Ist das vom Tier? |
Kirsten Anschütz |
30.04.2023 08:00 Uhr |
Vitamin D3 wird fast ausschließlich aus Schafwolle gewonnen. Es ist dann als vegetarisch, nicht aber als vegan einzustufen. / Foto: Getty Images/clickhere
Bei einigen Wirk- und Hilfsstoffen ist das sofort ersichtlich: Heparin oder Fischölkapseln sind genauso tierischen Ursprungs wie generell alle Präparate mit Gelatine oder Lactose. Weniger eindeutig wird es etwa, wenn im Rahmen der Gewinnung oder Herstellung mit Stoffen tierischen Ursprungs gearbeitet wird, die im Endprodukt dann nicht mehr vorhanden sind.
Für vegetarisch lebende Menschen ist die Einteilung relativ klar: Sie verzichten bei der Ernährung auf Produkte von Tieren, die für die Verwendung getötet werden. So meiden sie häufig etwa Gelatine, die aus Häuten und Knorpeln von Schlachttieren gewonnen wird, während Honig normalerweise kein Problem darstellt. Beim Veganismus ist die Abgrenzung schwieriger, da es bisher keine gesetzliche Definition des Begriffes gibt. Einige Gruppierungen legen ihn so aus, dass keine Produkte aus tierischer Quelle im Endprodukt enthalten sein dürfen. Sehr viel häufiger gilt aber der Wunsch, dass auch im Rahmen der Herstellung keine Produkte tierischen Ursprungs verwendet wurden, auch wenn diese ohnehin als Nebenprodukt angefallen sind.
Noch weiter gehen manche vegan lebenden Menschen mit der Bedingung, dass weder mit den fertigen Produkten noch mit den enthaltenen Einzelsubstanzen Tierversuche durchgeführt worden sind. Im medizinischen Bereich ist gerade Letzteres kaum möglich, da solche Versuche hierzulande zur Erlangung einer Arzneimittelzulassung vom Gesetzgeber gefordert werden. In den USA hat die Arzneimittelbehörde FDA erst vor Kurzem die Tierversuchspflicht in der Arzneimittelentwicklung abgeschafft.
Wo genau zieht man also die Grenze, welches Produkt tatsächlich vegan ist? Die einzig sichere Möglichkeit für das Apothekenpersonal ist, im Einzelfall zu besprechen, welche Anforderungen in Bezug auf die Verwendung von Bestandteilen tierischen Ursprungs an ein Arzneimittel gestellt werden. Manchmal kann das Apothekenteam hier durch einen Wechsel der Arzneiform eine vegane Alternative anbieten, aber oft ist das mangels Angebot nicht möglich. Es gibt allerdings auch viele vegan lebende Menschen, die für benötigte Arzneimittel eine Ausnahme machen. Auch das lässt sich im Einzelfall klären.
Im Falle eines Austausches, zum Beispiel von gelatinehaltigen Kapseln auf eine Tablette ohne Bestandteile tierischen Ursprungs, sind auf einem Kassenrezept die Regeln der Austauschbarkeit und der Rabattverträge zu beachten. Im Zweifelsfall könnte die Angabe von pharmazeutischen Bedenken – also die Gefährdung des Therapieerfolgs durch Non-Compliance – den gewünschten Austausch ermöglichen und muss auf dem Rezept entsprechend begründet werden. Letztlich liegt die Verantwortung aber beim Abgebenden, da es keine eindeutigen Angaben gibt, welche pharmazeutischen Bedenken die GKV akzeptiert.
Eine umfangreiche Präparategruppe in der Apotheke bilden die verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Unter diesen finden sich einige Arzneistoffe tierischen Ursprungs.
Ob ein Arzneimittel Bestandteile tierischen Ursprungs enthält, ist häufig nicht offensichtlich. / Foto: Getty Images/Westend61
In Deutschland sind mehr als 300 Biopharmazeutika zugelassen, die gentechnisch hergestellt werden. Ihr Einsatz umfasst zahlreiche Indikationen wie Diabetes (Insuline), Multiple Sklerose, Rheumatoide Arthritis, Psoriasis oder Krebserkrankungen (Immunmodulatoren und monoklonale Antikörper) sowie Schutzimpfungen, etwa gegen Gebärmutterhalskrebs oder Hepatitis B. Die meisten dieser Moleküle werden mit (Säuge-)Tierzellen produziert und sind somit nicht vegan, es finden aber auch Zelllinien von Bakterien oder Hefezellen Anwendung. Eine aktuelle Liste der in Deutschland zugelassenen gentechnischen Arzneimittel inklusive ihrer Produktionszellen stellt der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) unter www.vfa.de/gentech zur Verfügung.
