Agomelatin|Valdoxan®|71|2009 |
Servier Deutschland GmbH
25 mg Tabletten
Agomelatin ist zugelassen zur Behandlung von Episoden einer Major Depression.
Chemisch gesehen ist Agomelatin bioisoster mit Melatonin, das nachts von der Zirbeldrüse im Gehirn produziert wird. Dieses Hormon steuert maßgeblich den Tag-Nacht-Rhythmus bei Mensch und Säugetieren. Allerdings hat es eine sehr kurze Halbwertszeit. In Agomelatin ist der Indolring des Melatonins durch ein metabolisch stabileres Naphthalen-Grundgerüst ersetzt. Dadurch steigt die Plasmahalbwertszeit von wenigen Minuten auf eine bis zwei Stunden an.
Das Molekül greift selektiv als Agonist an den Melatonin-Rezeptoren MT1 und MT2 im Hypothalamus an. Dadurch ahmt es dessen Wirkung als Synchronisator des zirkadianen Tag-Nacht-Rhythmus nach. Zudem wirkt Agomelatin als kompetitiver Antagonist an Serotonin-5-HT2C-Rezeptoren. An anderen Neurotransmitter-Rezeptoren dockt es nicht an. Die extrazelluläre Konzentration von Serotonin wird nicht beeinflusst. Jedoch steigen die Konzentrationen von Noradrenalin und Dopamin zwischen den Nervenzellen, vor allem im frontalen Cortex. Dadurch soll die antidepressive Wirkung entstehen.
Erwachsene nehmen einmal täglich eine Tablette abends vor dem Zubettgehen. Ist nach zwei Wochen keine Besserung spürbar, können sie die Dosis verdoppeln. Depressive Patienten sollten mindestens sechs Monate behandelt werden.
Agomelatin wird vor allem über die Cytochrom-P-450-Isoenzyme CYP-1A2 (90 Prozent) und CYP-2C9/2C19 (10 Prozent) metabolisiert. Arzneistoffe, die ebenfalls mit diesen interagieren, können die Bioverfügbarkeit von Agomelatin beeinflussen. Zu diesen gehört etwa Fluvoxamin (starker CYP-1A2-Inhibitor). Er kann die Agomelatin-Spiegel durchschnittlich 60-fach (12- bis 412-fach) erhöhen. Zu den mäßigen CYP-1A2-Inhibitoren gehören Propranolol und Enoxacin.
Rifampicin, aber auch Zigarettenrauch, die CYP-1A2 induzieren, können die Wirkung von Agomelatin vermindern. Der Genuss von Alkohol ist nicht ratsam.
Häufigste Nebenwirkungen in den Studien zu Agomelatin waren Übelkeit und Schwindel, die aber meist nicht zum Abbruch führten. Weiterhin klagten die Patienten häufig über Kopfschmerzen und Migräne, Schläfrigkeit oder Schlaflosigkeit, Diarrhö und Obstipation, vermehrtes Schwitzen, Rückenschmerzen und Angst.
Nicht unerwünschte Nebenwirkungen: Agomelatin verkürzte die Einschlafzeit und verbesserte die Schlafqualität, beeinträchtigte aber nicht die Aufmerksamkeit am Tag oder das Gedächtnis. Die sexuelle Funktion wurde nicht gestört.
Da die Leberenzyme (Transaminasen) häufig ansteigen, muss der Arzt vor Beginn der Therapie, nach sechs Wochen sowie nach Ende der Erhaltungsphase (12 bis 24 Wochen) die Leberfunktion überprüfen.
Bei eingeschränkter hepatischer Funktion (Leberzirrhose oder akute Organerkrankung) ist Agomelatin kontraindiziert. Gleiches gilt für die parallele Gabe von starken CYP-1A2-Inhibitoren wie Fluvoxamin oder Ciprofloxacin, da diese den Abbau von Agomelatin hemmen.
Bei Patienten über 75 Jahren ist die Wirksamkeit nicht eindeutig belegt. Bei demenzkranken Senioren sollte das Antidepressivum nicht eingesetzt werden.
Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.
Laut Fachinformation liegen inzwischen Studiendaten von 7900 Patienten mit Major Depression vor, die mit Agomelatin behandelt wurden. In Kurzzeitstudien über sechs bis acht Wochen schnitt das Verum (25 bis 50 mg) besser ab als Placebo; Hauptindikator war die Veränderung der Beschwerden, erfasst mit einer Standardskala für Depression (Hamilton Depression Rating Scale, HAM-D). Auf das Verum sprachen statistisch signifikant mehr Patienten an als auf Placebo. In drei Studien, in denen auch Fluoxetin oder Paroxetin gegeben wurden, gab es jedoch keinen Unterschied zwischen Agomelatin und Placebo. Allerdings wurde in zwei dieser Studien auch keine Wirkung in den Fluoxetin- und Paroxetin-Gruppen beobachtet. In einer sechswöchigen Studie mit 313 Patienten waren 25 bis 50 mg Agomelatin wirksamer als 50 bis 100 mg Sertralin; die Responseraten lagen bei 70 und 62 Prozent. In den Studien mit positivem Ergebnis sprachen auch Patienten mit schwerer Depression auf das neue Medikament an.
In zwei Langzeitstudien wurde geprüft, ob Agomelatin das Wiederauftreten von Symptomen bei Patienten verhindern kann, deren Depression unter der Medikation abgeklungen war (Responder). In einer Studie gab es innerhalb von 26 Wochen keinen Unterschied zwischen Verum und Placebo, in der zweiten Studie war Agomelatin deutlich wirksamer. Hier erwiesen sich 339 von 492 Patienten nach acht bis zehn Wochen als Therapieresponder; sie bekamen über ein halbes Jahr weiterhin Agomelatin oder aber Placebo. 22 Prozent der Patienten in der Verumgruppe erlitten einen Rückfall gegenüber 47 Prozent unter Placebo.
2006 hatte der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMEA einen Zulassungsantrag für Agomelatin negativ beschieden, da die Wirksamkeit in Kurz- und Langzeitstudien nicht ausreichend belegt sei. Bedenken hinsichtlich der Nebenwirkungen hatten die Experten nicht. Die Studienprogramme konnten daher fortgesetzt werden. Im Februar 2009 wurde Valdoxan nach Einreichung neuer Daten im Rahmen einer europäischen Zulassung über die EMEA für alle EU-Länder zugelassen.
Für Valdoxan sind keinen besonderen Lagerungsbedingungen einzuhalten.
Valdoxan ist verschreibungspflichtig.
Agomelatin
Die dreidimensionale Strukturformel können Sie mit einem kostenlosen Zusatzprogramm aus dem Internet, zum Beispiel Cortona von Parallelgraphics, ansehen (externer Link).
Tierexperimente haben keine schädlichen Auswirkungen auf die Schwangerschaft gezeigt. Ob der Wirkstoff beim Menschen in die Muttermilch übergeht, ist nicht bekannt. Mangels Erfahrung sollte auf eine Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit verzichtet werden.
Letzte Aktualisierung: 19.08.2015