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Kommunikation

Wie sag ich´s meinem Kunden?

18.09.2012  16:19 Uhr

Von Sven Siebenand / Ob Inkontinenz, Hämorrhoiden oder erektile Dysfunktion: Beratungsgespräche bei sogenannten Tabuthemen sind nicht immer leicht zu führen. Im Gespräch mit der PZ erklärt Dr. Hiltrud von der Gathen, selbstständige Apothekerin aus Castrop-Rauxel, worauf es dabei ankommt.

PZ: Welche Grundregeln für die Kommunikation zwischen Patient und Apotheker gibt es?

 

von der Gathen: Wichtig ist, Empathie, Einfühlungsvermögen und Verständnis zu zeigen. Grundvoraussetzungen sind ferner Ausredenlassen, Interesse am geäußerten Problem signalisieren und ein freundlicher, offener Gesichtsausdruck. Ein Lächeln kann nie schaden.

PZ: Wie setzt man das am besten um?

 

von der Gathen: Generell ist auf eine leicht zugewandte Körperposition zu achten. Beim Sprechen im Stehen sollte der Abstand zum Gegenüber etwa die Länge des Unterarms betragen. Wird der Abstand kürzer, fühlt sich der Gegenüber bedrängt, ist er größer, wird Distanz aufgebaut. Bei einem Gespräch im Stehen sollte der Berater das Gewicht auf ein Bein verlagern. Frauen machen das meist automatisch. Das zeigt dem Gegenüber Anteilnahme. Wenn allerdings Kompetenz und Sicherheit vermittelt werden sollen, ist die Verlagerung des Gewichts auf beide Beine zu bevorzugen. Die Stimme sollte weich und einfühlsam sein, die Lautstärke eher gedämpft. Auch auf Augenkontakt ist zu achten. Am besten hält man diesen, solange der Patient seine Probleme schildert. Damit wird Interesse signalisiert. Wenn man als Berater redet, sollte man den Blick besser schweifen lassen. Ansonsten fühlt sich der Patient unter Umständen fixiert und in die Enge gedrängt. Grundsätzlich gilt es, für eine diskrete Atmosphäre zu sorgen. Verlassen Sie die Frontalposition hinter dem HV-Tisch und bieten Sie dem Patienten an, den Beratungsraum aufzusuchen. Dort setzt man sich möglichst im rechten Winkel zum Patienten hin und nicht gegenüber. Für den Patienten ist es hilfreich, wenn er an einer gut sichtbaren Stelle in der Offizin einen Hinweis findet, dass er bei dem Wunsch nach einer besonders diskreten Beratung dem Berater einen Hinweis geben kann.

 

PZ: Wie sprechen Apothekenmitarbeiter Tabuthemen richtig an?

 

von der Gathen: Man sollte das ansprechen, was man wahrnimmt. Mögliche Formulierungen könnten sein: »Ich glaube, Sie haben etwas auf dem Herzen.« »Ich sehe, dass Sie etwas bedrückt.« »Ich glaube, es fällt Ihnen schwer, darüber zu sprechen.« »Ich glaube, es ist nicht ganz leicht für Sie . . . «

 

PZ: Welchen Gesprächseinstieg wählt man am besten?

 

von der Gathen: »Wie kann ich Ihnen helfen?« Das ist eine geeignete Einstiegsfrage. Während der Patient redet, sollte man Gesprächsimpulse geben wie »ja« oder »ich verstehe«. Auch eignet sich zur Sicherstellung, dass gesendete und empfangene Botschaft übereinstimmen, die Gesprächstechnik des kontrollierten Dialogs. Dabei werden kurze Passagen des vom Patienten Gesagten wiederholt. Zum Beispiel sagt die Patientin: »Ich habe mir zunächst nichts dabei gedacht, als ich etwas Blut am Toilettenpapier entdeckt habe.« Der Berater wiederholt dann nur die Worte: »Blut am Toilettenpapier«. Dies zeigt dem Gegenüber, dass der Berater konzentriert zuhört und dass er richtig verstanden hat, was dieser geschildert hat. Es sollte immer wieder betont werden, dass die fachgerechte Behandlung auch der eigenen Entlastung dient, dass der Patient sich dann über das Problem keine Sorgen mehr machen muss.

 

PZ: Welche Fragetechniken eignen sich?

 

von der Gathen: Im Gegensatz zu anderen Beratungsgesprächen eignen sich beim Gespräch über Tabuthemen offene Fragen nicht so sehr. Es kann für den Patienten unangenehm oder peinlich sein, wenn sie oder er gefragt wird: »Wie äußern sich die Beschwerden im Vaginalbereich oder wie äußert sich die Impotenz?« Geschlossene Fragen wie »verspüren Sie einen Juckreiz, haben Sie Ausfluss bemerkt, haben Sie bemerkt, dass der Ausfluss riecht, haben Sie die Beschwerden schon einmal gehabt?« sind einfacher zu beantworten.

