Affenpocken |
Das Affenpockenvirus (Monkeypox virus, MPXV) ist ein Vertreter der Gattung Orthopoxvirus aus der Familie Poxviridae (Pockenviren). Diese relativ großen Viren besitzen ein doppelsträngiges DNA-Genom. Das MPXV-Genom enthält 197.000 Basenpaare. MPXV löst die Affenpockenerkrankung aus.
Pockenviren sind in der Familie Poxviridae zusammengefasst. Die Vertreter dieser Familie gehören zu den größten bekannten Viren. Sie können bei ihrer rechteckigen bis ovalen Form eine Größe von 200 bis 400 nm erreichen und sind daher auch in einem sehr guten Lichtmikroskop zu erkennen.
Die bekanntesten Vertreter dieser Familie sind das Variolavirus (VARV), dem Erreger der Menschenpocken, das Vacciniavirus (VACV), das zur Impfung gegen Menschenpocken bis zu deren Ausrottung eingesetzt wurde, das Kuhpockenvirus (CPXV) und das Affenpockenvirus (MPXV).
Es handelt sich um behüllte Viren, die neben dem Kapsid noch eine Hülle mit einem äußeren und inneren Teil besitzen. Alle zur Familie der Poxviridae gehörenden Viren verfügen über viruskodierte Enzyme, die unter anderem die mRNA-Synthese in der Wirtszelle katalysieren.
Das doppelsträngige DNA-Molekül (DNA-Viren) ist linear organisiert und besitzt eine Größe von etwa 130.000 bis 375.000 Basenpaaren.
Die Replikation des viralen Genoms findet nicht etwa im Zellkern, sondern im Zytoplasma statt, nachdem das endoplasmatische Retikulum des Wirts umgebaut wurde und die Ribosomen des Wirts zur Herstellung von Komponenten der Virionen umprogrammiert wurden. So entstehen regelrechte »Virionfabriken«.
Die neu gebildeten Viruspartikel werden schließlich durch Verschmelzung mit der Zellmembran freigesetzt.
Ursprünglich wurde das Affenpockenvirus 1958 bei Affen nachgewiesen. Das Virus ist ein typisch zoonotischer Erreger, der in vielen Tierarten in tropischen Wäldern in West- und Zentralafrika vorkommt, darunter Eichhörnchen, Ratten und einige Beuteltiere. Wahrscheinlich sind nicht Affen, sondern Nagetiere die Hauptwirte der Affenpockenviren.
Im Jahr 1970, als die Pocken fast ausgerottet waren, wurde ein bis dahin unbekanntes Orthopoxvirus beim Menschen entdeckt.
Dieser erste bekannte Fall beim Menschen trat in der Provinz Equateur in Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) auf, als ein neun Monate alter Junge eine pockenähnliche Krankheit entwickelte, die schließlich von der Weltgesundheitsorganisation als Affenpocken beim Menschen bestätigt wurde.
Bisher wurden zwei unterschiedliche Typen von Affenpockenviren identifiziert. Sie sind nach ihrem jeweiligen Fundort als »westafrikanische Variante« und »zentralafrikanische Variante« benannt. Die im aktuellen Ausbruch bislang nachgewiesene westafrikanische Variante verursacht weniger schwere Verläufe als die zentralafrikanische Form.
Da Affenpockenviren im Gegensatz zu den Coronaviren kein RNA- sondern ein DNA-Genom besitzen, kann man davon ausgehen, dass sich Affenpockenviren weniger schnell verändern werden als etwa Corona- oder Grippeviren, die zu den RNA-Viren zählen.
Bis zum Frühjahr 2022 wurden außerhalb Afrikas nur vereinzelte (importierte) Erkrankungen in Israel, Großbritannien, Singapur und den USA entdeckt. So wurde im Juli 2021 in Dallas, Texas, ein Fall von Affenpocken bei einem Reisenden aus Nigeria gemeldet. Später, im November desselben Jahres, wurde in Maryland eine zweite Infektion bei einem Reisenden bestätigt, der aus Nigeria zurückgekehrt war.
Anfang Mai 2022 meldete das Vereinigte Königreich neun Fälle von Affenpocken, wobei der erste identifizierte Patient ebenfalls nach Nigeria gereist war. Von diesem Indexfall ausgehend gab es zwei bestätigte Übertragungen innerhalb der Familie des Patienten, auf einen anderen Erwachsenen und ein Kleinkind. Auch in anderen Ländern Europas wie Portugal, Spanien und Deutschland traten in den folgenden Tagen Fälle auf. In den USA gab das Massachusetts Department of Public Health am 18. Mai 2022 einen bestätigten Fall von Affenpocken bei einem erwachsenen Mann bekannt, der vor kurzem Kanada besucht hatte.
Dieser aktuelle Ausbruch entwickelt sich weiterhin schnell. Den Verlauf der Infektionszahlen weltweit und in den betroffenen Ländern findet man hier.
