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ARZNEISTOFFE

Tirzepatid|Mounjaro®|12|2023

 
STOFFGRUPPE
12 Antidiabetika
WIRKSTOFF
Tirzepatid
FERTIGARZNEIMITTEL
Mounjaro®
HERSTELLER

Lilly

ZIELSTRUKTUR
GLP-1-Rezeptoragonisten
GIP-Agonisten
MARKTEINFÜHRUNG (D)
11/2023
DARREICHUNGSFORM

2,5 mg Injektionslösung in einer Durchstechflasche

5 mg Injektionslösung in einer Durchstechflasche

7,5 mg Injektionslösung in einer Durchstechflasche

10 mg Injektionslösung in einer Durchstechflasche

12,5 mg Injektionslösung in einer Durchstechflasche

15 mg Injektionslösung in einer Durchstechflasche

2,5 mg/Dosis Injektionslösung in einem Fertigpen

5 mg/Dosis Injektionslösung in einem Fertigpen

7,5 mg/Dosis Injektionslösung in einem Fertigpen

10 mg/Dosis Injektionslösung in einem Fertigpen

12,5 mg/Dosis Injektionslösung in einem Fertigpen

15 mg/Dosis Injektionslösung in einem Fertigpen

ATC-CODE
A10BX16
ORPHAN DRUG
Nein

Indikationen

Mounjaro ist zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit unzureichend eingestelltem Typ-2-Diabetes mellitus als Ergänzung zu Diät und Bewegung. Es kann dabei zusätzlich zu anderen Antidiabetika und/oder Insulin oder, bei Metformin-Unverträglichkeit beziehungsweise -Kontraindikation, auch als Monotherapie gegeben werden.

 

Mounjaro ist außerdem zugelassen als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Diät und erhöhter körperlicher Aktivität zum Gewichtsmanagement, einschließlich Gewichtsabnahme und Gewichtserhaltung, bei Erwachsenen mit einem Ausgangs-Body-Mass-Index (BMI) ab 30 kg/m2 (Adipositas) oder einem BMI ab 27 kg/m2 bis unter 30 kg/m2 (Übergewicht), wenn gleichzeitig mindestens eine gewichtsbedingten Begleiterkrankung vorliegt. Zu diesen gehhören zum Beispiel Hypertonie, Dyslipidämie, obstruktive Schlafapnoe, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Prädiabetes oder Typ-2-Diabetes mellitus.

Wirkmechanismus

Tirzepatid ist der erste zugelassene duale Agonist an sowohl GLP-1- als auch GIP-Rezeptoren. Es ist ein 39 Aminosäuren langes Peptid, das an eine Fettsäure gekoppelt ist, um die Halbwertszeit zu verlängern. Tirzepatid erhöht die Glucosesensitivität der Betazellen des Pankreas, wodurch die glucoseabhängige Insulinsekretion gesteigert wird. Darüber hinaus werden die Insulinsensitivität und in der Folge die Glucoseaufnahme im Gewebe erhöht. Zur Senkung des Blutglucosespiegels trägt ebenfalls bei, dass Tirzepatid die Glucagonkonzentration sowohl im nüchternen Zustand als auch postprandial verringert. Zudem verlangsamt Tirzepatid die Magenentleerung, sodass Glucose aus der Nahrung weniger rasch aufgenommen wird. Dieser Effekt nimmt aber mit der Zeit ab. Über diese Mechanismen senkt Tirzepatid den Blutglucosespiegel bei Patienten mit Typ-2-Diabetes.

Anwendungsweise und -hinweise

Tirzepatid wird einschleichend dosiert. Zunächst werden für vier Wochen 2,5 mg Wirkstoff einmal wöchentlich subkutan injiziert. Dann wird die Dosis auf 5 mg einmal wöchentlich gesteigert und bei Bedarf in 2,5-mg-Schritten weiter erhöht, wobei auf jeder Dosierungsstufe mindestens vier Wochen lang verweilt wird. Die empfohlenen Erhaltungsdosen bei Typ-2-Diabetes betragen 5, 10 oder 15 mg.

