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Harnwegsinfektionen

Bei Kindern nach der Ursache fahnden

Harnwegsinfektionen gehören zu den häufigsten bakteriell verursachten Infektionen bei Säuglingen und Kindern, sind aber keineswegs banal. Die Ursachen müssen vom Arzt abgeklärt werden, damit eine spezifische Therapie eingeleitet werden kann. Eine Selbstmedikation ist bei Säuglingen und Kleinkindern nicht vertretbar.
Brigitte Willer
01.05.2022  08:00 Uhr

Bis zu einem Alter von sechs Jahren machen 7 Prozent der Mädchen und 1,6 Prozent der Jungen eine Harnwegsinfektion (HWI) durch. Mehr als die Hälfte dieser Kinder erkrankt bis zum dritten Lebensjahr. Danach sind meistens Mädchen betroffen.

Bestimmte Eigenschaften sogenannter uropathogener Bakterien auf der einen Seite, eine verminderte lokale Abwehrfähigkeit des Wirts, Blasenfunktions- und/oder Stuhlentleerungsstörungen und/oder Fehlbildungen des Harntrakts auf der anderen Seite begünstigen eine Keimbesiedelung des Harntrakts. Die Infektion kann auf die Blase beschränkt sein oder die Nieren mit einbeziehen. Wenn Harnwegsinfektionen mit Fieber einhergehen und rezidivierend auftreten, kann ein vesiko-ureteraler oder vesiko-renaler Reflux, also ein Rückfluss von Urin in die Harnleiter oder Nieren, vorliegen. Bei klinischen Anzeichen einer HWI wird eine antibakterielle Therapie empfohlen, um die Krankheitssymptome rasch zu beseitigen und bleibende Nierenschäden zu verhindern.

Dieser Artikel bezieht sich auf die S2k-Leitlinie »Harnwegsinfektionen im Kindesalter« vom August 2021. Bezüglich der Therapiemöglichkeiten fließen die Erfahrungen der Autorin aus der täglichen praktischen Arbeit am Patienten mit ein.

Entstehung von Harnwegsinfekten

Eine Harnwegsinfektion wird definiert als Besiedelung des Harntrakts mit Infektionserregern, die eine lokale und/oder systemische Entzündungsreaktion hervorrufen. Abzugrenzen sind unter anderem asymptomatische, unkomplizierte, komplizierte und rezidivierende Infektionen (Kasten).

Die häufigste Ursache von HWI ist auch bei Kindern die Aszension von Keimen in den Harntrakt; eine hämatogene Streuung ist dagegen selten. In der Regel handelt es sich um Bakterien, die aus dem Darm oder von der Haut stammen. Meist sind Mädchen und Frauen betroffen, weil ihre Harnröhre kürzer ist als die von Jungen und Männern.

Die Anfälligkeit und das Ausmaß bakterieller HWI hängen von der Pathogenität des Erregers und der Abwehrbereitschaft des Wirts ab. So tragen einige uropathogene Escherichia-coli-Stämme als häufigste Verursacher von HWI auf ihrer Oberfläche spezielle Mikrofibrillen, die ihnen ein Eindringen in die Blasenwand erleichtern. Besitzen E.-coli-Stämme keine funktionstüchtigen Pili, sind sie nicht in der Lage, spezifisch am Epithel des Harntrakts zu binden und damit einen Entzündungsprozess zu induzieren. Es resultiert eine asymptomatische Bakteriurie.

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