Die Übertragung vom Tier auf den Menschen kann durch Tierbiss oder durch direkten Kontakt mit den Körperflüssigkeiten eines infizierten Tieres erfolgen.
Mit dem Affenpockenvirus infizierte Menschen sind ansteckend, solange sie Symptome zeigen. Um sich anzustecken, ist ein enger Kontakt über Haut oder Schleimhäute mit einer infizierten Person erforderlich. Durch Aerosole wird das Virus nicht übertragen, aber über Tröpfchen. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) gilt ein längerer ungeschützter Face-to-Face-Kontakt in einem Abstand von unter 1 Meter als potenzielle Ansteckungsmöglichkeit.
Die Übertragung erfolgt durch direkten Hautkontakt und durch die Kontamination mit Körperflüssigkeiten, darunter Speichel (beim Küssen), Sperma oder Blut. Besonders infektiös ist das Sekret in den Pusteln, in dem sich Millionen von Viren befinden. Mit diesem Sekret kann man sich auch beim Sex mit Kondom kontaminieren, sodass Kondome per se nicht vor einer Ansteckung während des Geschlechtsverkehrs schützen. Auch über gemeinsam benutzte kontaminierte Gegenstände wie Handtücher oder Besteck, kann man sich infizieren.
Für Infizierte wurde generell eine Isolation von mindestens 21 Tagen angeordnet, um die weitere Verbreitung des Virus zu verhindern.
Die Inkubationszeit beträgt laut Angaben des Robert-Koch-Instituts zwischen fünf und 21 Tage. Sie kann sich aber je nach Übertragungsweg des Erregers unterscheiden. Eine niederländische Studie hat für die niederländischen Affenpockenfälle des aktuellen Ausbruchs eine mittlere Inkubationszeit von 8,5 Tagen ermittelt. Dies deutet daraufhin, dass die Übertragung invasiv stattfindet – also über geschädigte Haut oder Schleimhäute. Bei diesem Transmissionsweg beträgt die durchschnittliche Inkubationszeit 9 Stunden, bei nicht invasiver Übertragung (über intakte Haut oder über Tröpfchen) liegt der Wert bei 13 Stunden.
Typisch für eine Infektion mit Affenpockenviren sind Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Abgeschlagenheit zusammen mit charakteristischen Hautveränderungen: Der Ausschlag beginnt in der Regel innerhalb von ein bis drei Tagen nach Beginn des Fiebers. Die Läsionen können flach oder leicht erhaben sein. Sie sind mit einer klaren oder gelblichen Flüssigkeit gefüllt. Mit Fortschreiten der Erkrankung trocknen die Pusteln ein, verkrusten und fallen schließlich ab. Es können Narben zurückbleiben, außerdem kann eine bakterielle Superinfektion der Pusteln auftreten.
Die Anzahl der Läsionen bei einer Person kann von einigen wenigen bis zu mehreren Tausend reichen. In der Regel ist die Krankheit selbstlimitierend, sie heilt nach wenigen Wochen von selbst aus. Sie kann aber auch in Einzelfällen zu Komplikationen und Tod führen. Zu den Komplikationen zählen Hirnhautentzündung, Augeninfektionen und Lungenentzündung. Besonders gefährdet für schwere Verläufe sind Kinder, Hochaltrige und Personen mit einem geschwächten Immunsystem.
Die westafrikanische Variante ist deutlich weniger gefährlich als die zentralafrikanische. Bei der westafrikanischen Variante wird eine Sterberate von 1 Prozent, bei der zentralafrikanischen Variante von 10 Prozent angenommen. Diese relativ hohen Sterberaten könnten in entwickelten Ländern deutlich niedriger liegen.
Gerade in der Anfangsphase werden Infektionen mit Affenpockenviren oftmals nicht erkannt. Doch sobald die Betroffenen Symptome aufweisen, sind sie ansteckend.
Bevorzugt sind das Gesicht, die Handflächen und die Fußsohlen von dem Ausschlag betroffen. Pusteln können aber auch am Mund, an den Genitalien und an den Augen auftreten. Nach zwei bis vier Wochen verschwinden diese Ausschläge in der Regel wieder.
Einer niederländischen Untersuchung zum aktuellen Affenpocken-Ausbruch zufolge treten die Pusteln vor allem in der Anal- und Genitalregion auf.
Der Pharmakonzern Roche hat PCR-Tests zur Erkennung des Affenpockenvirus entwickelt.
Die Serologie ist aufgrund der immunologischen Kreuzreaktivität zwischen humanpathogenen Orthopoxviren nur von begrenztem Wert, obwohl sie zum Ausschluss einer kürzlich erfolgten Orthopoxvirus-Infektion nützlich sein kann.
