Peinlich, peinlich |
18.09.2012 18:36 Uhr |
»Ach du liebe Güte, eine ganze Ausgabe mit Artikeln über Tabuthemen?« »Können wir das unseren Lesern überhaupt zumuten?« Die Skepsis in der Redaktion war groß, als wir uns für das Thema dieser Schwerpunktausgabe entschieden hatten. Denn ein Tabu macht es ja gerade aus, dass sich die meisten Menschen am liebsten nicht damit beschäftigen möchten. Das gilt auch für PZ-Redakteure.
Wir haben uns der Aufgabe gestellt und versucht, kein noch so unangenehmes Thema auszulassen, das einem im Beratungsgespräch in der Apotheke begegnen kann. Denn neben kommunikativem Fingerspitzengefühl (lesen Sie dazu Kommunikation: Wie sag ich’s meinem Kunden?) verleiht vor allem solides Fachwissen über Tabuthemen wie chronische Verstopfung (Chronische Verstopfung: Keine Angst vor Dauermedikation), Stuhlinkontinenz (Stuhlinkontinenz: Peinliches Problem mit vielen Ursachen), Feigwarzen (Feigwarzen: Unschön, aber ungefährlich) und erektile Dysfunktion (Erektile Dysfunktion: Was Mann nicht wahrhaben möchte) Sicherheit im Gespräch.
Menschen, die an körperlichen oder psychischen Tabuerkrankungen leiden, belasten nicht nur die Symptome ihrer Krankheit. Sie haben häufig auch mit Ausgrenzung zu kämpfen, fühlen sich unverstanden und haben niemanden, dem sie sich anvertrauen können. Gerade für sie sollten wir Apotheker ein offenes Ohr haben. Denn einem Heilberufler darf es nicht peinlich sein, ein Tabu anzusprechen. Schämen sollte er sich vielmehr dafür, wenn ihm das nicht gelingt.
In der Gesundheitspolitik ist ein großes Tabu die Priorisierung medizinischer Leistungen. Es ist naiv zu glauben, dass die Segnungen des medizinischen Fortschritts auf Dauer für alle finanzierbar sein werden. Eine ehrliche Diskussion darüber, welche Kriterien für eine Rangfolge der Leistungen gelten sollten, findet aber zurzeit noch nicht statt (Priorisierung: Keine offene Debatte und Priorisierung: Nötig und unabwendbar).
Ein aktuelles Thema, das mit dem Schwerpunkt dieser Ausgabe nichts zu tun hat, ist das Apothekenhonorar. Auch wenn nicht alle Erwartungen erfüllt wurden, hat es hier in der vergangenen Woche doch noch Fortschritte gegeben. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr erläuterte im PZ-Interview, warum der Notdienst in Zukunft deutlich besser bezahlt werden soll (Apothekenhonorar: »Notdienstpauschale stärkt Landapotheke«).
Annette Mende
Redakteurin Pharmazie