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ARZNEISTOFFE

Marstacimab|Hympavzi®|16|2025

 
STOFFGRUPPE
16 Antihämorrhagika (Antifibrinolytika und andere Hämostatika)
WIRKSTOFF
Marstacimab
FERTIGARZNEIMITTEL
Hympavzi®
HERSTELLER

Pfizer

ZIELSTRUKTUR
TFPI-Inhibitoren
MARKTEINFÜHRUNG (D)
02/2025
DARREICHUNGSFORM

150 mg Injektionslösung im Fertigpen

150 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze

ATC-CODE
B02BX11
ORPHAN DRUG
Nein

Indikationen

Hympavzi ist zugelassen für die Routineprophylaxe von Blutungsepisoden bei Patienten ab zwölf Jahren und einem Körpergewicht ab 35 kg mit schwerer Hämophilie A oder B (FVIII beziehungsweise FIX < 1 Prozent), die keine Inhibitoren aufweisen.

Wirkmechanismus

In der Regel werden zur Behandlung einer Hämophilie die fehlenden Gerinnungsfaktoren durch intravenöse Infusionen mit aus Plasma gewonnenen oder rekombinanten Faktoren ersetzt. Mit Marstacimab verfolgt man einen anderen Ansatz: Der humane monoklonale IgG1-Antikörper ist gegen die Kunitz-Domäne 2 (K2) vom Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI) gerichtet. TFPI hemmt die extrinsische Gerinnungskaskade durch Blockade des aktiven Zentrums des Gerinnungsfaktors Xa. Indem Marstacimab die inhibitorische Wirkung von TFPI auf die Blutgerinnung aufhebt, ist mehr freier Faktor Xa verfügbar. Somit wird der extrinsische Weg verstärkt und die Defizite im intrinsischen Gerinnungsweg, also das Fehlen von FVIII beziehungsweise FIX, umgangen. Letztlich werden Thrombinbildung und Hämostase verstärkt.

Anwendungsweise und -hinweise

Vor Beginn einer Marstacimab-Behandlung müssen die Patienten die Therapie mit Gerinnungsfaktorkonzentraten absetzen. Danach kann jederzeit mit der Antikörpertherapie begonnen werden.

 

Marstacimab wird einmal wöchentlich subkutan appliziert. Die empfohlene Dosis ist initial einmal 300 mg. Danach werden einmal pro Woche 150 mg injiziert. Bei unzureichender Blutungskontrolle kann bei Patienten mit einem Körpergewicht von mindestens 50 kg eine Erhöhung der wöchentlichen Dosis auf 300 mg in Betracht gezogen werden. Dies ist die maximale wöchentliche Dosis, die nicht überschritten werden sollte. Das Präparat sollte 15 bis 30 Minuten vor der Injektion aus dem Kühlschrank genommen werden. Es darf nicht geschüttelt werden. Bevorzugte Injektionsstellen sind Bauch und Oberschenkel. Für die Initialdosis von 300 mg (zwei Injektionen à 150 mg) sollten zwei verschiedene Injektionsstellen gewählt werden. Nach einer entsprechenden Schulung können die Patienten die Injektion selbst vornehmen.

 

Wird eine Dosis versäumt, ist diese so bald wie möglich, bis zum Tag der nächsten geplanten Dosis, zu verabreichen. Anschließend ist das wöchentliche Dosierungsschema wieder aufzunehmen. Liegt die letzte Dosis mehr als 13 Tage zurück, soll die Therapie mit einer einmaligen Initialdosis von 300 mg wieder aufgenommen werden. Anschließend kann das übliche Behandlungsschema mit 150 mg einmal wöchentlich wiederaufgenommen werden.

 

Sechs bis zwölf Tage vor geplanten größeren chirurgischen Eingriffen wird empfohlen, Hympavzi abzusetzen und eine Therapie mit einem Gerinnungsfaktorkonzentrat einzuleiten.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen in Studien zu Hympavzi waren Reaktionen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen, Bluthochdruck und Juckreiz.

