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ARZNEISTOFFE

Liraglutid|Victoza®|12|2009

STOFFGRUPPE
12 Antidiabetika
WIRKSTOFF
Liraglutid
FERTIGARZNEIMITTEL
Victoza®
HERSTELLER

Novo Nordisk

MARKTEINFÜHRUNG (D)
07/2009
DARREICHUNGSFORM

6 mg/ml Injektionslösung in einem Fertigpen

ATC-CODE
A10BJ02, A08AX02
ORPHAN DRUG
Nein

Indikationen

Victoza ist für erwachsene Typ-2-Diabetiker zugelassen. Anwendungsgebiete sind die Kombinationstherapie mit oralen Antidiabetika und/oder Basalinsulin, wenn Lebensstiländerungen und die bisherige Therapie nicht zur ausreichenden Blutzuckerkontrolle geführt haben.

Wirkmechanismus

Liraglutid wirkt ebenso wie das im Darm gebildete körpereigene Inkretin-Hormon Glucagon-Like-Peptide-1 (GLP-1) und wird daher als Inkretin-Mimetikum bezeichnet (siehe Hintergrundinfos). Im Vergleich zu Exenatid ist Liraglutid mit einer Homologie von 97 Prozent dem natürlichen Hormon noch weitaus ähnlicher. Durch eine Änderung in der Aminosäure-Sequenz (in Position 34 ist die Aminosäure Lysin durch Arginin ausgetauscht) und durch einen angehängten C16-Fettsäure-Rest in Position 26 wird die Wirkdauer von Liraglutid jedoch deutlich erhöht. Hintergrund ist die stärkere Bindung an Albumin, was wiederum zu einer verlangsamten Absorption und einer reduzierten Clearance führt. Hinzu kommt eine im Vergleich zum humanen GLP-1 geringere Empfindlichkeit gegenüber dem abbauenden Enzym Dipeptidyl-Peptidase-4 (DPP-4). Daraus folgt, dass die Halbwertszeit nach subkutaner Injektion 11 bis 15 Stunden beträgt.

Anwendungsweise und -hinweise

Patienten müssen sich Liraglutid einmal täglich subkutan in den Bauch, Oberschenkel oder Oberarm injizieren. Es wird unabhängig von den Mahlzeiten und vorzugsweise jeden Tag zur gleichen Zeit appliziert. Zur Verbesserung der gastrointestinalen Verträglichkeit beträgt die tägliche Anfangsdosis 0,6 mg Liraglutid, nach mindestens einer Woche ist diese auf 1,2 mg zu erhöhen. Einige Patienten können auch von einer Dosiserhöhung auf 1,8 mg profitieren. Eine höhere Tagesdosis wird jedoch nicht empfohlen. Wird Liraglutid zusätzlich zu einem Sulfonylharnstoff gegeben, sollte der Arzt eine Dosisreduktion des Sulfonylharnstoffs erwägen, um das Hypoglykämie-Risiko zu senken.

 

Nach Anbruch sollte der Injektionspen nicht über 30 °C gelagert oder wie noch nicht angebrochene Pens im Kühlschrank (bei 2 bis 8 °C, nicht einfrieren!) aufbewahrt werden. Die Verschlusskappe des Pens muss aufgesetzt bleiben, um den Inhalt vor Licht zu schützen.

Nebenwirkungen

Vor allem zu Therapiebeginn kann Liraglutid Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall hervorrufen. Diarrhö kann die Resorption von begleitend oral verabreichten Arzneimitteln beeinträchtigen. In einigen Fällen wurde im Zusammenhang mit Inkretin-Mimetika über eine akute Pankreatitis berichtet. Patienten sollten deshalb deren charakteristische Symptome kennen: anhaltende, schwere abdominale Schmerzen. Wird eine Pankreatitis vermutet, muss Liraglutid abgesetzt werden.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Nicht empfohlen wird die Behandlung mit Liraglutid bei Patienten mit Leberfunktionsstörung oder schwerer Nierenfunktionsstörung.