Insgesamt wird bei Verdacht auf Affenpocken aufgrund der charakteristischen Symptome Hautausschlag, Fieber und Kopf- und Muskelschmerzen und bei Tierkontakten, entsprechender Reiseanamnese oder Kontakt mit nachweislich mit Affenpocken infizierten Menschen ein Erregernachweis durchgeführt. Dieser ist aus Hautproben oder Pustelinhalt mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) oder Virusanzucht möglich.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) empfiehlt zum Schutz vor einer Ansteckung spezielle Hygienemaßnahmen – für die Isolation zu Hause oder in der Klinik. Kontaktpersonen von Infizierten sollen vor allem auf eine gute Händehygiene achten. Es sollten möglichst Einmalhandtücher verwendet werden. Keinesfalls sollten Handtücher von mehreren Personen genutzt werden. Bedenken sollte man auch, dass eine Infektion über Bettwäsche oder benutzte Gegenstände wie Gläser und Besteck möglich ist.
Häufig benutzte Gegenstände und Oberflächen sollten regelmäßig mindestens einmal täglich und Waschbecken und Toilette nach jeder Benutzung mit Haushaltsreinigern geputzt und gegebenenfalls zusätzlich desinfiziert werden.
Es gibt auch eine gegen Pocken zugelassene Impfung, die gegen Affenpocken schützt. Dabei handelt es sich um den Lebendimpfstoff Imvanex® von Bavarian Nordic. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt diese Impfung als Postexpositionsprophylaxe für Kontaktpersonen von Affenpockenpatienten und als Schutzimpfung (Indikationsimpfung) für Personen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko. Hierzu zählt medizinisches Personal, das Affenpockenpatienten betreut, Laborpersonal, das in Kontakt mit infektiösem Material kommen kann, und Männer, die Sex mit Männern haben, da diese die bisher größte Gruppe unter den Affenpockenpatienten ausmachen.
Ja. Als einziger Wirkstoff ist bisher Tecovirimat (Tecovirimat Siga®) in der EU zur Behandlung von Patienten mit Affenpocken zugelassen. Das Virostatikum kann die Erholungsphase verkürzen und das Komplikationsrisiko senken. Da die Erkrankungen in der Regel mild und selbstlimitierend sind, sollte ein Einsatz Experten zufolge nur bei Risikopatienten wie etwa Immunsupprimierten erwogen werden. Die Zulassung für das Virostatikum Brincidofovir zur Behandlung der Affenpocken wird von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA derzeit geprüft.
Fieber und Schmerzen können symptomatisch behandelt werden. Unter keinen Umständen sollten die Pusteln aufgekratzt werden. Den Juckreiz kann man Antihistaminika stillen. In schweren Fällen kann ein Vaccinia-Immunglobulin (VIG) eingesetzt werden.
Derzeit gibt es in der EU keinen Impfstoff, der speziell für den Einsatz gegen das Affenpockenvirus zugelassen ist. Allerdings gibt mehrere Pockenimpfstoffe, die auch einen gewissen Schutz vor Affenpocken bieten.
Pockenimpfstoffe der ersten und zweiten Generation, die aus replikationsfähigen Lebendviren bestehen und im Rahmen des Pocken-Eradikationsprogramms verabreicht wurden, bieten einen wirksamen Schutz gegen MPX. Diese Impfstoffe sind jedoch nicht mehr erhältlich. Somit sind Menschen unter 40 oder 50 Jahren in der Regel nicht durch eine Impfung geschützt.
Ein Pockenimpfstoff der dritten Generation, der Pockenimpfstoff Imvanex® des dänisch-deutschen Impfstoffherstellers Bavarian Nordic (MVA-BN), war für Personen entwickelt worden, bei denen frühere Versionen des Pockenimpfstoffs kontraindiziert waren. Hier besteht das Antigen aus Modifizierten Vaccinia Ankara (MVA) Viren, die die Fähigkeit zur Replikation in Primatenzellen verloren haben. Dieser Impfstoff hat ein wesentlich günstigeres Sicherheitsprofil als frühere Generationen von Pockenimpfstoffen.
Imvanex ist in Europa für die Immunisierung gegen Pocken bei Erwachsenen ab 18 Jahren zugelassen und wurde 2018 im Vereinigten Königreich off label eingesetzt, nachdem dort Affenpockenvirus-Infektionen festgestellt worden waren. In den USA und in Kanada hat es untern den Handelsnamen Jynneos® beziehungsweise Imvamune® eine Zulassung für die Indikationen Pocken und Affenpocken.
Derzeit prüft die EMA eine Zulassungserweiterung für Imvanex auf Affenpocken. Imvanex könnte für Ringimpfungen eingesetzt werden, bei denen Kontaktpersonen von Infizierten geimpft werden, um die Weiterverbreitung des Erregers zu reduzieren.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt trotz fehlender Zulassung des Impfstoffs für die Indikation Affenpocken bereits eine Imvanex-Impfung als Postexpositionsprophylaxe für Kontaktpersonen von Affenpockenpatienten und als Schutzimpfung (Indikationsimpfung) für Personen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko. Hierzu zählt medizinisches Personal, das Affenpockenpatienten betreut, Laborpersonal, das in Kontakt mit infektiösem Material kommen kann, und Männer, die Sex mit Männern haben, da diese die bisher größte Gruppe unter den Affenpockenpatienten ausmachen.