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ARZNEISTOFFE

Faricimab|Vabysmo®|67|2022

STOFFGRUPPE
67 Ophthalmika
WIRKSTOFF
Faricimab
FERTIGARZNEIMITTEL
Vabysmo®
HERSTELLER

Roche

MARKTEINFÜHRUNG (D)
10/2022
DARREICHUNGSFORM

120 mg/ml Injektionslösung

ATC-CODE
S01LA09
ORPHAN DRUG
Nein

Indikationen

Vabysmo ist zugelassen zur Behandlung erwachsener Patienten mit neovaskulärer altersabhängiger Makuladegeneration (nAMD) und mit diabetischem Makulaödem (DMÖ). Es ist das erste Arzneimittel, das für erwachsene Patienten eine zeitgleiche Zulassung in beiden Indikationen ab der Erstlinie erhalten hat.

Wirkmechanismus

Faricimab hat einen bispezifischen Wirkansatz. Neben dem bekannten Signalweg VEGF-A (vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor) hemmt es zusätzlich Angiopoietin-2 (Ang-2). VEGF-A stimuliert das pathologische Gefäßneuwachstum im Bereich der Netzhaut und steigert die vaskuläre Permeabilität. Ang-2 fördert die Destabilisierung des Endothels, den Verlust von Perizyten und die pathologische Angiogenese, was eine vaskuläre Instabilität zur Folge hat. Vaskuläre Leckagen und Entzündungen werden verstärkt. Zudem sensibilisiert Ang-2 die Blutgefäße für die Aktivität des VEGF-A, was die Gefäße noch weiter destabilisiert. Insofern macht der bispezifische Ansatz Sinn:  Werden VEGF-A und Ang-2 durch Faricimab blockiert, wird die pathologische Angiogenese gehemmt und die Gefäßstabilität wiederhergestellt.

Anwendungsweise und -hinweise

Vabysmo wird direkt in den Glaskörper injiziert. Für die Anwendung bei nAMD beträgt die empfohlene Dosis 6 mg Faricimab alle vier Wochen für die ersten vier Dosen. Nach 20 und/oder 24 Wochen wird eine Beurteilung der Krankheitsaktivität empfohlen, basierend auf den anatomischen und/oder visuellen Befunden, um die Behandlung individuell anpassen zu können. Bei Patienten ohne Krankheitsaktivität ist unmittelbar nach der Aufsättigungsphase eine Verabreichung alle vier Monate zu erwägen, bei Patienten mit Krankheitsaktivität alle zwei oder drei Monate. Für Behandlungsintervalle von zwei Wochen oder weniger zwischen den Injektionen gibt es nur begrenzte Sicherheitsdaten.

 

Beim diabetischen Makulaödem (DMÖ) beträgt die empfohlene Dosis 6 mg alle vier Wochen für die ersten vier Dosen. Anschließend wird die Behandlung in Abhängigkeit von der Krankheitsaktivität individuell angepasst. Basierend auf der ärztlichen Beurteilung der anatomischen und/oder visuellen Befunde kann das Dosierungsintervall nach der Aufsättigungsphase in Schritten von bis zu vier Wochen, gemäß einem Treat and Extend-Schema, auf bis zu vier Monate verlängert werden. Wenn sich die anatomischen und/oder visuellen Befunde verschlechtern, ist das Intervall zu verkürzen. Behandlungsintervalle mit weniger als vier Wochen zwischen den Injektionen wurden nicht untersucht.

 

Unmittelbar nach der Injektion sind die Patienten auf eine mögliche Erhöhung des Augeninnendrucks zu überwachen. Eine vorübergehende Erhöhung wurde innerhalb von 60 Minuten nach der Applikation beobachtet. Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit schlecht eingestelltem Glaukom geboten. Vabysmo darf nicht injiziert werden, solange der Augeninnendruck ≥ 30 mmHg beträgt.

 

Intravitreale Injektionen können per se mit Endophthalmitis, intraokularer Entzündung, rhegmatogener Netzhautablösung und Netzhauteinriss assoziiert sein. Vabysmo muss immer unter aseptischen Bedingungen injiziert werden. Die Patienten sollten angewiesen werden, alle Symptome wie Schmerzen, Sehverlust, verschwommenes Sehen, Mouches volantes (Glaskörpertrübung) oder Rötung, die auf eine Endophthalmitis oder eine der aufgeführten Nebenwirkungen hinweisen, unverzüglich zu melden, um eine sofortige und angemessene Behandlung zu ermöglichen.