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Liraglutid wurde im Rahmen des sogenannten LEAD-Studienprogrammes (Liraglutide Effect and Action in Diabetes) bei mehr als 4000 Typ-2-Diabetikern untersucht. Ziel war es, das Inkretin-Mimetikum direkt mit häufig verwendeten Typ-2-Diabetes-Therapien zu vergleichen. Das Programm umfasste fünf randomisierte Doppelblindstudien über 26 Wochen und eine Studie über 52 Wochen. Hauptindikator für die Wirksamkeit war die Änderung des HbA1c-Wertes nach sechs beziehungsweise zwölf Monaten. In einer Monotherapie-Studie wurde Liraglutid mit dem Sulfonylharnstoff Glimepirid verglichen. Der HbA1c-Wert konnte unter Liraglutid stärker gesenkt werden, allerdings war der Effekt nicht stark genug, um die Anwendung als Monotherapie zu unterstützen. Die Dualtherapien mit Liraglutid und Metformin oder Glimepirid führten jedoch zu einer Senkung der HbA1c-Werte von etwa 1 Prozent, während bei der Behandlung ohne das Inkretin-Mimetikum keine Reduzierung erzielt werden konnte. Die Tripeltherapien mit Metformin und Glimepirid oder dem Thiazolidindion Rosiglitazon führten zu einer HbA1c-Senkung zwischen 1,3 und 1,5 Prozent, im Vergleich zu einer Senkung von 0,5 Prozent oder weniger ohne Liraglutid.

 

Im Fachjournal »Lancet« wurden die Ergebnisse der LEAD-6-Studie veröffentlicht (doi:10.1016/S0140-6736(09)60659-0), eine offene und randomisierte Studie, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Liraglutid (1,8 mg einmal täglich) mit dem zweiten GLP-1-Analogon Exenatid (10 µg zweimal täglich) verglich. Danach führte die Behandlung mit Liraglutid zu einer signifikant größeren HbA1c-Senkung von 1,12 Prozent verglichen mit 0,79 Prozent in der Exenatid-Gruppe. Zudem senkte Liraglutid stärker den Nüchtern-Plasmaglucosespiegel (-1,61 mmol/l versus -0,60 mmol/l). Beide Behandlungen führten zu einer Gewichtsreduktion von durchschnittlich drei Kilogramm während der 26-wöchigen Studienzeit.

Hintergrundinfos

Der Inkretineffekt: Seit den 1960er-Jahren ist bekannt, dass bei gleichen Blutzuckerspiegeln die intravenöse Glucoseaufnahme zu einer deutlich geringeren Insulinausschüttung führt als die orale Glucoseaufnahme. Das wird in der Medizin als Inkretineffekt bezeichnet. Dessen Grundlage sind im Darm gebildete Hormone wie das Glucagon-like Peptide-1 (GLP-1). GLP-1 hat zahlreiche Effekte auf die metabolischen Vorgänge im Körper. Ist der Blutzuckerspiegel zu hoch, regt GLP-1 die Insulinausschüttung in der Bauchspeicheldrüse an. Das Inkretinhormon führt zudem zur vermehrten Insulinbiosynthese und erhöht die Glucoseempfindlichkeit der Betazellen. Ferner reduziert GLP-1 glucoseabhängig die Sekretion von Glucagon. Bei hohem Blutzucker sinkt über diesen Regulationsmechanismus der Glucoseausstoß aus der Leber. Letztlich verzögert das Hormon beim Menschen die Magenentleerung und erhöht das Sättigungsgefühl. Natürliches GLP-1 hat nach intravenöser Gabe eine sehr kurze Halbwertszeit von 1,5 bis 2 Minuten. Das liegt am schnellen Abbau durch das Enzym Dipeptidyl-Peptidase-4 (DPP-4). Aus diesem Grund ist es schwierig, das Protein therapeutisch zu nutzen. In den vergangenen Jahren ist es Forschern gelungen, Wirkstoffe zu entwickeln, die auf unterschiedliche Weise die GLP-1-Aktivität steigern. GLP-1-Analoga wie Liraglutid und Exenatid wirken wie GLP-1, nur länger, und DPP-4-Hemmer wie Sitagliptin und Vildagliptin hemmen den Abbau von GLP-1.

 

Unter dem Namen Saxenda® ist Liraglutid seit Dezember 2017 auch zur Gewichtsregulierung als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Ernährung und verstärkter körperlicher Aktivität bei Erwachsenen mit einem BMI von mindestens 30 beziehungsweise 27 bis unter 30, bei denen mindestens eine gewichtsbedingte Begleiterkrankung vorliegt. Dazu gehören unter anderem ein Prädiabetes oder Diabetes Typ 2, Dyslipidämie, Hypertonie oder obstruktiver Schlafapnoe, zugelassen.

Besonderheiten

Victoza ist im Kühlschrank (2 bis 8 °C) zu lagern. Es darf nicht einfrieren und sollte auch nicht in der Nähe des Gefrierfachs aufbewahrt werden.
Victoza ist verschreibungspflichtig.

Weitere Hinweise

In der Schwangerschaft und Stillzeit soll Victoza nicht angewendet werden. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt; auch zeigte sich dabei, dass Liraglutid in die Muttermilch übergeht.

Letzte Aktualisierung: 12.03.2018