 

PZ: In der Regel gilt: Nicht zu viele Fachausdrücke verwenden, sondern patientengerecht erklären und Dinge umschreiben: Gilt dies auch bei Tabuthemen?

 

von der Gathen: Es gilt generell, dass der Patient umso eher Empfehlungen folgt, je besser er sich ein Bild von der Wirkung, vom Nutzen machen kann. Gerade bei Tabuthemen ist er geneigt, die Beschwerden nicht ernst zu nehmen oder zu verdrängen. Um ihn zur umfassenden Behandlung zu motivieren, ist darauf zu achten, dass ihm eher erläutert wird, was er durch die Behandlung gewinnt und nicht, was er verhindert. Kritisch zu sehen ist eine Bemerkung wie »Wenn Sie den Fußpilz nicht behandeln, dann breitet der sich am ganzen Körper aus, bis Sie von Kopf bis Fuß ganz verpilzt sind«. Besser wäre: »Wenn Sie den Fußpilz konsequent behandeln, sind Sie vor einer weiteren Ausbreitung sicher geschützt.« Das Ziel der Behandlung ist möglichst lohnenswert darzustellen. Menschen erinnern sich lieber an etwas Positives als an etwas Negatives. Man sollte also tunlichst nicht die Folgen von Non-Compliance möglichst drastisch darstellen und ein grauseliges Menetekel an die Wand malen. Wenn diese Argumentationsform angewandt wird, kann im Patienten das Gefühl hochkommen »Hier will mich einer erziehen«. Er sieht im Geist den drohenden Zeigefinger, den niemand mag.

 

PZ: Wie deuten Apothekenmitarbeiter Signale von Patienten richtig?

von der Gathen: Eine Schulung in Körpersprache hilft, vom Kunden gesendete Signale besser deuten zu können. Es ist zum Beispiel auf gebeugte Körperhaltung, einen gesenkten Kopf und hängende Schultern zu achten.

 

PZ: Sollten »Frauenthemen« besser nur von Frau zu Frau besprochen werden und »Männerthemen« nur unter Männern?

 

von der Gathen: Sicher erleichtert das ein Gespräch. Sollte das nicht möglich sein, kann der Berater darauf verweisen, dass dieses Problem häufig vorkommt und der Patient wahrlich nicht der Einzige ist, der darunter leidet.

 

PZ: Konkret: Welche Formulierungshilfen könnte man sich zum Beispiel für die Beratung zu Hämorhoidalleiden merken?

 

von der Gathen: »Ich sehe, dass Sie die Beschwerden belasten.« »Das ist sicher nicht leicht für Sie, überhaupt darüber zu reden.« »Gut, dass Sie gekommen sind.« »Sie sind nicht der/die Einzige, der/die darüber klagt.« »Von solchen Beschwerden wird mir häufig berichtet.« Dem Patienten ist zu vermitteln, dass das, was für ihn möglicherweise einmalig ist, eine Vielzahl von Menschen betrifft und seine Beschwerden durchaus häufiger vorkommen.

 

PZ: Wie sollte man reagieren, wenn man selbst rot anläuft?

 

von der Gathen: Rotwerden kann man leider nicht beeinflussen. Bei blonden Menschen ist es eher sichtbar als bei dunkelhaarigen, da die Haut die Gefäße eher durchscheinen lässt. Wichtig ist, mögliches Rotwerden einfach zu ignorieren und darauf zu vertrauen, dass sich die Problematik mit zunehmendem Alter bessert.

 

PZ: Tabu Sucht: Wie spricht das pharmazeutische Personal mit Erfolg Patienten an, die offensichtlich von bestimmten Medikamenten abhängig sind?

 

von der Gathen: Wichtig ist der Zaubersatz im HV: »Ich verstehe Sie!« Dieser Satz bedeutet nicht, dass das Tun unproblematisch ist, sondern dass der Berater den Leidensdruck des Patienten anerkennt. Es darf keineswegs der Hinweis kommen, dass das Mittel sofort wegzulassen ist. Das hat der Patient meist schon selbst versucht und festgestellt, dass es nicht geht. Das Angebot könnte lauten: »Ich weiß, dass Sie auf die Anwendung nicht verzichten können. Darf ich Ihnen mal einen Vorschlag machen, was Sie tun können, um es nicht mehr regelmäßig nehmen müssen?« Darauf gibt es zwei Antworten: »Ja!« oder »Nein!« Beide Antworten sind vom Berater zu akzeptieren. Beim Nasentropfen-Abusus kann man dem Patienten zum Beispiel die »Einlochmethode« vorstellen, bei Laxantia-Abusus die Umstellung auf ein Tropfenpräparat. Dieses kann unter gleichzeitiger Anwendung von Macrogol oder Lactulose langsam reduziert werden. Bei aller guten Beratung ist immer im Auge zu behalten, dass wir die Berater unserer Kunden sind und nicht ihre Erzieher. /

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