Unter der Anwendung von Marstacimab kann das Thromboserisiko der Patienten steigen. Ein erhöhtes Risiko könnten zum Beispiel Patienten mit koronarer Herzerkrankung, Venen- oder Arterienthrombose haben oder solche mit einer akuten schweren Erkrankung, die mit einer erhöhten Gewebefaktor-Expression einhergeht. Dazu zählen unter anderem Patienten mit schwerer Infektion, Sepsis, Trauma, Quetschungen oder Krebserkrankung. Risikopatienten sollten auf frühe Anzeichen einer Thrombose überwacht werden. Unter der Behandlung mit Marstacimab traten Hautreaktionen in Form von Ausschlag und Juckreiz auf. Beim Auftreten schwerer Überempfindlichkeitsreaktionen sind die Patienten anzuweisen, Hympavzi abzusetzen und sofort die Notaufnahme aufzusuchen.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Die Zulassung von Hympavzi basiert auf der einarmigen, offenen Phase-III-Studie BASIS an 116 männlichen Erwachsenen und Jugendlichen mit schwerer Hämophilie A oder B. Die Patienten erhielten zunächst in einer sechsmonatigen Beobachtungsphase im Rahmen der üblichen Versorgung eine intravenöse Routineprophylaxe oder Bedarfsbehandlung mit FVIII oder FIX. Anschließend bekamen sie indikationsgerecht Marstacimab über einen Zeitraum von zwölf Monaten. Primärer Wirksamkeitsendpunkt war der Vergleich zwischen der Marstacimab-Prophylaxe während der aktiven Behandlungsphase und der Faktor-basierten-Routineprophylaxe in der Beobachtungsphase, gemessen an der annualisierten Blutungsrate (ABR). Die Behandlung mit Marstacimab führte im Vergleich zur Routineprophylaxe zu einer durchschnittlichen Verringerung der ABR um 35,2 Prozent. Zudem reduzierte der Antikörper die mittlere ABR im Vergleich zur Bedarfsbehandlung signifikant um 91,6 Prozent. Zudem erwies sich Marstacimab bei allen blutungsbezogenen sekundären Endpunkten als nicht unterlegen, das heißt bei der Inzidenz von spontanen Blutungen, Gelenkblutungen, Blutungen in oft betroffene Zielgelenke sowie der Gesamtblutungen.

Hintergrundinfos

Hämophilie ist eine seltene, genetisch bedingte und angeborene Blutgerinnungsstörung, die auf einem Mangel an Gerinnungsfaktoren beruht. Bei Hämophilie A fehlt der Faktor VIII (FVIII), bei Hämophilie B der Faktor IX (FIX). In der Regel werden die fehlenden Gerinnungsfaktoren durch intravenöse Infusionen mit aus Plasma gewonnenen oder rekombinanten Faktoren ersetzt, wodurch es bei den Betroffenen zu weniger Blutungen kommt.

Besonderheiten

Hympavzi ist bei Temperaturen von 2–8 °C (Kühlschrank) zu lagern und darf nicht einfrieren.
Hympavzi ist verschreibungspflichtig.

Weitere Hinweise

Frauen im gebärfähigen Alter, die Hympavzi erhalten, müssen während und für mindestens einen Monat nach Absetzen der Behandlung eine wirksame Verhütungsmethode anwenden.
Während der Schwangerschaft sollte Hympavzi nur angewendet werden, wenn der potenzielle Nutzen für die Mutter das Risiko für den Fetus überwiegt, Humanes IgG geht in den ersten Tagen nach der Geburt in die Muttermilch über; die Konzentration nimmt kurz danach auf niedrige Werte ab. Während dieses kurzen Zeitraums kann ein Risiko für den gestillten Säugling nicht ausgeschlossen werden. Danach kann Hympavzi während der Stillzeit angewendet werden, sofern dies klinisch erforderlich ist.

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Letzte Aktualisierung: 30.05.2025