Bei Kindern nach der Ursache fahnden |
E. coli ist bei circa 80 Prozent der kleinen Patienten der Hauptverursacher von HWI. E. coli gehört zur Familie der Enterobacteriaceae; es sind gramnegative, nicht sporenbildende, fakultativ anaerobe, begeißelte oder unbegeißelte Stäbchenbakterien. Im Darm von Warmblütern kommen verschiedene Stämme vor; die meisten sind nicht pathogen. Einige Stämme besitzen bestimmte Virulenzfaktoren und können damit zum Beispiel uropathogene Eigenschaften haben. Weitere mögliche Erreger sind andere Enterobakterien, Enterokokken, Staphylokokken (grampositive Bakterien) und Pseudomonas aeruginosa (gramnegativ).
Bei klinischen Zeichen einer HWI wird eine antibakterielle Therapie empfohlen. Oft muss eine kalkulierte Antibiotikumgabe begonnen werden, bevor das Antibiogramm vorliegt. Das bedeutet, dass das eingesetzte Antibiotikum umgestellt werden muss, wenn es sich später als nicht wirksam erweist. Bei der Wahl des Arzneistoffs für eine kalkulierte Therapie sollten die hohen Resistenzraten von E. coli für Trimethoprim (TMP) oder TMP plus Sulfamethoxazol und Amoxicillin berücksichtigt werden.
Antiinfektiva zur peroralen Therapie der unkomplizierten Zystitis im Kindes- und Jugendalter sind Fosfomycin als Einmalgabe (ab dem 12. Lebensjahr), Nitrofurantoin, Trimethoprim mit/ohne Sulfamethoxazol und Amoxicillin plus Clavulansäure (Tabelle 1). Die empfohlene Therapiedauer beträgt drei bis fünf Tage.
Substanz | Bemerkungen |
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Trimethoprim, Trimethoprim plus Sulfamethoxazol | • beide Einzelsubstanzen wirken bakteriostatisch• bei regionaler Resistenzrate von E. coli > 20 Prozent: primärer Einsatz vor Erhalt des Antibiogramms nicht empfohlen• alleiniger Einsatz von Trimethoprim reduziert Nebenwirkungsrate und ist möglich• kontraindiziert bei Früh- und Neugeborenen• Anwendungsbeschränkung bei Säuglingen unter sechs Lebenswochen• Mittel der zweiten Wahl bei Zystitis |
Nitrofurantoin | • bakterizide Wirkung vor allem gegen E. coli und Enterokokken• nach peroraler Gabe gute Resorption und größtenteils unverändert renale Elimination, dadurch hohe Konzentrationen im Urin• kontraindiziert bei Säuglingen unter drei Lebensmonaten wegen Gefahr einer hämolytischen Anämie •empfohlen zur Therapie der unkomplizierten Zystitis und zur Rezidivprophylaxe• wegen schlechter Gewebegängigkeit kein Einsatz bei Pyelonephritis |
Cephalosporine: | • bakterizide Wirkung |
Cefaclor | • keine Empfehlung zur kalkulierten Therapie der Pyelonephritis• wenn sich auslösende Bakterien im Antibiogramm als sensibel erweisen: orale Gabe auch bei Pyelonephritis möglich |
Cefixim, Cefpodoxim | • zur kalkulierten Therapie bei unkomplizierter Pyelonephrititis |
Aminopenicilline: | • bakterizide Wirkung |
Amoxicillin | • keine Empfehlung zur kalkulierten Therapie wegen sehr hoher Resistenzraten bei E. coli• wenn auslösende Bakterien im Antibiogramm als sensibel getestet: Einsatz bei unkomplizierter HWI möglich• wirksam auch gegen Enterokokken |
Amoxicillin plus Clavulansäure | • durch Zusatz von Clavulansäure als Hemmstoff der Penicillinase: Erweiterung des Spektrums von Amoxicillin auf β-Lactamase produzierende Keime wie Staphylococcus aureus, viele Enterobacteriaceae und andere• zur kalkulierten Therapie bei unkomplizierter Pyelonephritis |
Fosfomycin | • bakterizide Wirkung• Einsatz bei unkomplizierter Zystitis bei Mädchen ab 12. Lebensjahr. Hier Mittel der ersten Wahl als Einmalgabe• rasche Resistenzentwicklung |
Nitroxilin | • bakterizide Wirkung gegenüber den meisten gramnegativen und grampositiven bakteriellen Erregern von HWI• Einsatz bei der unkomplizierten Zystitis ab 14. Lebensjahr |
Chinolone: Ciprofloxacin | • bakterizide Wirkung• breites Wirkspektrum gegen gramnegative Bakterien• Reserveantibiotikum bei komplizierten HWI und Pyelonephritis, wenn andere Antibiotika nicht eingesetzt werden können, ab 2. Lebensjahr |
Bei jugendlichen Mädchen mit einer unkomplizierten Zystitis kann laut Leitlinie ein Phytotherapeutikum eingesetzt werden. Allerdings muss darüber aufgeklärt werden, dass die Gefahr der Entwicklung einer Pyelonephritis im Vergleich zur antibakteriellen Therapie erhöht ist.
Die Entscheidung über eine parenterale oder orale Applikation des Antibiotikums hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem vom Alter des Kindes und der Schwere der Erkrankung. Die Tabelle 2 zeigt eine Auswahl (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) an antibakteriellen Wirkstoffen zur parenteralen Therapie einer HWI im Kindesalter.
Wirkstoffe und -klassen | Erläuterungen |
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Aminopenicilline: | • bakterizide Wirkung |
Ampicillin | • keine Empfehlung zur kalkulierten Therapie wegen sehr hoher Resistenzraten bei E. coli• wenn auslösende Bakterien im Antibiogramm als sensibel getestet: Einsatz bei der unkomplizierten HWI möglich• wirksam auch gegen Enterokokken |
Piperacillin plus Tazobactam | • Kombination mit Tazobactam als β-Lactamase-Hemmstoff erweitert das Erregerspektrum• geeignet für die kalkulierte Therapie bei Urosepsis |
Cephalosporine: Cefuroxim, Ceftazidim | • bakterizide Wirkung• Anwendung bei Zystitis, Pyelonephritis |
Chinolone: Ciprofloxacin | • bakterizide Wirkung• breites Wirkspektrum gegen gramnegative Bakterien• zugelassen als Reserveantibiotikum bei komplizierter HWI und Pyelonephritis, wenn andere Antibiotika nicht eingesetzt werden können |
Fosfomycin | • bakterizide Wirkung• Reserveantibiotikum nach Antibiogramm |
Aminoglykoside: Amikacin, Gentamicin, Tobramycin | • Reserveantibiotika• Einsatz bei komplizierter HWI nur, wenn Antibiotika mit weniger Nebenwirkungen (Beispiel Gentamicin) nicht wirksam sind• anwendbar bei Infektionen mit Problemkeimen wie Pseudomonas aeruginosa, Klebsiella, Indol-positive Proteus, Staphylokokken |
Carbapeneme: Imipenem plus Cilastin | • bakterizide Wirkung• sehr breites antibakterielles Wirkspektrum im grampositiven und gramnegativen Bereich• zunehmende Entwicklung Carbapenem-resistenter Enterobakterien (CRE)• Reserveantibiotikum zur Behandlung von schweren HWI und bei multiresistenten Keimen (MRGN) |