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Vegane Arzneimittel

Ist das vom Tier?

Immer mehr Menschen verzichten auf Nahrungsmittel tierischen Ursprungs – aus gesundheitlichen, ökologischen oder moralischen Gründen. Da Veganismus nicht auf die Ernährung beschränkt ist, stellt sich auch bei Arzneimitteln häufiger die Frage: Ist das vom Tier?
Kirsten Anschütz
30.04.2023  08:00 Uhr

Bei einigen Wirk- und Hilfsstoffen ist das sofort ersichtlich: Heparin oder Fischölkapseln sind genauso tierischen Ursprungs wie generell alle Präparate mit Gelatine oder Lactose. Weniger eindeutig wird es etwa, wenn im Rahmen der Gewinnung oder Herstellung mit Stoffen tierischen Ursprungs gearbeitet wird, die im Endprodukt dann nicht mehr vorhanden sind.

Für vegetarisch lebende Menschen ist die Einteilung relativ klar: Sie verzichten bei der Ernährung auf Produkte von Tieren, die für die Verwendung getötet werden. So meiden sie häufig etwa Gelatine, die aus Häuten und Knorpeln von Schlachttieren gewonnen wird, während Honig normalerweise kein Problem darstellt. Beim Veganismus ist die Abgrenzung schwieriger, da es bisher keine gesetzliche Definition des Begriffes gibt. Einige Gruppierungen legen ihn so aus, dass keine Produkte aus tierischer Quelle im Endprodukt enthalten sein dürfen. Sehr viel häufiger gilt aber der Wunsch, dass auch im Rahmen der Herstellung keine Produkte tierischen Ursprungs verwendet wurden, auch wenn diese ohnehin als Nebenprodukt angefallen sind.

Noch weiter gehen manche vegan lebenden Menschen mit der Bedingung, dass weder mit den fertigen Produkten noch mit den enthaltenen Einzelsubstanzen Tierversuche durchgeführt worden sind. Im medizinischen Bereich ist gerade Letzteres kaum möglich, da solche Versuche hierzulande zur Erlangung einer Arzneimittelzulassung vom Gesetzgeber gefordert werden. In den USA hat die Arzneimittelbehörde FDA erst vor Kurzem die Tierversuchspflicht in der Arzneimittelentwicklung abgeschafft.

Wo genau zieht man also die Grenze, welches Produkt tatsächlich vegan ist? Die einzig sichere Möglichkeit für das Apothekenpersonal ist, im Einzelfall zu besprechen, welche Anforderungen in Bezug auf die Verwendung von Bestandteilen tierischen Ursprungs an ein Arzneimittel gestellt werden. Manchmal kann das Apothekenteam hier durch einen Wechsel der Arzneiform eine vegane Alternative anbieten, aber oft ist das mangels Angebot nicht möglich. Es gibt allerdings auch viele vegan lebende Menschen, die für benötigte Arzneimittel eine Ausnahme machen. Auch das lässt sich im Einzelfall klären.

Im Falle eines Austausches, zum Beispiel von gelatinehaltigen Kapseln auf eine Tablette ohne Bestandteile tierischen Ursprungs, sind auf einem Kassenrezept die Regeln der Austauschbarkeit und der Rabattverträge zu beachten. Im Zweifelsfall könnte die Angabe von pharmazeutischen Bedenken – also die Gefährdung des Therapieerfolgs durch Non-Compliance – den gewünschten Austausch ermöglichen und muss auf dem Rezept entsprechend begründet werden. Letztlich liegt die Verantwortung aber beim Abgebenden, da es keine eindeutigen Angaben gibt, welche pharmazeutischen Bedenken die GKV akzeptiert.

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