Heparin wird bis heute aus der Darmschleimhaut von Schweinen gewonnen. Somit sind weder die klassischen Thrombosespritzen noch die nicht verschreibungspflichtigen Heparinsalben und -gele zur topischen Behandlung von Hämatomen vegetarisch oder vegan. Die früher übliche Gewinnung aus Rinderlungen ist seit der BSE-Krise obsolet. Im Bereich der Injektion gibt es mit Fondaparinux (1) inzwischen eine vollsynthetisch hergestellte Alternative zu Heparin, allerdings ist der Einsatzbereich nicht identisch.
Sexualhormone wie Estrogene oder Progesteron wurden früher oft aus tierischen Quellen gewonnen. Eine bis heute zum Teil verwendete Quelle für konjugierte Estrogene ist der Harn trächtiger Stuten, die im Ausland oft unter fragwürdigen Bedingungen gehalten werden. In Deutschland ist kein entsprechendes Präparat mehr im Handel. Die Gewinnung der heute verwendeten Sexualhormone, vor allem zur Empfängnisverhütung oder zur Therapie von Wechseljahrsbeschwerden, erfolgt entweder total- oder partialsynthetisch aus pflanzlichen Steroiden und sind somit nicht mehr tierischen Ursprungs.
Einige Vakzinen werden auch heute noch auf Hühnereibasis hergestellt. Das Paul-Ehrlich-Institut (2) nennt hier Impfstoffe gegen MMR (Masern, Mumps, Röteln), MMRV (Masern, Mumps, Röteln, Varizellen), Gelbfieber, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) sowie Influenza.
Bei Vektorimpfstoffen kommen abgeschwächte Viren als Transportmittel zum Einsatz. Die Vermehrung dieser Viren erfolgt unter anderem in humanen Zelllinien, die einmalig angelegt und über viele Jahre verwendet werden können. Bei mRNA-Impfstoffen ist zwar die Herstellung rein gentechnisch, aber für die Lipid-Nanopartikel, die als eine Art Transportmedium für die RNA benötigt werden, verwendet man mitunter pharmazeutisches Cholesterol, das bisher meist tierischen Ursprungs ist (3).
Da sich die Technologien schnell ändern können, lohnt es sich, im Einzelfall beim Hersteller nachzufragen, inwieweit bei der Produktion eines Impfstoffs Bestandteile tierischen Ursprungs verwendet wurden. Beispielsweise stammen bei dem in Deutschland am häufigsten verwendeten Covid-19-Impfstoff Comirnaty® laut Information des Herstellers die verwendeten Lipid-Hilfsstoffe entweder aus pflanzlichen Quellen oder werden synthetisch hergestellt und enthalten keine tierischen Bestandteile.
Arzneistoff | Tierischer Ursprung | Nicht tierischer Ursprung |
---|---|---|
Sexualhormone | Stutenharn (in Deutschland obsolet) | Total- oder Partialsynthese aus pflanzlichen Steroiden |
Heparin | Schwein (Darm) | – |
Vitamin D3 | Schaf (Wollfett) | Flechten, Pilze |
Pankreatin | Schwein (Bauchspeicheldrüse) | – |
Chondroitin | Rind, Schwein (Knorpel) | – |
Glucosamin | Krebstiere (Chitinpanzer) | – |
Tannin | Gallapfel (enthält die Larve der Eichengallwespe) | – |
Omega-3-Fettsäuren | fettreiche Seefische | Mikroalgen |
Hyaluronsäure | Hahnenkämme (obsolet) | biotechnologisch |
Auch im Rahmen der Selbstmedikation sind einige Wirkstoffe tierischen Ursprungs zu finden, wobei neue biotechnologische Herstellungsverfahren einen Verzicht auf Ausgangssubstanzen tierischen Ursprungs zunehmend ermöglichen.