 

Vorsicht ist geboten bei Patienten mit Risikofaktoren für die Entwicklung eines Einrisses des retinalen Pigmentepithels (RPE). Dabei handelt es sich um eine Komplikation der Abhebung des Pigmentepithels (pigment epithelial detachment – PED) bei Patienten mit nAMD. RPE-Einrisse kommen häufig vor bei nAMD-Patienten mit PED, die mit Anti-VEGF-Mitteln einschließlich Faricimab intravitreal behandelt werden. In der Faricimab-Gruppe war die Rate der RPE-Einrisse höher (2,9 Prozent) als in der Aflibercept-Gruppe (1,4 Prozent). Die meisten Ereignisse traten während der Aufsättigungsphase auf und waren leicht bis mäßig, ohne Auswirkungen auf das Sehvermögen.

 

Vabysmo hat einen geringen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen. Vorübergehende Sehstörungen können nach der intravitrealen Injektion und der damit einhergehenden Augenuntersuchung auftreten. Patienten sollten kein Fahrzeug führen und keine Maschinen bedienen, bis sich ihr Sehvermögen wieder ausreichend erholt hat.

Wichtige Wechselwirkungen

Basierend auf der Biotransformation und Elimination von Faricimab sind keine Wechselwirkungen zu erwarten. Faricimab sollte jedoch nicht gleichzeitig mit anderen systemischen oder okularen Anti-VEGF-Arzneimitteln verabreicht werden.

Nebenwirkungen

Die in Studien zu Faricimab am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Katarakt, Bindehautblutung, erhöhter Augeninnendruck, Mouches volantes, Augenschmerzen und Einriss des retinalen Pigmentepithels (nur nAMD).

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Kontraindiziert ist Vabysmo bei aktiven oder vermuteten okularen oder periokularen Infektionen sowie bei aktiver intraokularer Entzündung.

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Die Zulassung von Vabysmo basiert auf den Phase-III-Studien TENAYA und LUCERNE bei nAMD sowie YOSEMITE und RHINE beim DMÖ mit insgesamt 3.220 Patienten. Bei den Teilnehmern mit DMÖ konnte das Therapieintervall nach vier monatlichen Dosen in Vier-Wochen-Schritten gemäß einem Treat and Extend-Schema bis auf 16 Wochen verlängert werden. Bei jenen mit nAMD war dies bei fehlenden Anzeichen von Krankheitsaktivität in Woche 20 und 24 unmittelbar nach der Aufsättigungsphase möglich. Primärer Endpunkt war der Nachweis der Nicht-Unterlegenheit von Vabysmo im Vergleich zu Aflibercept in Bezug auf die Veränderung der bestkorrigierten Sehschärfe (Best-corrected Visual Acuity, BCVA) nach einem Jahr.

 

In allen vier Studien wurde der primäre Endpunkt erreicht. Bei Patienten mit DMÖ wurden mit Vabysmo im ersten Studienjahr Visusverbesserungen um durchschnittlich 11,6 (YOSEMITE) beziehungsweise 10,8 (RHINE) Buchstaben und bei jenen mit nAMD um durchschnittlich 5,8 (TENAYA) beziehungsweise 6,6 (LUCERNE) Buchstaben erzielt. Im zweiten Jahr blieben die Verbesserungen bei durchschnittlich nur drei Injektionen erhalten. In allen Studien erreichten im Zwei-Jahres-Verlauf etwa 78 Prozent der mit Vabysmo behandelten Patienten ein Intervall von drei oder vier Monaten.

Hintergrundinfos

Die Netzhauterkrankungen neovaskuläre altersabhängige Makuladegeneration (nAMD) und diabetisches Makulaödem (DMÖ) zählen zu den häufigsten Ursachen für den Verlust der Sehkraft. In Deutschland leiden mehr als 1,2 Millionen Menschen an nAMD oder DMÖ — Tendenz steigend. Beide Netzhauterkrankungen zählen weltweit zu den häufigsten Ursachen für den Verlust der Sehkraft.

Besonderheiten

Vabysmo ist bei Temperaturen von 2–8 °C (Kühlschrank) zu lagern. Es darf nicht einfrieren. Die Durchstechflasche ist im Umkarton aufzubewahren, um den Inhalt vor Licht zu schützen.

Die ungeöffnete Durchstechflasche kann vor der Anwendung bis zu 24 Stunden bei Raumtemperatur (20–25 °C), aufbewahrt werden. Vabysmo ist verschreibungspflichtig.

Weitere Hinweise

Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung sowie nach der letzten Injektion für mindestens drei Monate eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Der neue Wirkstoff darf während der Schwangerschaft nicht zum Einsatz kommen, es sei denn, der potenzielle Nutzen überwiegt das Risiko für den Fetus. In der Stillzeit ist zu entscheiden, ob auf das Stillen oder die Faricimab-Gabe verzichtet wird.

Vorläufige Bewertung

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Letzte Aktualisierung: 04.11.2022