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Gichttherapie

Auf die Adhärenz kommt es an

Viele Gichtpatienten nehmen ihr Allopurinol nur bei Bedarf ein, wenn der Zeh wieder weh tut. Das Apothekenpersonal kann ihnen den Nutzen der Medikation erklären. Denn nur Patienten, die wissen, warum, wie und wann sie ihre Arzneimittel einnehmen müssen, bringen die notwendige Adhärenz für eine erfolgreiche Therapie auf.
Barbara Staufenbiel
23.12.2021  09:00 Uhr

Er gilt als Weihnachtsklassiker: Seit 1982 ist im Fernsehen jedes Jahr kurz vor dem 24. Dezember »Der kleine Lord« zu sehen. Der Film handelt von einem hartherzigen, unter Gicht leidenden Earl, der mürrisch und streng gegenüber seinen Untergebenen ist, jedoch durch die Liebe seines Enkels Cedric, des kleinen Lord Fauntleroy, zu einem mitfühlenden Menschen wird.

Galt die Gicht früher als »Krankheit der Könige, des Adels und der Privilegierten«, die gern üppigen Mahlzeiten zusprachen, hat sie sich heute zur Volkskrankheit entwickelt. Seit 1970 hat sich die Erkrankungshäufigkeit verdreifacht. In Deutschland sind derzeit etwa 1 bis 2 Prozent, somit circa 950 000 Menschen, von dieser Erkrankung des rheumatischen Formenkreises betroffen. Doch es gibt einen gravierenden Unterschied zu 1872, dem Jahr also, in dem der britische Fernsehfilm »Der kleine Lord« nach der gleichnamigen Romanvorlage von Frances Hodgson Burnett spielt: Die Krankheit und mit ihr die Schmerzen sind heute behandelbar.

Harnsäurekristalle am falschen Ort

Die Prävalenz eines asymptomatisch erhöhten Harnsäurespiegels (Hyperurikämie) beträgt 15 Prozent. Von Gicht spricht man, wenn neben einem erhöhten Harnsäurespiegel weitere Beschwerden wie Ablagerung von Harnsäure im Gewebe (Tophi) und/oder Schmerzen in Form eines Gichtanfalls hinzukommen.

Die Ursache eines akuten Gichtanfalls ist multifaktoriell und nicht vollständig geklärt. Pathogenetisch spielen scharfkantige Harnsäurekristalle eine große Rolle. Harnsäure ist Endprodukt des Purinstoffwechsels. Täglich werden etwa 700 mg Harnsäure beim Abbau von Körperzellen und Purinen, die über die Nahrung aufgenommen werden, gebildet. Die Purine werden über Hypoxanthin und Xanthin durch das Enzym Xanthinoxidase zu Harnsäure verstoffwechselt, die zu 80 Prozent über die Nieren und zu 20 Prozent über den Darm ausgeschieden wird. In der Niere laufen Sekretion und Rückresorption der Harnsäure parallel ab. Die Ausscheidung wird hauptsächlich über den Urat-Transporter im proximalen Tubulus reguliert.

Die individuelle Ausscheidung ist sehr unterschiedlich. Das Löslichkeitsprodukt der Harnsäure liegt bei einer Temperatur von 37 °C und einem pH-Wert unter 7,4 bei etwa 6,4 mg/dl. In den frühen Morgenstunden sinkt die Körpertemperatur und dann fallen Harnsäurekristalle besonders schnell aus. Betroffen von einem Gichtanfall sind daher vor allem körperferne Gelenke und Gewebe wie Zehen, Finger, Hand, Fuß, Ellenbogen und Ohren.

Harnsäurekristalle im Gewebe provozieren eine Abwehrreaktion des Immunsystems. In Gelenken und Gewebe wandern Leukozyten ein, es kommt zur Phagozytose der Harnsäurekristalle und zur Ausschüttung von Leukotrienen und Zytokinen (Interleukin-1β). Dies verursacht Entzündungen, Schwellung und Schmerzen. Der pH-Wert sinkt, was die erneute Auskristallisation von Natriumurat zur Folge hat. So entsteht ein Teufelskreis (Grafik).

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