Einer der wohl am häufigsten abgegebenen Stoffe tierischen Ursprungs, der in der Selbstmedikation, aber auch zum Teil auf Rezept vorkommt, ist Colecalciferol (Vitamin D3). Der mit Abstand gängigste Weg der Gewinnung ist die Extraktion aus Wollwachs aus der Schafwolle. Wollwachs wird in den Talgdrüsen von Schafen gebildet und schützt sie vor schlechter Witterung. Nach der Schafschur wird die Wolle gewaschen. Um Kläranlagen nicht zu belasten, muss das Wollfett aus dem Waschwasser entfernt werden, ist also eigentlich ein Abfallprodukt, das aber gereinigt und anschließend weiterverwendet werden kann. Man gewinnt daraus unter anderem Lanolin, Wollwachs sowie Wollwachsalkohole und eben auch Vitamin D3. Da Vitamin D3 hier nicht vom getöteten Tier stammt, ist es als vegetarisch, aber nicht als vegan einzustufen.
Inzwischen gibt es aber auch einen alternativen Weg zur Gewinnung von Vitamin D3, nämlich aus Flechten und Pilzen. Hier entsteht zunächst das Ergocalciferol (Vitamin D2), das mithilfe von Enzymen in Vitamin D3 umgewandelt wird. Dieser Prozess ist deutlich aufwendiger und energieintensiver als die Herstellung aus dem Abfallprodukt Wollfett, weshalb die entsprechenden Präparate oft teurer sind.
Im Rahmen der Beratung von vegan lebenden Menschen können sich Fragen zur Supplementierung von Nährstoffen ergeben. Die zwei relevantesten Vitamine, die bei rein veganer Ernährung fehlen können, sind Vitamin D3 und Vitamin B12.
Zwar kann der Körper Vitamin D3 mithilfe von Sonnenlicht produzieren, trotzdem kann durch die geringe Sonneneinstrahlung in unseren Breiten in den Wintermonaten und durch die häufig vorwiegende Lebensweise in Innenräumen ein Mangel entstehen. Bei vegan lebenden Menschen kommt hinzu, dass sie typische Vitamin-D3-haltige Nahrungsmittel wie Fisch oder Eier meiden. Daher kann eine Supplementierung für sie durchaus sinnvoll sein. Inzwischen gibt es von einigen Firmen vegan hergestelltes Vitamin D3 und die entsprechenden Präparate, zum Beispiel Vitamin D-Loges®, Vigantolvit vegan® oder D3 Intercell Vegan®, in unterschiedlichen Stärken.
Vitamin B12 ist ein Oberbegriff für Cobalamine. Sie werden durch Mikroorganismen im Darm verschiedener Tiere gebildet und entweder von diesen direkt aufgenommen (zum Beispiel bei Rindern, Pferden, Kaninchen oder Schafen) oder sie gelangen in die Nahrungskette und werden von fleischfressenden Tieren über die Nahrung aufgenommen (zum Beispiel bei Hunden oder Katzen). Vitamin B12 ist nicht nur in Fleischprodukten enthalten, sondern auch in Eiern und Milchprodukten, sodass es bei gesunden Menschen, die sich vegetarisch ernähren, normalerweise zu keinen Mangelerscheinungen kommt. Anders ist es bei vegan lebenden Menschen, die diese Nahrungsmittel meiden. Zwar gibt es pflanzliche Lebensmittel wie Sauerkraut oder bestimmte Pilze, die Cobalamine enthalten, allerdings sind diese vom Körper meist nicht verwertbar, sodass ein über längere Zeit vegan lebender Mensch oft Vitamin B12 supplementieren muss. Hierfür stehen inzwischen ausreichend als vegan deklarierte Nahrungsergänzungsmittel zur Verfügung, zum Beispiel B12-Tropfen Ankermann®, Cefavit B12 vegan® oder Vitamin B12 Hevert vegan®. Das verwendete Vitamin B12 wird über Mikroorganismen hergestellt, ist also immer vegan, aber in den entsprechenden Präparaten wird auch auf jegliche anderen Stoffe tierischen Ursprungs verzichtet.
Pankreatin oder Pankreaspulver enthält ein Stoffgemisch exkretorischer Pankreasenzyme wie Lipase, α-Amylase, Trypsin und Chymotrypsin. In der Selbstmedikation kommt es bei Völlegefühl und Verdauungsstörungen zum Einsatz, auf Verordnung etwa bei zystischer Fibrose oder chronischer Pankreatitis. Die Gewinnung erfolgt ausschließlich aus den Bauchspeicheldrüsen von Säugetieren, vor allem Hausschweinen. Pankreatin ist somit weder vegetarisch noch vegan.
