlaufsform. Es wird immer mit dem Enzymstabilisator Miglustat kombiniert (Opfolda® 65 mg Hartkapseln, Amicus Therapeutics). Dadurch wird der Verlust an Enzymaktivität im Blut während der Infusion minimiert.

Wirkmechanismus

Bei Cipaglucosidase alfa handelt es sich um das rekombinante humane Enzym (rhGAA). Es ist mit bis-phosphorylierten N-Glykanen (bis-M6P) angereichert, die für eine hochaffine Bindung an Mannose-6-Phosphat-(M6P-)Rezeptoren sorgen. Nach der Bindung wird es in das Lysosom der Zelle aufgenommen, proteolytisch gespalten und in seine reifste und aktivste Form umgewandelt. Der Abbau von intramuskulärem Glykogen vermindert die Gewebeschäden.

Anwendungsweise und -hinweise

Cipaglucosidase alfa wird alle zwei Wochen als intravenöse Infusion verabreicht; die empfohlene Dosis beträgt 20 mg/kg Körpergewicht. Die Infusion beginnt eine (höchstens drei) Stunde(n) nach der Einnahme von Miglustat und dauert vier Stunden. Um Infusions-assoziierte Reaktionen (IAR) zu vermeiden, sollte sie schrittweise verabreicht werden: von einer Anfangs-Infusionsrate von 1 mg/kg/Stunde bis zur maximalen Infusionsrate von 7 mg/kg/h. Eine Heiminfusion ist möglich, wenn die Patienten die Infusionen gut vertragen hat und keine IAR aufgetreten sind.

 

Sind bei einer früheren Enzymersatztherapie Anzeichen von IAR aufgetreten, ist eine Prämedikation mit oralen Antihistaminika, Antipyretika und/oder Corticosteroiden zu überlegen. Bei schweren allergischen oder Infusions-assoziierten Reaktionen oder Anaphylaxie ist die Infusion sofort abzubrechen und eine medizinische (Notfall-)Behandlung einzuleiten.

Nebenwirkungen

In Studien zu Cipaglucosidase alfa plus Miglustat kam es sehr häufig (bis zu 10 Prozent der Behandelten) zu Schüttelfrost, Schwindel, Hitzewallungen, Schläfrigkeit, Brustkorbbeschwerden, Husten, Schwellungen an der Infusionsstelle und Schmerzen. Als schwerwiegende Nebenwirkungen traten juckender Hautausschlag, schwere allergische Reaktionen, Fieber, Schwächegefühl, Atemnot, Schwellung im Rachen, pfeifende Atemgeräusche (Giemen) und Hypotonie auf.

 

Auch zu Infusions-assoziierten Reaktionen kann es kommen. Sie treten während oder innerhalb von zwei Stunden nach Abschluss der Infusion auf. Dazu gehören aufgetriebener Bauch, Schüttelfrost, Fieber, Schwindelgefühl, Geschmacksstörung (Dysgeusie), Dyspnoe, Pruritus, Ausschlag und Hautrötung mit Hitzegefühl. Bei 0,7 Prozent der Patienten trat eine Anaphylaxie auf, geprägt von generalisiertem Pruritus, Dyspnoe und Hypotonie. 1,3 Prozent brachen die Behandlung aufgrund von IAR ab. Die meisten Reaktionen waren leicht oder mittelschwer und vorübergehend.

 

Die meisten Patienten entwickeln Antikörper gegen rhGAA. Jedoch gab es keinen offensichtlichen Zusammenhang zwischen Immunogenität und Sicherheit, Pharmakokinetik oder pharmakodynamischen Wirkungen.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Pombiliti darf nicht bei Personen angewendet werden, die kein Miglustat einnehmen dürfen.

