Bei Kindern nach der Ursache fahnden |
Bei jeglichen Störungen und Anzeichen von Schmerzen beim Wasserlassen sollte ein Kinderarzt die Ursache abklären. / Foto: Adobe Stock/No-Te
Bis zu einem Alter von sechs Jahren machen 7 Prozent der Mädchen und 1,6 Prozent der Jungen eine Harnwegsinfektion (HWI) durch. Mehr als die Hälfte dieser Kinder erkrankt bis zum dritten Lebensjahr. Danach sind meistens Mädchen betroffen.
Bestimmte Eigenschaften sogenannter uropathogener Bakterien auf der einen Seite, eine verminderte lokale Abwehrfähigkeit des Wirts, Blasenfunktions- und/oder Stuhlentleerungsstörungen und/oder Fehlbildungen des Harntrakts auf der anderen Seite begünstigen eine Keimbesiedelung des Harntrakts. Die Infektion kann auf die Blase beschränkt sein oder die Nieren mit einbeziehen. Wenn Harnwegsinfektionen mit Fieber einhergehen und rezidivierend auftreten, kann ein vesiko-ureteraler oder vesiko-renaler Reflux, also ein Rückfluss von Urin in die Harnleiter oder Nieren, vorliegen. Bei klinischen Anzeichen einer HWI wird eine antibakterielle Therapie empfohlen, um die Krankheitssymptome rasch zu beseitigen und bleibende Nierenschäden zu verhindern.
Dieser Artikel bezieht sich auf die S2k-Leitlinie »Harnwegsinfektionen im Kindesalter« vom August 2021. Bezüglich der Therapiemöglichkeiten fließen die Erfahrungen der Autorin aus der täglichen praktischen Arbeit am Patienten mit ein.
Eine Harnwegsinfektion wird definiert als Besiedelung des Harntrakts mit Infektionserregern, die eine lokale und/oder systemische Entzündungsreaktion hervorrufen. Abzugrenzen sind unter anderem asymptomatische, unkomplizierte, komplizierte und rezidivierende Infektionen (Kasten).
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Asymptomatische Bakteriurie: Diese liegt vor, wenn mikrobiologisch eine bakterielle Harntraktbesiedelung besteht, das Kind aber keine Krankheitssymptome, keine Leukozyten im Urin (Leukozyturie) oder systemische Entzündungsreaktion zeigt. Eine asymptomatische Bakteriurie muss nicht antibakteriell behandelt werden.
Asymptomatische Harnwegsinfektion: Mikrobiologisch liegen eine bakterielle Harntraktbesiedelung und Leukozyten im Urin vor, jedoch keine Krankheitssymptome. Dabei ist zu beachten, dass gerade Kinder mit neurologisch verursachten Blasenfunktionsstörungen, etwa bei der Spina bifida oder bei Querschnittslähmungen, keine Symptome wahrnehmen können. Diese Patienten bedürfen einer besonderen Fürsorge bezüglich Diagnose und Therapienotwendigkeit.
Unkomplizierte Harnwegsinfektion: HWI ohne Fehlbildungen von Nieren- und Harntrakt und ohne Störungen der Nieren- und Blasenfunktion
Komplizierte Harnwegsinfektion: HWI bei Fehlbildungen des Harntrakts und/oder Störungen der Nieren- oder Blasenfunktion. Bei Säuglingen sollte jede HWI als kompliziert eingestuft werden, da bei ihnen die Gefahr der Entwicklung einer Urosepsis besonders hoch ist.
Zystitis: Infektion auf die Blase begrenzt
Pyelonephritis: Bei der Nierenbeckenentzündung ist das Nierengewebe mit betroffen. Aus einer Pyelonephritis kann sich eine Urosepsis entwickeln. Dabei handelt es sich um ein systemisch-entzündliches Syndrom als überschießende Reaktion auf einen Gewebeschaden. Eine Urosepsis kann unbehandelt zum Multiorganversagen und zum Tod führen.
Relaps: Rezidiv mit demselben Keim nach erfolgreicher Therapie einer vorausgegangenen HWI
Re-Infektion: Rezidiv mit einem anderen Keim nach erfolgreicher Therapie einer HWI
Rezidivierende Harnwegsinfektionen: definiert als mindestens zwei Infekte innerhalb von sechs Monaten oder mindestens drei innerhalb eines Jahres
Durchbruchinfektion: HWI, die trotz einer laufenden antibiotischen Langzeitprophylaxe auftritt. Häufigste Ursache ist die inkonsequente Einnahme des Antibiotikums.
Die häufigste Ursache von HWI ist auch bei Kindern die Aszension von Keimen in den Harntrakt; eine hämatogene Streuung ist dagegen selten. In der Regel handelt es sich um Bakterien, die aus dem Darm oder von der Haut stammen. Meist sind Mädchen und Frauen betroffen, weil ihre Harnröhre kürzer ist als die von Jungen und Männern.
Die Anfälligkeit und das Ausmaß bakterieller HWI hängen von der Pathogenität des Erregers und der Abwehrbereitschaft des Wirts ab. So tragen einige uropathogene Escherichia-coli-Stämme als häufigste Verursacher von HWI auf ihrer Oberfläche spezielle Mikrofibrillen, die ihnen ein Eindringen in die Blasenwand erleichtern. Besitzen E.-coli-Stämme keine funktionstüchtigen Pili, sind sie nicht in der Lage, spezifisch am Epithel des Harntrakts zu binden und damit einen Entzündungsprozess zu induzieren. Es resultiert eine asymptomatische Bakteriurie.