Das gilt auch für Chondroitin und Glucosaminhydrochlorid, die vor allem bei Gelenksarthrose eingesetzt werden. Chondroitin besteht aus einem Gemisch verschiedener Polysaccharide, gewonnen aus den Knorpeln von vor allem Rindern, Hausschweinen und Haifischen. Glucosamin ist ein Aminozucker, der im menschlichen Körper natürlich vorkommt. Er ist Bestandteil des Bindegewebes, des Knorpels und der Gelenkflüssigkeit. Als Arzneistoff wird Glucosamin aus dem Chitinpanzer von Krebstieren gewonnen.
Ein Arzneistoff, bei dem man im ersten Moment nicht an einen tierischen Ursprung denkt, ist das Tannin und daraus abgeleitet das Tannalbuminat, das sich in einigen OTC-Präparaten gegen akuten Durchfall findet (zum Beispiel Tannacomp®, Tannalbin®).
Tannin wird aus dem Gallapfel gewonnen. Dieser klingt rein pflanzlich, ist es aber nicht. / Foto: Adobe Stock/E.O.
Tannin wird aus sogenannten Galläpfeln gewonnen. Doch handelt es sich hier nicht um eigentliche Äpfel, sondern um eine Wucherung der Galleiche, Quercus infectoria: Die Eichengallwespe (Cynips quercusfolii) legt mithilfe eines Legestachels ein Ei in die Blattader eines Eichenblattes. Der Baum versucht, sich vor dem Eindringling zu schützen und sondert Gerbstoffe wie Tannin ab, die dann eine Wucherung bilden – den sogenannten Gallapfel. In seinem Inneren befindet sich die Larve, aus der normalerweise im Herbst das Insekt schlüpft. Inzwischen werden auch Galläpfel verwendet, die auf anderen Wirtspflanzen und durch andere Insekten (4) entstehen. Zur Herstellung von Tannalbuminat wird Hühnereiweiß zusammen mit dem Tannin unter Hitze gefällt; somit ist Tannalbuminat quasi zweifach nicht vegan. Verwechslungsgefahr: Der Wirkstoff des ähnlich klingenden Tannolact® ist Tamol, ein rein synthetisch hergestellter Gerbstoff.
Die im Fischöl enthaltenen Omega-3-Fettsäuren sollen einen Einfluss auf die Blutfettwerte haben, Entzündungen hemmen und Atherosklerose entgegenwirken, weshalb sie oft in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sind. Wie der Name schon sagt, erfolgt ihre Gewinnung aus geschlachtetem fettreichen Seefisch und ist damit weder vegetarisch noch vegan. Doch es geht auch anders: Eine Alternative stellen Omega-3-Fettsäuren aus Mikroalgen dar, die man in Aquakulturen in dafür geeigneten Gegenden in großer Menge herstellen kann (5).
Hyaluronsäure, ein Polysaccharid, das in der Apotheke vor allem in befeuchtenden Augentropfen, in Präparaten gegen Gelenkverschleiß oder in Kosmetika vorkommt, wurde ursprünglich in größerem Umfang aus Hahnenkämmen gewonnen. Der Nachteil dabei war eine Verunreinigung mit Geflügeleiweiß, das trotz Reinigung in Spuren im Endprodukt verblieb. Daher wurde in den 90er-Jahren ein Verfahren entwickelt, bei dem mittels biotechnologischer Herstellung über Fermentation eine deutlich reinere Hyaluronsäure gewonnen werden kann, sodass sie heute nicht mehr tierischen Ursprungs ist.
Neben Arzneistoffen gibt es auch viele Hilfsstoffe tierischen Ursprungs. Dies betrifft auch die Rezeptur und Defektur in der Apotheke.
Einer der gängigsten Hilfsstoffe tierischen Ursprungs in der Apotheke ist der Milchzucker beziehungsweise die Lactose. Viele Tabletten, aber zum Teil auch Kapseln und andere Arzneiformen enthalten Lactose als Füllstoff. Wie der Name schon sagt, kann dieser Stoff aus Kuhmilch gewonnen werden und ist somit nicht vegan. Es gibt zwar einen Syntheseweg, der aber aufwendiger ist und daher großtechnisch keine große Rolle spielt (6). Zu beachten gilt: Auch wenn der Name es vermuten lässt, wird Milchsäure heutzutage ausschließlich auf dem Syntheseweg hergestellt, sodass die Säure und ihre Salze (Lactate) nicht mehr tierischen Ursprungs sind.