 

Soll der Wochentag der Tirzepatid-Gabe geändert werden, ist darauf zu achten, dass zwischen zwei Dosen mindestens drei Tage liegen. Die Injektion erfolgt in Bauch, Oberschenkel oder Oberarm an wechselnden Injektionsstellen und nicht an dieselbe Stelle wie eine mögliche Insulininjektion. Tirzepatid kann unabhängig von den Mahlzeiten zu jeder Tageszeit gegeben werden.

 

Nur mit Vorsicht angewendet werden sollte Tirzepatid bei Patienten mit schwerer Nieren- oder Leberfunktionsstörung sowie bei Patienten mit einer Pankreatitis oder anderen schweren gastrointestinalen Erkrankungen in der Vorgeschichte. Unter der Therapie mit Tirzepatid kann es zu einer akuten Pankreatitis kommen. Ist das der Fall, sollte das Medikament dauerhaft abgesetzt werden.

Wichtige Wechselwirkungen

Bei der Kombination von Tirzepatid mit einem Sulfonylharnstoff oder Insulin besteht erhöhte Hypoglykämiegefahr. Die Dosierungen des Sulfonylharnstoffs beziehungsweise des Insulins sollten daher reduziert werden, wenn Tirzepatid zu einer entsprechenden bestehenden Therapie hinzugefügt wird. Diese Vorsichtsmaßnahme ist bei einer bestehenden Therapie mit Metformin und/oder einem SGLT2-Hemmer nicht erforderlich.

 

Wegen der verzögerten Magenentleerung ist bei gleichzeitiger Anwendung von Tirzepatid mit oral verabreichten Wirkstoffen mit geringer therapeutischer Breite, zum Beispiel Digoxin oder Phenprocoumon, erhöhte Vorsicht geboten. Das gilt besonders zu Beginn der Tirzepatid-Therapie und nach einer Dosiserhöhung.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen in Studien zu Tirzepatid waren gastrointestinale Störungen wie Übelkeit und Durchfall (sehr häufig) sowie Erbrechen (häufig). Wurde Tirzepatid mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin kombiniert, kam es sehr häufig zu Hypoglykämien, bei Kombination mit anderen Antidiabetika waren Hypoglykämien häufig. Ebenfalls häufig waren unter anderem Überempfindlichkeitsreaktionen, andere gastrointestinale Beschwerden, Fatigue, eine erhöhte Herzfrequenz sowie ein Anstieg der Lipase- und Amylasewerte.

 

Zudem ist zu beachten, dass Tirzepatid in Studien zu einem Anstieg der Herzfrequenz um drei bis fünf Schläge pro Minute führte.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Wirksamkeit und Sicherheit von Tirzepatid bei Typ-2-Diabetes wurden im SURPASS-Studienprogramm gezeigt. SURPASS 1 war eine 40-wöchige, doppelblinde, placebokontrollierte Studie mit 478 Teilnehmern, SURPASS 2 eine ebenfalls 40-wöchige Open-Label-Studie mit 1879 Teilnehmern, die entweder Tirzepatid oder Semaglutid erhielten, jeweils in Kombination mit Metformin. SURPASS 3 lief über 52 Wochen, hatte 1444 Teilnehmer und verglich unverblindet Tirzepatid mit Insulin degludec (lang wirksames Basalinsulin), jeweils in Kombination mit Metformin plus/ohne SGLT2-Hemmer. SURPASS 4 hatte eine Dauer von bis zu 104 Wochen und 2002 Teilnehmer, die Metformin und/oder Sulfonylharnstoffe und/oder SGLT2-Inhibitoren sowie open Label entweder Tirzepatid oder Insulin glargin (lang wirksames Basalinsulin) erhielten. Die wiederum 40-wöchige Studie SURPASS 5 schließlich war doppelblind und schloss 475 Patienten unter Insulin glargin plus/ohne Metformin ein, die Tirzepatid oder Placebo erhielten.

