Ist das vom Tier? |
Kirsten Anschütz |
30.04.2023 08:00 Uhr |
Einige Vakzinen werden auch heute noch auf Hühnereibasis hergestellt. Das Paul-Ehrlich-Institut (2) nennt hier Impfstoffe gegen MMR (Masern, Mumps, Röteln), MMRV (Masern, Mumps, Röteln, Varizellen), Gelbfieber, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) sowie Influenza.
Bei Vektorimpfstoffen kommen abgeschwächte Viren als Transportmittel zum Einsatz. Die Vermehrung dieser Viren erfolgt unter anderem in humanen Zelllinien, die einmalig angelegt und über viele Jahre verwendet werden können. Bei mRNA-Impfstoffen ist zwar die Herstellung rein gentechnisch, aber für die Lipid-Nanopartikel, die als eine Art Transportmedium für die RNA benötigt werden, verwendet man mitunter pharmazeutisches Cholesterol, das bisher meist tierischen Ursprungs ist (3).
Da sich die Technologien schnell ändern können, lohnt es sich, im Einzelfall beim Hersteller nachzufragen, inwieweit bei der Produktion eines Impfstoffs Bestandteile tierischen Ursprungs verwendet wurden. Beispielsweise stammen bei dem in Deutschland am häufigsten verwendeten Covid-19-Impfstoff Comirnaty® laut Information des Herstellers die verwendeten Lipid-Hilfsstoffe entweder aus pflanzlichen Quellen oder werden synthetisch hergestellt und enthalten keine tierischen Bestandteile.
Arzneistoff | Tierischer Ursprung | Nicht tierischer Ursprung |
---|---|---|
Sexualhormone | Stutenharn (in Deutschland obsolet) | Total- oder Partialsynthese aus pflanzlichen Steroiden |
Heparin | Schwein (Darm) | – |
Vitamin D3 | Schaf (Wollfett) | Flechten, Pilze |
Pankreatin | Schwein (Bauchspeicheldrüse) | – |
Chondroitin | Rind, Schwein (Knorpel) | – |
Glucosamin | Krebstiere (Chitinpanzer) | – |
Tannin | Gallapfel (enthält die Larve der Eichengallwespe) | – |
Omega-3-Fettsäuren | fettreiche Seefische | Mikroalgen |
Hyaluronsäure | Hahnenkämme (obsolet) | biotechnologisch |
Auch im Rahmen der Selbstmedikation sind einige Wirkstoffe tierischen Ursprungs zu finden, wobei neue biotechnologische Herstellungsverfahren einen Verzicht auf Ausgangssubstanzen tierischen Ursprungs zunehmend ermöglichen.
Einer der wohl am häufigsten abgegebenen Stoffe tierischen Ursprungs, der in der Selbstmedikation, aber auch zum Teil auf Rezept vorkommt, ist Colecalciferol (Vitamin D3). Der mit Abstand gängigste Weg der Gewinnung ist die Extraktion aus Wollwachs aus der Schafwolle. Wollwachs wird in den Talgdrüsen von Schafen gebildet und schützt sie vor schlechter Witterung. Nach der Schafschur wird die Wolle gewaschen. Um Kläranlagen nicht zu belasten, muss das Wollfett aus dem Waschwasser entfernt werden, ist also eigentlich ein Abfallprodukt, das aber gereinigt und anschließend weiterverwendet werden kann. Man gewinnt daraus unter anderem Lanolin, Wollwachs sowie Wollwachsalkohole und eben auch Vitamin D3. Da Vitamin D3 hier nicht vom getöteten Tier stammt, ist es als vegetarisch, aber nicht als vegan einzustufen.
Inzwischen gibt es aber auch einen alternativen Weg zur Gewinnung von Vitamin D3, nämlich aus Flechten und Pilzen. Hier entsteht zunächst das Ergocalciferol (Vitamin D2), das mithilfe von Enzymen in Vitamin D3 umgewandelt wird. Dieser Prozess ist deutlich aufwendiger und energieintensiver als die Herstellung aus dem Abfallprodukt Wollfett, weshalb die entsprechenden Präparate oft teurer sind.