Im Apothekenlabor sind einige Substanzen tierischen Ursprungs zu finden. Ein Beispiel ist die Salbengrundlage Lanolin. / Foto: Getty Images/Westend61
Auch Gelatine findet sich als inerter Hilfsstoff in sehr vielen Arzneimitteln, etwa in Hart- und Weichgelatinekapseln oder Tablettenüberzügen. Gelatine wird aus unlöslichen Bindegewebsanteilen von Wirbeltieren gewonnen, vor allem von Schweinen und Rindern, aber auch von Geflügel und Fischen, ist also nie vegan. Seit der BSE-Krise im Jahr 2000 setzen viele Firmen vermehrt auf Schweinegelatine, um Bestandteile aus Rindern zu vermeiden. Inzwischen ist aber auf vielen Produkten angegeben, von welchem Tier die verwendete Gelatine stammt. Einige Firmen ersetzen die klassischen Hartgelatinesteckkapseln inzwischen durch Steckkapseln aus Cellulose-Derivaten, die etwas spröder sind.
Ein Einsatzbereich von Gelatine, der auch pharmazeutisch eine Rolle spielt, sind Weichgummis, die etwa als leicht einzunehmende Arzneiform angeboten werden. Die Verwendung von Gelatine muss auf der Verpackung angegeben werden. Produkte ohne Gelatine setzen hier auf Stärke oder Apfelpektin. Sind diese Weichgummis mit Bienenwachs überzogen, sind sie als vegetarisch deklariert. Bei manchen veganen Produkten wird Bienenwachs durch rein pflanzliches Carnauba-Wachs ersetzt, das aus der Carnauba-Palme (Copernicia prunifera) gewonnen wird.
Hilfsstoff | Tierischer Ursprung | Pflanzliche Alternativen |
---|---|---|
Gelatine | Schwein, Geflügel(Bindegewebe) | Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) und andere Cellulose-Derivate für Hartkapseln, Carageen für Weichkapseln |
Lactose | Kuhmilch | andere inerte Hilfsstoffe |
Karmin | Cochenille-Schildlaus | andere rote Farbstoffe |
Schellack | Lack-Schildlaus | andere Überzugs- und Trennmittel |
Bienenwachs | Honigbiene | Carnaubawachs aus der Carnaubapalme |
Bienenhonig | Honigbiene | andere Süßungsmittel oder Mittel zur Wundheilung |
Xanthan | zur Herstellung wird Hühnereiweiß benötigt | andere Bindemittel |
Magnesiumstearat | Rindertalg, Schweineschmalz oder Milchfett | Raps-, Soja- oder Maiskeimöl |
Bienenwachs und -honig werden von der Honigbiene (Apis mellifica) hergestellt und aus den Bienenstöcken gewonnen, gereinigt und dann weiterverarbeitet. Neben der Verwendung als Überzugs- und Trennmittel bei Weichgummis kommt das Wachs in der Rezeptur in topischen Zubereitungen wie Unguentum leniens oder in Kosmetikprodukten wie Lippenstiften zum Einsatz. Honig wird als Süßungsmittel zum Beispiel in Hustensäften oder zur Wundheilung eingesetzt. Für vegan lebende Menschen sind solche Zubereitungen nicht geeignet.
Der rote Farbstoff Karmin wird aus weiblichen Cochenille-Schildläusen gewonnen. Für 500 Gramm braucht es 70.000 Läuse. / Foto: Getty Images/Helge Masch
Sowohl echtes Karmin (E120) als auch Schellack (E904) wird aus Läusen gewonnen und ist somit tierischen Ursprungs. Der rote Farbstoff Karmin hat seinen Ursprung in weiblichen Cochenille-Schildläusen (Dactylopius coccus), die man von Kakteen aberntet, trocknet und dann den Farbstoff extrahiert. Für 500 Gramm Karmin werden circa 70.000 Läuse benötigt (7). Man findet den Farbstoff zum Beispiel in Tablettenüberzügen oder dekorativer Kosmetik.