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

In einer doppelblinden multizentrischen Phase-III-Studie wurden 122 Erwachsene mit Morbus Pompe ein Jahr lang behandelt (PROPEL-Studie). Sie erhielten (2:1 randomisiert) entweder 20 mg/kg Cipaglucosidase alfa in Kombination mit 195 mg oder 260 mg Miglustat (je nach Körpergewicht) oder 20 mg/kg Alglucosidase alfa plus Placebo alle zwei Wochen. 95 Teilnehmer hatten bereits Alglucosidase alfa erhalten, meist seit mehreren Jahren; nur 27 waren ERT-naiv. Zu den wichtigsten Wirksamkeitsendpunkten gehörten die 6-Minuten-Gehstrecke (6MWD) als primärer Endpunkt und die Lungenfunktion, gemessen in Prozent der forcierten Vitalkapazität (FVC) im Sitzen, nach einem Jahr.

 

Cipaglucosidase alfa in Kombination mit Miglustat verbesserte die körperlichen Fähigkeiten der Patienten, im primären Endpunkt gab es jedoch keine Überlegenheit. Die Gehstrecke nahm unter der Kombination um durchschnittlich 20 Meter zu im Vergleich zu durchschnittlich 8,3 Meter unter Alglucosidase alfa. ERT-vorbehandelte Patienten im Cipaglucosidase-alfa-Arm konnten 15,9 Meter weiter gehen (ein Meter im Alglucosidase-alfa-Arm). Allerdings konnten ERT-naive Teilnehmer unter Cipaglucosidase alfa nach einem Jahr nur 28,5 Meter weiter gehen, unter Alglucosidase alfa jedoch 52,7 Meter. Die Lungenfunktion nahm unter dem Neuling weniger stark ab als unter Alglucosidase (FVC minus 1,4 im Vergleich zu minus 3,7 Prozent gegenüber Baseline).

Hintergrundinfos

Morbus Pompe ist eine seltene neuromuskuläre Erkrankung und gehört zur großen Gruppe der genetisch bedingten lysosomalen Speicherkrankheiten. Der Name stammt von dem niederländischen Arzt Joannes C. Pompe, der die Krankheit 1932 erstmals beschrieben hat. Andere Namen sind Glykogen-Speicherkrankheit Typ II oder lysosomaler α-Glucosidase-Mangel. Dieser Begriff weist auf die Ursache hin: ein genetischer Defekt im Gen für die saure α-Glucosidase (GAA), die Glykogen zu Glucose abbaut. Das Enzym fehlt oder hat eine zu geringe Aktivität. In der Folge reichert sich Glykogen in den Zellen an, was Funktionsstörungen in etlichen Organen, vor allem Muskulatur, Lunge, Verdauungstrakt und Herz, nach sich zieht.

 

Morbus Pompe kann in verschiedenen Altersgruppen auftreten und die Krankheitslast ist sehr unterschiedlich. Gehunfähigkeit, Schwierigkeiten beim Atmen und eine drastisch verkürzte Lebensdauer sind die gravierendsten Folgen. Die schwerste Form kann sich bereits im Säuglingsalter manifestieren (IOPD, infantile-onset Pompe Disease). Auch in der späten Verlaufsform (late-onset Pompe Disease, LOPD) kommt es fortschreitend zu Schädigungen, denn wie alle neuromuskulären Erkrankungen verläuft auch Morbus Pompe progressiv.

 

Mit Alglucosidase alfa gibt es seit vielen Jahren eine Enzymersatztherapie (ERT: enzyme replacement therapy). Im Sommer 2022 kam Avalglucosidase alfa (Nexviadyme® 100 mg) hinzu und nun Cipaglucosidase alfa.

Besonderheiten

Pombiliti ist bei Temperaturen von 2–8 °C (Kühlschrank) sowie vor Licht geschützt (Umkarton) zu lagern.

Pombiliti ist verschreibungspflichtig.

Weitere Hinweise

Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und für vier Wochen nach Beendigung der Therapie mit Cipaglucosidase alfa eine Schwangerschaft zuverlässig verhüten. Eine Anwendung während der Schwangerschaft wird nicht empfohlen. In der Stillzeit muss entschieden werden, ob die Therapie mit Cipaglucosidase alfa oder das Stillen unterbrochen werden soll.

Vorläufige Bewertung

Analogpräparat

Letzte Aktualisierung: 28.05.2025