 

Die Änderung des HbA1c-Werts gegenüber dem Ausgangswert war in allen Studien bis auf SURPASS 3 der primäre Endpunkt; in SURPASS 3 war es einer der sekundären Endpunkte, während die Zeit im Zielbereich der kontinuierlichen Glucosemessung den primären Endpunkt darstellte. In allen fünf Studien konnte im Vergleich zu Placebo beziehungsweise zu den aktiven Kontrollbehandlungen eine dosisabhängige, anhaltende und statistisch signifikante Senkung des HbA1c-Werts nachgewiesen werden. So sank der HbA1c-Wert unter Tirzepatid in SURPASS 1 placebobereinigt um bis zu 2,11 Prozent (23,1 mmol/ml), in SURPASS 2 um bis zu 0,60 Prozent (6,6 mmol/ml) stärker als unter Semaglutid, in SURPASS 3 um bis zu 1,04 Prozent (11,3 mmol/ml) stärker als unter Insulin degludec, in SURPASS 4 um bis zu 1,14 Prozent (12,5 mmol/ml) stärker als unter Insulin glargin und in SURPASS 5 placebobereinigt um bis zu 1,65 Prozent (18,1 mmol/ml).

 

Statistisch signifikant war in allen Studien auch eine dosisabhängige Verringerung des Körpergewichts gegenüber dem Ausgangswert. Der Ausgangs-BMI betrug im Durchschnitt mehr als 30 kg/m2, aber weniger als 35 kg/m2, was einer Adipositas Grad I entspricht. Mit Tirzepatid behandelte Patienten nahmen in SURPASS 1 bis zu 9,5 kg ab, in SURPASS 2 bis zu 12,4 kg (bis zu 6,2 kg mehr als mit Semaglutid), in SURPASS 3 bis zu 12,9 kg, in SURPASS 4 bis zu 11,7 kg und in SURPASS 5 bis zu 10,9 kg. Zu verzeichnen waren darüber hinaus eine Senkung des mittleren Blutdrucks um 6 bis 9 zu 3 bis 4 mmHg sowie dosisabhängig eine Senkung der Triglyceride um bis zu 25 Prozent.

Hintergrundinfos

GLP-1 (Glucagon-like Peptide 1) und GIP (Glucose dependent Insulinotropic Peptide) sind gastrointestinale Hormone, die nahrungsabhängig unter anderem die Insulinsekretion aus dem Pankreas steuern und auch als Inkretine bezeichnet werden. Agonisten am GLP-1-Rezeptor wie Dulaglutid, Exenatid, Semaglutid, Liraglutid und Lixisenatid werden in der Therapie von Patienten mit Typ-2-Diabetes eingesetzt. Da die Inkretinmimetika auch zu einer Gewichtsabnahme führen, sind Semaglutid und Liraglutid zudem als Antiadiposita zugelassen.

 

Außer der Wirkung auf den Blutzuckerspiegel führt eine Behandlung mit Tirzepatid auch zu einem starken Gewichtsverlust, nicht nur bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. In klinischen Studien des SURMOUNT-Programms konnte gezeigt werden, dass adipöse Patienten mit Tirzepatid etwa ein Fünftel ihres Körpergewichts verloren. In den USA ist Tirzepatid daher unter dem Handelsnamen Zepbound™ bereits als Antiadipositum zugelassen. Auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat empfohlen, Tirzepatid als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Diät und erhöhter körperlicher Aktivität zur Gewichtskontrolle, einschließlich Gewichtsabnahme und Gewichtserhaltung, bei adipösen Erwachsenen zuzulassen.

 

Tirzepatid wurde mit dem PZ-Innovationspreis ausgezeichnet.

Besonderheiten

Mounjaro ist bei Temperaturen von 2 bis 8 °C (Kühlschrank) und in der Originalverpackung (Lichtschutz) zu lagern. Ungekühlt sind die Durchstechflaschen insgesamt bis zu 21 Tage und die Fertigpens bis zu 30 Tage bei bis zu 30 °C haltbar. Fertigpens müssen 30 Tage nach dem ersten Gebrauch entsorgt werden.

Mounjaro ist verschreibungspflichtig.

Weitere Hinweise

Die Anwendung von Tirzepatid wird während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, nicht empfohlen. In der Stillzeit muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen beendet oder Tirzepatid pausiert beziehungsweise abgesetzt werden soll, wobei sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Mutter zu berücksichtigen sind.

Vorläufige Bewertung

Sprunginnovation

Letzte Aktualisierung: 13.06.2025