Auch Schellack wird aus einer Läuseart gewonnen, nämlich aus der Lack-Schildlaus (Kerria lacca). Die im Ursprung harzartige Substanz wird von weiblichen Läusen als Schutz für ihre Brut ausgeschieden. Man gewinnt sie durch das Schneiden der entsprechenden Bäume und ein aufwendiges Extraktionsverfahren. Neben der früher bekannten Anwendung in der Plattenindustrie (»Schellackplatten«) findet sich die harzartige Substanz heute vor allem in Überzügen von magensaftresistenten Tabletten und als Trennmittel.
Xanthan ist ein klassisches Beispiel für einen Stoff, der rein pflanzlich ist, für dessen Herstellung aber Hilfsmittel tierischen Ursprungs verwendet werden (8). Xanthan findet sich als Verdickungsmittel vor allem in Lutschtabletten oder Säften, teilweise unter der Bezeichnung »E415«. Es ist ein natürlich vorkommendes Polysaccharid, das zwar mithilfe von Bakterien aus zuckerhaltigen Substraten gewonnen wird, aber die bei der weiteren Aufarbeitung notwendigen Enzyme kommen oft aus Albumin aus Hühnereiweiß, sind also tierischen Ursprungs.
Ein Hilfsstoff, der hin und wieder zu Rückfragen in der Apotheke führt, ist Magnesiumstearat, das Magnesiumsalz der Stearinsäure, einer Speisefettsäure. Die Herstellung erfolgt durch Spaltung von Glyceriden aus Fetten und Ölen, die man entweder aus Rindertalg, Schweineschmalz oder Milchfett gewinnen kann, oder aus pflanzlichen Quellen wie Raps-, Soja- oder Maiskeimöl, was heute weitaus üblicher ist. Inzwischen listet die ABDA-Datenbank explizit den Hilfsstoff mit der Bezeichnung »Magnesiumstearat pflanzlich«, sodass man im Einzelfall die Information direkt in der Apothekensoftware finden kann.
An sich klänge es logisch, dass pflanzliche Präparate auch tatsächlich rein pflanzlich sind. Leider ist es in der Praxis nicht ganz so einfach. So können Phytopharmaka Hilfsstoffe tierischen Ursprungs enthalten oder zur Gewinnung der Pflanzen und Pflanzeninhaltsstoffe werden Produkte tierischen Ursprungs verwendet. Ein Beispiel hierfür ist Ethanol als Auszugsmittel, der oft über Gelatine geklärt wird, sodass bei der Herstellung ein Produkt tierischen Ursprungs zur Anwendung kommt.
Im Bereich der Homöopathie wird nicht nur viel mit Lactose, sondern auch mit anderen Ausgangsmaterialien tierischen Ursprungs, gearbeitet. Sehr bekannt dürfte hier Apis sein, gewonnen aus der Honigbiene, aber auch Lachesis aus der Buschmeister-Schlange oder Sepia aus Tintenfischen. Auf den Webseiten großer Anbieter von alternativmedizinischen Produkten finden sich oft genaue Hinweise zu jedem einzelnen Produkt, sodass die entsprechende Information leicht zu finden ist.
Eine vollständige Liste aller veganen Fertigarzneimittel zu erstellen, ist nicht möglich, unter anderem weil manche Firmen ihre Daten unter Verschluss halten und es keine offizielle Definition von »vegan« gibt. Daher ist es bei der Beratung in der Apotheke wichtig, zu klären, wie weit der Wunsch nach tierfreien Produkten geht.
Informationen zum Ursprung von Ausgangsstoffen finden Apothekenteams vor allem auf den Internetseiten der Anbieter. Bei sehr vielen Firmen ist außerdem die direkte Anfrage zu einzelnen Produkten möglich. Das heißt, im Einzelfall lohnt sich oft ein Anruf bei der betreffenden Firma.
Kirsten Anschütz studierte Pharmazie an der LMU in München und erhielt 1992 die Approbation. Seitdem arbeitet sie in öffentlichen Apotheken im Raum München und im Bayerischen Wald. 2004/05 absolvierte sie die Weiterbildung Offizinpharmazie und anschließend die Weiterbildung Homöopathie und Naturheilverfahren. Seit 2006 ist Anschütz in der Fortbildung tätig, unter anderem mit Inhouse-Schulungen, Abendvorträgen und Webinaren für verschiedene Pharmafirmen und Apothekerkammern.E-Mail: kian-pharma@gmx.de