»Notdienstpauschale stärkt Landapotheke« |
18.09.2012 19:00 Uhr |
Von Daniel Rücker und Ev Tebroke, Berlin / Die Erhöhung der Packungspauschale und die Einführung einer Notdienstpauschale stehen fest. Die Vergütung der Apotheker soll um 310 Millionen Euro pro Jahr angepasst werden. Im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung (PZ) sprach Gesundheitsminister Daniel Bahr über die Details der Honoraranpassung.
PZ: Die Vergütung der Apotheker soll an zwei Stellen angepasst werden: Bei der Packungspauschale und dem Notdienst. Ist das verbindlich?
Bahr: Nach einer längeren Diskussion innerhalb der Regierung bin ich froh, dass wir jetzt eine klare Entscheidung haben. Beide Regelungen sind innerhalb der Regierung und auch mit den Fraktionen abgestimmt. Das Paket wird jetzt auf den Weg kommen.
PZ: Die Pauschale für den Notdienst soll ein Volumen von 120 Millionen Euro haben. Nach welchem Mechanismus wird die Pauschale funktionieren?
Bahr: Bislang steht das Volumen von 120 Millionen Euro fest. Die Details müssen wir noch erarbeiten. Ich lade die Apotheker ein, sich mit Vorschlägen daran zu beteiligen. Wir beginnen hier eine völlig neue Systematik, denn bis-her gab es eine solche pauschale Vergütung nicht, in die alle Krankenkassen mit einbezogen waren. Deshalb brauchen wir noch etwas Zeit, um die Regelung zu erarbeiten.
PZ: Wissen Sie denn schon, wie hoch die Pauschale für die Apotheker sein wird? Angeblich sollen 200 Euro geplant sein.
Bahr: Die genaue Höhe der Vergütung ist noch offen. Das ist auch ziemlich kompliziert. Wir müssen nicht nur eine neue Systematik entwickeln, wir müssen auch berücksichtigen, dass wir sehr unterschiedliche Öffnungszeiten der Apotheken haben, die sich teilweise mit den Notdienstzeiten überschneiden. Es gibt in Städten Apotheken ,die bis 22 oder 24 Uhr geöffnet sind, obwohl sie keinen Notdienst haben. Hier wollen wir Fehlanreize vermeiden.
PZ: Die einzelnen Dienste sind unterschiedlich lang. Wäre da nicht eine stundenweise Honorierung günstiger?
Bahr: Auch hier sage ich: So weit sind wir noch nicht. Es gibt viele Modelle. Wir werden uns die Zeit nehmen, in Ruhe eine gute Lösung zu erarbeiten.
PZ: Zwischenzeitlich sah es so aus, als wolle die Regierung die Honorierung der Apotheker nur an einer Stelle anpassen. Warum haben Sie sich dann doch noch für eine zweite Änderung entschieden?
Bahr: Wir sehen, dass der Notdienst in Deutschland ungleich verteilt ist. Das ist ungerecht, weil er in vielen Fällen nicht kostendeckend ist. Apotheken auf dem Land sind hier im Nachteil, weil sie viel häufiger Notdienst haben als Stadtapotheken. Eine kostendeckende Vergütung des Notdienstes ist deshalb sinnvoll und stärkt vor allem die Landapotheken.
PZ: Die Apotheker haben auch eine bessere Honorierung für die Abgabe von Betäubungsmitteln und die Anfertigung von Rezepturen gefordert. Halten Sie diese Forderungen für nicht berechtigt?
Bahr: Es lagen viele Forderungen auf dem Tisch. Sie haben ja erlebt, wie lange Philipp Rösler und ich brauchten, bis wir ein Einvernehmen in der Regierung hatten, dass der Festzuschlag wirklich angepasst wird. Für alle Forderungen der Apotheker gibt es sicherlich Gründe, aber man muss Prioritäten setzen. Erstmals hat eine Regierung anerkannt, dass es beim Festzuschlag eine Anpassung braucht, jetzt packt die Koalition auch noch die Notdienste an. Damit haben wir einiges vorangebracht in dieser Legislaturperiode.
PZ: Halten Sie die Gesamtvergütung für Apotheker nun für angemessen?