Im Rahmen der Beratung von vegan lebenden Menschen können sich Fragen zur Supplementierung von Nährstoffen ergeben. Die zwei relevantesten Vitamine, die bei rein veganer Ernährung fehlen können, sind Vitamin D3 und Vitamin B12.
Zwar kann der Körper Vitamin D3 mithilfe von Sonnenlicht produzieren, trotzdem kann durch die geringe Sonneneinstrahlung in unseren Breiten in den Wintermonaten und durch die häufig vorwiegende Lebensweise in Innenräumen ein Mangel entstehen. Bei vegan lebenden Menschen kommt hinzu, dass sie typische Vitamin-D3-haltige Nahrungsmittel wie Fisch oder Eier meiden. Daher kann eine Supplementierung für sie durchaus sinnvoll sein. Inzwischen gibt es von einigen Firmen vegan hergestelltes Vitamin D3 und die entsprechenden Präparate, zum Beispiel Vitamin D-Loges®, Vigantolvit vegan® oder D3 Intercell Vegan®, in unterschiedlichen Stärken.
Vitamin B12 ist ein Oberbegriff für Cobalamine. Sie werden durch Mikroorganismen im Darm verschiedener Tiere gebildet und entweder von diesen direkt aufgenommen (zum Beispiel bei Rindern, Pferden, Kaninchen oder Schafen) oder sie gelangen in die Nahrungskette und werden von fleischfressenden Tieren über die Nahrung aufgenommen (zum Beispiel bei Hunden oder Katzen). Vitamin B12 ist nicht nur in Fleischprodukten enthalten, sondern auch in Eiern und Milchprodukten, sodass es bei gesunden Menschen, die sich vegetarisch ernähren, normalerweise zu keinen Mangelerscheinungen kommt. Anders ist es bei vegan lebenden Menschen, die diese Nahrungsmittel meiden. Zwar gibt es pflanzliche Lebensmittel wie Sauerkraut oder bestimmte Pilze, die Cobalamine enthalten, allerdings sind diese vom Körper meist nicht verwertbar, sodass ein über längere Zeit vegan lebender Mensch oft Vitamin B12 supplementieren muss. Hierfür stehen inzwischen ausreichend als vegan deklarierte Nahrungsergänzungsmittel zur Verfügung, zum Beispiel B12-Tropfen Ankermann®, Cefavit B12 vegan® oder Vitamin B12 Hevert vegan®. Das verwendete Vitamin B12 wird über Mikroorganismen hergestellt, ist also immer vegan, aber in den entsprechenden Präparaten wird auch auf jegliche anderen Stoffe tierischen Ursprungs verzichtet.
Pankreatin oder Pankreaspulver enthält ein Stoffgemisch exkretorischer Pankreasenzyme wie Lipase, α-Amylase, Trypsin und Chymotrypsin. In der Selbstmedikation kommt es bei Völlegefühl und Verdauungsstörungen zum Einsatz, auf Verordnung etwa bei zystischer Fibrose oder chronischer Pankreatitis. Die Gewinnung erfolgt ausschließlich aus den Bauchspeicheldrüsen von Säugetieren, vor allem Hausschweinen. Pankreatin ist somit weder vegetarisch noch vegan.
Das gilt auch für Chondroitin und Glucosaminhydrochlorid, die vor allem bei Gelenksarthrose eingesetzt werden. Chondroitin besteht aus einem Gemisch verschiedener Polysaccharide, gewonnen aus den Knorpeln von vor allem Rindern, Hausschweinen und Haifischen. Glucosamin ist ein Aminozucker, der im menschlichen Körper natürlich vorkommt. Er ist Bestandteil des Bindegewebes, des Knorpels und der Gelenkflüssigkeit. Als Arzneistoff wird Glucosamin aus dem Chitinpanzer von Krebstieren gewonnen.