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ARZNEISTOFFE

Brexucabtagen autoleucel|Tecartus®|42|2021

STOFFGRUPPE
42 Gen- und Zelltherapeutika
WIRKSTOFF
Brexucabtagen autoleucel
FERTIGARZNEIMITTEL
Tecartus®
HERSTELLER

Kite Pharma EU B.V./Gilead

MARKTEINFÜHRUNG (D)
03/2021
DARREICHUNGSFORM

0,4 bis 2 x 108 Zellen Infusionsdispersion

ATC-CODE
L01XL06
ORPHAN DRUG
Ja

Indikationen

Tecartus ist zugelassen zur Behandlung erwachsener Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Mantelzell-Lymphom (MCL) nach zwei oder mehr systemischen Therapien, die einen Bruton-Tyrosinkinase(BTK)-Inhibitor einschließen.

 

Tecartus ist außerdem zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten ab 26 Jahren mit rezidivierter oder refraktärer B-Zell-Vorläufer akuter lymphatischer Leukämie (ALL).

Wirkmechanismus

Tecartus ist ein CAR-T-Zelltherapeutikum. Bei seiner Anwendung werden patienteneigene T-Zellen durch Genmodifikation derart verändert, dass sie einen chimären Antigenrezeptor (CAR) exprimieren. Im Fall von Tecartus richtet sich dieser Rezeptor gegen das Oberflächenantigen CD19 auf B-Zellen. Auch die beiden bereits zugelassenen CAR-T-Zelltherapeutika Kymriah® und Yescarta® haben CD19 als Ziel. Bindet eine den CAR tragende T-Zelle an eine CD19-exprimierende Zelle, aktivieren die kostimulierenden Domänen CD28 und CD3-z nachgeschaltete Signalkaskaden, die bei den T-Zellen zum Beispiel zu Aktivierung, Proliferation und Sekretion von inflammatorischen Zytokinen und Chemokinen führen. Diese Abfolge von Ereignissen führt zur Apoptose und Nekrose der CD19-exprimierenden Zielzellen. Dem Immunsystem wird sozusagen beigebracht, den Tumor zu bekämpfen.

Anwendungsweise und -hinweise

Bei der Behandlung eines Mantelzell-Lymphoms wird empfohlen, die Infusion mit Tecartus 3 bis 14 Tage nach Abschluss einer Chemotherapie zur Lymphodepletion (Cyclophosphamid 500 mg/m2 und Fludarabin 30 mg/m2) durchzuführen. Das Gentherapeutikum wird einmalig als Tropfinfusion in eine Vene verabreicht. Vor der Infusion und während der Nachbeobachtung muss mindestens eine Dosis Tocilizumab sowie Notfallausrüstung für den Fall eines Zytokin-Freisetzungssyndroms (CRS) zur Anwendung bereitstehen. Zur Verminderung potenzieller akuter Infusionsreaktionen sollen die Patienten circa eine Stunde vor der Infusion als Prämedikation Paracetamol und Diphenhydramin erhalten. Eine prophylaktische Anwendung systemischer Corticosteroide wird nicht empfohlen, da sie die Aktivität von Tecartus beeinflussen kann.

 

Die Behandlung der ALL besteht ebenfalls aus einer einmaligen Inusion von Tecartus. Diese sollte 2 bis 14 Tage nach Abschluss der Chemotherapie zur Lymphodepletion (Cyclophosphamid 900 mg/m2 und Fludarabin 25 mg/m2) erfolgen.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen waren ein CRS, Infektionen und Enzephalopathie.

 

Unter Tecartus trat in der Zulassungsstudie bei 91 Prozent der Patienten ein Zytokin-Freisetzungssyndroms (CRS) auf. Bei 15 Prozent handelte es sich um ein CRS dritten oder höheren Grades (schwer oder lebensbedrohlich). Die durchschnittliche Zeit bis zum Einsetzen betrug drei Tage, die mediane Dauer zehn Tage. Die Fachinformation enthält einen detaillierten Leitfaden zur Einstufung und Behandlung. Die Patienten sind in den ersten zehn Tagen nach der Infusion täglich, danach nach Ermessen des Arztes auf Anzeichen und Symptome eines potenziellen CRS, neurologischer Ereignisse und anderer Toxizitäten zu überwachen. Danach sollen sich die Patienten mindestens vier Wochen lang in der Nähe eines qualifizierten Behandlungszentrums aufhalten.