Bahr: Ich halte die Vergütung im Durchschnitt für auskömmlich. Ich sehe, dass einige Apotheken auch gutes Geld verdienen können. Ich weiß aber, dass es natürlich auch Apotheken gibt, denen es wirtschaftlich nicht gut geht. Darunter sind übrigens viele Filialapotheken. Die ABDA hat sich selbst heftig gegen diese Filialapotheken gewehrt. Jetzt werden viele geschlossen.
PZ: Das ist nur ein schwacher Trost für Apotheker. Viele halten die Vergütung immer noch nicht für ausreichend, deshalb gab und gibt es ja auch die Proteste. Viele Apotheker bewerten die Angemessenheit der Vergütung offensichtlich anders als die Bundesregierung.
Bahr: Auch kommende Regierungen müssen die Apothekervergütung nach einer gewissen Zeit wieder auf den Prüfstand stellen.
Fotos: PZ/Zillmer.
Bahr: Ich glaube die Erwartungen, die die Organisationen der Apotheker geweckt haben, passten nicht zu den Gesprächen, die wir geführt haben. Ich habe immer gesagt, dass nicht nur die Kostenentwicklung berücksichtigt werden kann. Das gibt es in keiner Berufsgruppe. Bei allen Gebührenordnungen für freie Berufe wird auch die Ertragsentwicklung betrachtet. Heute werden 10 Prozent mehr Packungen abgegeben als 2004. Wenn man eine Vergütung pro Packung als Festzuschlag will, dann muss natürlich auch berücksichtigt werden, wenn mehr Packungen abgegeben werden.
Während SPD und Grüne Apothekenketten wollen, stehen FDP und Union klar für die inhabergeführte Apotheke vor Ort. Diese Koalition hat mehr getan als Vorgängerregierungen. Wir haben die Honorierung erhöht, wir haben für Chancengleichheit mit ausländischen Versandapotheken gesorgt und die Apothekenbetriebsordnung novelliert. Welche Regierung kann dies schon vorweisen?
PZ: Wie geht es weiter? Treten zum 1. Januar beide Regelungen in Kraft?
Bahr: Die Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung auf 8,35 Euro wird zum 1. Januar 2013 kommen. Bei der Notdienstvergütung werden wir auch mit Hochdruck an einer Lösung arbeiten, die dann schnell kommt. Im Gegensatz zur Preisverordnung werden bei der Notdienstvergütung Bundestag und Bundesrat mitberaten, weil hier eine Gesetzesänderung notwendig ist.
PZ: Die Apotheker wünschen sich eine systematische Überprüfung der Honorierung. Wird es einen Mechanismus geben?
Bahr: Nein, es wird keinen Automatismus zum Inflationsausgleich geben. Nach unserer Entscheidung ist nun aber klar: Auch kommende Regierungen müssen nach einer gewissen Zeit die Apothekervergütung wieder auf den Prüfstand stellen und gegebenenfalls anpassen.
PZ: Enorm wichtig für die wirtschaftliche Lage der Apotheken sind auch die Verhandlungen zum Kassenabschlag für 2013. Viele Politiker der Koalition haben schon gesagt, diese Verhandlungen müssten auf der Vor-AMNOG-Basis von 1,75 Euro starten. Wie sehen Sie das?
Bahr: Die meisten Sparmaßnahmen des AMNOG waren zeitlich befristet, das gilt auch für den Abschlag. Basis für Verhandlungen kann daher nicht die Sparmaßnahme sein. Für die Verhandlungen an sich sind dann Apotheken und Krankenkassen zuständig. Klar ist, dass die Kostenentwicklung nur einmal berücksichtigt werden kann. In der Verordnung ist geregelt, dass das, was in die Preisverordnungsanpassung eingeflossen ist, nicht auch noch beim Abschlag berücksichtigt werden kann.
PZ: Die Verhandlungen für 2013 fangen also definitiv bei 1,75 Euro an?
Bahr: Die 1,75 Euro müssen endlich gerichtsfest sein. Sollten die Richter in ihrem endgültigen Urteil zu einem anderen Betrag kommen, dann kann man dies nicht ignorieren. Ich glaube aber, dass die 1,75 Euro bestätigt werden.
Ich halte nichts davon, den Abschlag gesetzlich zu regeln. Ich bin ein Anhänger der Selbstverwaltung. Apotheker, Kassen und Ärzte sollen ihre Belange selbst regeln. Es wäre gut, wenn ein Schiedsspruch auch akzeptiert wird. /