Selbstmedikation bei Insektenstichen |
Laura Rudolph |
02.08.2023 14:00 Uhr |
Nur weibliche Stechmücken mutieren zu Blutsaugerinnen, denn sie benötigen die im Blut enthaltenen Proteine zur Produktion ihrer Eier. / Foto: Adobe Stock/famveldman
Die Gemeine Stechmücke (Culex pipiens) ist die häufigste der 51 Stechmückenarten in Deutschland. Wie stark die Immunreaktion auf Stiche ausfällt, ist abhängig vom Insektenspeichel und vom menschlichen Individuum und kann sich im Laufe des Lebens durch (De-)sensibilisierung ändern. Bisher galten Stechmücken hierzulande als eher harmlos, jedoch begünstigen Globalisierung und Klimawandel die Ansiedelung nicht heimischer Arten wie der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus). Sie kann potenziell Dengue-, Chikungunya- oder Zikaviren übertragen, in der freien Natur ist das Risiko hierzulande aber bislang gering (kleine Populationen, kaum Infektionsquellen). Bei Reisen, etwa in Malariagebiete, empfehlen sich spezielle Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen durch Mückenstiche (lesen Sie dazu in PZ 31/2022 »PhiP im HV: Medikamente auf Reisen«).
Auch Zecken können Infektionskrankheiten auf den Menschen übertragen, etwa Borreliose. In Deutschland sind laut Robert-Koch-Institut (RKI) bis zu 30 Prozent der Zecken mit Borrelien infiziert. Eine festgebissene Zecke schnellstmöglich zu entfernen, etwa mit einer Zeckenkarte oder -zange, senkt das Übertragungsrisiko. Wichtig: den Hinterleib der Zecke dabei nicht verletzen, um keine Krankheitserreger in die Wunde zu geben, und Bissstelle sowie Hände danach desinfizieren. Nur bei etwa einem Prozent der infizierten Menschen ist laut RKI mit Symptomen zu rechnen. Zu diesen zählen etwa Fieber, Gelenkschmerzen und die »Wanderröte«, eine ringförmige Hautrötung, die sich über Tage bis Wochen ausbreitet (Durchmesser bis zu 10 cm). Die Bissstelle ist mindestens vier Wochen zu beobachten. Tipp: die Stelle mit einem Kugelschreiber umkreisen. Fieber in Kombination mit starken Kopfschmerzen nach einem Zeckenbiss könnten auf eine Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) hindeuten. In FSME-Risikogebieten, die mehrheitlich in Süd- und Teilen von Ostdeutschland zu finden sind, tragen im Mittel 0,1 bis 5 Prozent der Zecken FSME-Viren in sich. Es empfiehlt sich dann eine Impfung. Bei Verdacht auf eine durch Zecken übertragene Infektion gilt: ab zum Arzt.
Repellentien schützen nur bei korrekter Anwendung ausreichend vor Insekten. Der Wirkstoff, seine Konzentration und die Zusammensetzung des Produkts entscheiden mit über Wirkspektrum und -dauer. Letztere kann sich selbst innerhalb wirkstoff- und dosisgleicher Präparate unterscheiden. Daher ist stets auf produktspezifische Angaben zu achten– auch hinsichtlich der Auftragsmengen, Altersbeschränkungen und dem Einsatz während Schwangerschaft und Stillzeit. Repellentien sind lückenlos auf unbedeckte, unverletzte Haut aufzusprühen. Der Kontakt mit Schleimhaut, Augen oder Mund ist unbedingt zu vermeiden. Für die Anwendung im Gesicht kann etwas Produkt auf die Handflächen gesprüht und im Gesicht verteilt werden. Im Sommer gilt: Erst Sonnenschutz und etwa 15 Minuten später das Repellent auftragen. Es empfiehlt sich, den Schutz nach dem Waschen oder Baden zu erneuern.
Repellentien halten Mücken, Zecken und Co. durch ihren Geruch fern. Sie enthalten in Deutschland in der Regel einen der folgenden Stoffe:
Juckreizstillend und kühlend wirken Kältepacks, Zinkoxid-Schüttelmixtur, Minzöl oder kühlende Gele sowie topische H1-Antihistaminika wie Dimetinden (auch systemisch als Dragees oder Tropfen, Cave: Müdigkeit) oder Bamipin. Bei leichteren Beschwerden sind diese Maßnahmen häufig ausreichend. Auch Lokalanästhetika wie Polidocanol oder Lidocain können Juckreiz lindern. Ist der Stich/Biss entzündet, können Hydrocortison-haltige Zubereitungen (0,25 oder 0,5 Prozent) die Beschwerden lindern. Zur Akuttherapie stärkerer allergischer Reaktionen eignen sich orale Antihistaminika wie (Des-)Loratadin oder (Levo-)
Cetirizin. Unmittelbar nach einem Insektenstich angewandt, können elektrische Hitzestifte an der Einstichstelle die Histaminausschüttung verringern und bestimmte Proteine aus dem Mückenspeichel denaturieren. Sie wirken dadurch Juckreiz und einer Entzündung entgegen. Bei einer Insektengiftallergie verordnet der Arzt ein Allergie-Notfallset mit einem Antihistaminikum, einem Glucocorticoid sowie einem Adrenalin-Autoinjektor. Betroffene sollten es stets mit sich führen und nach einem Stich unmittelbar anwenden und einen Arzt rufen.
In folgenden Fällen ist nach Insektenstichen oder -bissen ein Arztbesuch indiziert:
Folgende Maßnahmen beugen Insektenstichen vor:
Zecke – tick| Mückenstich – mosquito bite| Repellentien – repellents| Juckreiz – pruritus| Lokalanästhetika – local anaesthetics| stehendes Gewässer – stagnant water| bedeckend – covering| imprägnieren – to proof| Risikogebiet – risk area| Hornisse – hornet| Wespe – wasp| Insektengiftallergie – hymenoptera venom allergy| Notfall-Set – emergency kit| Mückenschutznetz – mosquito net
Damit Pharmaziepraktikanten das Thema Insektenstiche angepasst an die Produkte ihrer PJ-Apotheke noch einmal aufarbeiten können, steht ein interaktives Arbeitsblatt als PDF zum Download zur Verfügung. Es kann auch als Anlass genutzt werden, das Thema mit den Kolleginnen und Kollegen in der Apotheke durchzusprechen. Bisherige Themen der Serie waren: Schlafstörungen, Sodbrennen, Hämorrhoidalleiden, Lippenherpes, Obstipation, Heuschnupfen, Fußpilz, Nagelpilz, Sonnenschutz, Vaginalmykosen, Durchfall, Selbstmedikation im Alter, Husten, Blasenentzündung, Kopfläuse, Rauchentwöhnung, pharmazeutische Reiseberatung, Migräne, Regelschmerzen, Halsschmerzen, Übelkeit und Kopfschmerzen. Eine Übersicht ist auf der entsprechenden Themenseite zu finden.