 

Bei 68 Prozent der Patienten wurden neurologische Nebenwirkungen wie Enzephalopathie, Tremor, Aphasie und Delir beobachtet. Bei Patienten mit neurologischen Toxizitäten vom Schweregrad 2 oder höher sollen Herz und Pulsoximetrie kontinuierlich überwacht werden. Bei schweren oder lebensbedrohlichen neurologischen Toxizitäten ist eine intensivmedizinische supportive Behandlung anzuwenden. Je nach klinischer Indikation sind nicht sedierende Antikonvulsiva bei Nebenwirkungen zweiten oder höheren Grades in Erwägung zu ziehen. Die Fachinformation beinhaltet Behandlungsalgorithmen zur Linderung der neurologischen Nebenwirkungen. Diese schließen die Gabe von Tocilizumab (bei gleichzeitig auftretendem CRS) und/oder Corticosteroiden für mittelgradige, schwere oder lebensbedrohliche
 neurologische Nebenwirkungen ein.

 

Zudem kam es in der Zulassungsstudie bei 56 Prozent der Patienten zu Infektionen. Infektionen dritten oder höheren Grades (schwerwiegend, lebensbedrohlich oder tödlich) traten bei 32 Prozent der Patienten auf. Die Patienten sind vor, während und nach der Infusion auf Anzeichen und Symptome einer Infektion zu überwachen und entsprechend zu behandeln. Prophylaktische Antibiotika sind gemäß den Standardleitlinien der Einrichtung anzuwenden.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Die bedingte Zulassung von Tecartus basiert auf den Daten der noch laufenden offenen, einarmigen Phase-II-Studie ZUMA-2. An der Studie nehmen 74 Probanden mit einem rezidivierten/refraktären MCL teil, die ein bis fünf Vortherapien, darunter einen BTK-Inhibitor, erhalten hatten. 68 von ihnen wurden mit Tecartus behandelt. Der primäre Endpunkt war die objektive Ansprechrate gemäß der Lugano-Klassifikation (2014), die von einem unabhängigen radiologischen Überprüfungsgremium bewertet wurde.

 

Es wurde ein Analyseset a priori definiert, das die ersten 60 mit Tecartus behandelten Patienten umfasste, die sechs Monate nach der Krankheitsbeurteilung in Woche vier nach der Tecartus-Infusion bezüglich ihres Ansprechens ausgewertet wurden. In diesem Analyseset betrug die objektive Ansprechrate 93 Prozent bei einer Rate der vollständigen Remission von 67 Prozent. Nach einem medianen Follow-up von 17,5 Monaten waren 48 Prozent der Patienten weiterhin in Remission.

Hintergrundinfos

Mantelzell-Lymphome (MCL) sind eine seltene, aggressive Form der Non-Hodgkin-Lymphome. Sie entstehen infolge einer Mutation reifer B-Zellen in der Mantelzone der Lymphknoten. In Deutschland erkranken rund 1000 Menschen pro Jahr. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 65 Jahren. Männer sind etwa dreimal so häufig betroffen wie Frauen. Die Erkrankung gilt derzeit als nicht heilbar. Fünf Jahre nach der Diagnose ist nur noch die Hälfte der Patienten am Leben. Auch mit neuen Therapieoptionen wie den Bruton-Tyrosinkinase-(BTK-)Inhibitoren kann in der rezidivierten Therapiesituation bisher kein dauerhaftes Ansprechen erreicht werden.

Besonderheiten

Tecartus ist in der Dampfphase von Flüssigstickstoff (≤ −150 °C) zu lagern und muss gefroren bleiben, bis der Patient für die Behandlung bereit ist.

Tecartus ist verschreibungspflichtig.

Links

Weitere Hinweise

Die Anwendung von Tecartus bei Schwangeren oder bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, wird nicht empfohlen. Schwangere sollten hinsichtlich der potenziellen Risiken für den Fötus beraten werden. Eine Schwangerschaft nach der Tecartus-Therapie ist mit dem behandelnden Arzt zu besprechen.

 

Es ist nicht bekannt, ob Tecartus in die Muttermilch oder auf das gestillte Kind übergeht. Stillende Frauen sollten über das potenzielle Risiko für das gestillte Kind informiert werden.

Vorläufige Bewertung

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Letzte Aktualisierung: 17.03.2023