Jetzt zählt jede Sekunde! |
Bei Patienten mit VHF sollte der Arzt zur Primärprävention des Schlaganfalls klären, wie hoch das Risiko ist, innerhalb der nächsten zehn Jahre einen Schlaganfall zu erleiden. Für die Risikoabschätzung gibt es etablierte Skalen wie den CHA2DS2-VASc-Score. Da orale Antikoagulanzien auch Blutungskomplikationen auslösen können, sollten Arzt und Patient gemeinsam über die Behandlung entscheiden.
Für Patienten mit VHF, die mindestens zwei Punkte im CHA2DS2-VASc-Score erreichen, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie eine orale Gerinnungshemmung mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK: Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban sowie Dabigatran), ersatzweise auch mit Cumarinen (VKA) wie Phenprocoumon und Warfarin bei Klappenerkrankungen. In der Sekundärprävention sind orale Antikoagulanzien zwingend geboten (Tabelle 2).
Behandlung | Durchschnittliche relative Risikoreduktion (Prozent) | NNT zur Prävention von einem Schlaganfall/Jahr mit Behinderung oder Todesfolge |
---|---|---|
Antihypertensiva | –28 | 42 bis 51 |
Statine | –16 bis 35 | 57 bis 59 |
orale Antikoagulation bei VHF | –62 | 13 |
Rauchen einstellen | –33 | 43 |
ASS | –13 | 77 |
Clopidogrel | –15 | 64 |
ASS plus Dipyramidol | –38 | 33 |
Operation einer hochgradigen Carotisstenose | –44 | 26 |
Derzeit wird international diskutiert, ob VKA oder DOAK besser geeignet sind, um VHF-assoziierte Schlaganfälle und allgemein die Mortalität bei VHF zu reduzieren. Patienten, die stabil und komplikationslos auf VKA eingestellt sind, sollten nicht umgestellt werden. Dagegen plädieren verschiedene Fachgesellschaften bei der Neueinstellung für DOAK aufgrund des niedrigeren intrakraniellen Blutungsrisikos.
Vor Therapiebeginn und regelmäßig während der Behandlung sollte die Nierenfunktion überprüft werden und ein Interaktionscheck erfolgen. Die Komedikation von DOAK mit starken P-Glykoprotein-Inhibitoren oder -Induktoren sollte vermieden werden, ebenso der Einsatz bei Patienten mit mechanischen Herzklappen, Dialyse und Mitralklappenstenose (4). DOAK, vor allem Apixaban, werden häufig unterdosiert; daher ist besonders auf die adäquate Dosierung zu achten.
Auch wenn der Schlaganfall eine Erkrankung des höheren Lebensalters ist, trifft er in Deutschland jedes Jahr 30.000 Menschen vor dem 55. Lebensjahr. Nur 40 Prozent kehren an ihren ursprünglichen Arbeitsplatz zurück, etwa ein Drittel bleibt dauerhaft arbeitsunfähig. Bei diesen »juvenilen« Schlaganfällen ist das Ursachenspektrum breiter und anders verteilt als beim älteren Menschen. Etwa ein Viertel kann auf eine kardiale Embolie zurückgeführt werden, wenngleich VHF mit 5 Prozent deutlich seltener als beim älteren Menschen ist.
Kontrovers diskutiert wird die Rolle eines persistierenden Foramen ovale (PFO), einem Relikt aus der Embryonalzeit und bei circa 25 Prozent der gesunden Bevölkerung vorhanden. Jedoch wird es bei 30 bis 50 Prozent der jungen Insultpatienten nachgewiesen (7), sodass bei fehlenden anderen Ursachen ein Zusammenhang vermutet wird.
Eine weitere häufige Ursache juveniler Schlaganfälle ist mit 10 bis 25 Prozent die spontane zervikale Gefäßdissektion, hervorgerufen durch ein Hämatom in der Gefäßwand (8). Neben einer genetischen Prädisposition spielen Umweltfaktoren wie Bagatelltraumen oder Infektionen eine ursächliche Rolle. Bei circa 15 Prozent der Patienten bestehen sogar multiple Dissektionen, die mehr als eine Halsarterie betreffen. Da 70 bis 80 Prozent der Dissektionen unbehandelt zu einem Hirninfarkt führen, sind das rasche Erkennen und die frühzeitige Therapie entscheidend.
Daneben gibt es noch eine Reihe seltener Ursachen wie Gefäßentzündungen (Vaskulitiden) oder Drogenkonsum. Migräne, besonders in Verbindung mit einer Aura, erhöht das Risiko etwa um den Faktor 2 bis 3. Das gilt vor allem für Frauen unter 45 Jahren. Mit der Zahl der Migräneattacken steigt das Risiko, das durch Rauchen und die Einnahme oraler Kontrazeptiva weiter potenziert wird (9).
Beobachtungsstudien legen zudem einen Zusammenhang zwischen Estrogenen und der Schlaganfallinzidenz nahe. Auch die Applikationsform scheint eine Rolle zu spielen: Es treten weniger vaskuläre Ereignisse bei der transdermalen Applikation im Vergleich zur oralen Einnahme auf. Frauen mit zusätzlichen Risikofaktoren wie Migräne mit Aura oder Zigarettenrauchen sollten daher keine oralen Estrogen-haltigen Kontrazeptiva einnehmen, sondern mit reinen Progesteron-Präparaten (»Minipillen«) oder nicht hormonell verhüten.
Wird zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden nach der Menopause eine Hormonersatztherapie (HRT) gewünscht, ist eine Nutzen-Risiko-Abwägung nötig. Nach einem Schlaganfall sollte eine HRT beendet werden.
Auch wenn 25 bis 50 Prozent der juvenilen Schlaganfälle kryptogen bleiben, gewinnen die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren in den letzten Jahren an Bedeutung. So wurde in einer großen US-amerikanischen Beobachtungsstudie gezeigt, dass sich die Zahl der Personen mit drei bis fünf Risikofaktoren innerhalb einer Dekade nahezu verdoppelt hat. Dies unterstreicht eindrücklich die Beobachtungen auf deutschen Stroke Units, dass zunehmend jüngere Menschen wegen eines Schlaganfalls stationär behandelt werden müssen (10).
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.