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ARZNEISTOFFE

Onasemnogen-Abeparvovec|Zolgensma™|42|2020

STOFFGRUPPE
42 Gen- und Zelltherapeutika
WIRKSTOFF
Onasemnogen-Abeparvovec
FERTIGARZNEIMITTEL
Zolgensma™
HERSTELLER

Avexis

MARKTEINFÜHRUNG (D)
07/2020
DARREICHUNGSFORM

2 x 1013 Vektorgenome pro ml Infusionslösung

ATC-CODE
M09AX09
ORPHAN DRUG
Ja

Indikationen

Zolgensma ist zur Behandlung von Patienten mit 5q-assoziierter spinaler Muskelatrophie (SMA) bestimmt.

Wirkmechanismus

Zolgensma ist ein Gentherapeutikum. Es stellt einen Ersatz des defekten SMN1-Gens dar, das mithilfe eines Vektors (ein nicht replizierendes rekombinantes Adeno-assoziiertes Virus vom Serotyp 9, AAV9) in die Zellen eingeschleust wird. Dort liegt die DNA als Episom vor, also als autonom replizierendes, ringförmiges DNA-Molekül im Zellkern, das nicht in die zelleigene DNA integriert wird. Dies ist wichtig, weil es potenziell gefährliche Mutationen vermeidet, die beim Einbau von Fremd-DNA in die chromosomale DNA entstehen können. Für die Expression des therapeutischen Gens und in der Folge für eine anhaltende, kontinuierliche SMN-Proteinexpression sorgt ein in Zolgensma enthaltener konstitutiver Promotor.

Anwendungsweise und -hinweise

Die Dosis von Zolgensma richtet sich nach dem Körpergewicht und beträgt 1,1 x 1014 Vektorgenome Onasemnogen-Abeparvovec pro kg KG. Das erforderliche Volumen Infusionslösung wird in eine Spritze aufgezogen und muss dann innerhalb von acht Stunden mittels einer Spritzenpumpe als intravenöse Infusion über 60 Minuten verabreicht werden.

 

Nach der Behandlung mit Zolgensma erfolgt eine Immunreaktion auf das AAV9-Kapsid. Um diese abzumildern, werden die Patienten mit Prednisolon behandelt. Die Steroidtherapie beginnt 24 Stunden vor der Verabreichung von Zolgensma und wird danach über mindestens 58 Tage fortgeführt. Wenn es möglich ist, soll der Impfplan des Patienten an die Corticosteroid-Therapie angepasst werden.

 

Nach der Behandlung scheiden die Patienten Zolgensma vorübergehend aus, vor allem über die Exkremente. Beim Wickeln der Kinder ist daher mindestens einen Monat lang auf eine gute Handhygiene zu achten, damit Eltern und Pflegepersonal nicht mit dem Gentherapeutikum in Kontakt kommen. Die Windeln können in Plastik-Doppelbeutel verschlossen über den Hausmüll entsorgt werden.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen von Zolgensma sind eine vorübergehende Erhöhung der Leber-Transaminasen und Erbrechen. Ebenfalls häufig kommt es zu Thrombozytopenie und einem Anstieg von Troponin I, was auf eine Schädigung des Herzens hindeutet. Die Patienten müssen daher nach der Infusion über einen längeren Zeitraum bezüglich der Leberfunktion, der Thrombozytenzahl und des Troponin-I-Werts überwacht werden.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Im Rahmen von Studien wurden insgesamt 63 Patienten mit Zolgensma behandelt: 22 in der offenen, einarmigen Phase-III-Studie AVXS-101-CL-303, zwölf in der Phase-I-Studie AVXS-101-CL-101 und 29 in der noch laufenden, einarmigen Phase-III-Studie AVXS-101-CL-304. Die Wirksamkeit der Therapie wurde unter anderem anhand des Anteils der Probanden ermittelt, die bestimmte Meilensteine der motorischen Entwicklung erreichten wie Fähigkeit des Säuglings, den Kopf zu halten und zu bewegen, sich vom Rücken auf die Seite zu rollen, und Sitzen ohne Unterstützung. Diese Meilensteine wurden in der Studie AVXS-101-CL-303 von 59 bis 85 Prozent der Teilnehmer erreicht.

 

Von den Teilnehmern im Alter von 14 Monaten und 24 Monaten an der Studie AVXS-101-CL-101 war nach der Verabreichung von Zolgensma keiner auf eine dauerhafte Beatmung angewiesen. Unbehandelt ist das zu diesen Zeitpunkten nur bei 25 beziehungsweise 8 Prozent der SMA-Patienten der Fall. Von den ursprünglich zwölf Patienten in der Studie werden zehn in einer Langzeitbeobachtung weiterverfolgt. Sie alle haben über bislang maximal 5,7 Jahre die erreichten Meilensteine beibehalten und teilweise auch neue hinzugewonnen. Allerdings erhielten vier Patienten in der Langzeitstudie zusätzlich einmalig eine begleitende Nusinersen-Behandlung, sodass die positiven Ergebnisse nicht allein auf die Therapie mit Zolgensma zurückgeführt werden können.

 

Die Teilnehmer der Studie AVXS-101-CL-304 sind neugeborene Kinder, die noch keine Symptome der SMA entwickelt haben. Abhängig von der Anzahl vorhandener SMN2-Kopien (2 oder 3) sind sie in zwei Kohorten unterteilt. In der ersten Kohorte (n = 14) lag die Zolgensma-Therapie beim letzten Studienbesuch durchschnittlich 10,5 Monate zurück, in der zweiten (n = 15) durchschnittlich 8,74 Monate. Alle Patienten waren zu diesem Zeitpunkt am Leben und benötigten keine Dauerbeatmung. Viele hatten bereits Meilensteine der Entwicklung wie unabhängiges Sitzen oder Gehen erreicht.

Hintergrundinfos

Bei der 5q-assoziierten spinalen Muskelatrophie (SMA) handelt es sich um eine seltene Erbkrankheit, bei der Nervenzellen, die die Muskulatur innervieren (Motoneuronen), nach und nach zugrundegehen. In der Folge atrophieren die betroffenen Muskelfasern, sodass der Patient immer schwächer wird. Kinder mit infantiler SMA schaffen es nie, ohne Hilfe zu sitzen oder zu gehen. Da auch die Atem- und Schluckmuskulatur betroffen ist, werden diese Kinder nur mit Beatmung älter als zwei Jahre.

 

Auslöser der SMA ist ein Defekt eines Gens, das für den Nervenschutzfaktor SMN (Survival-of-Motorneurons) kodiert, des SMN1-Gens. Von diesem Gen existiert noch eine zweite Variante, SMN2, die jedoch weit weniger effektiv ist und deshalb den Funktionsverlust von SMN1 nicht ausgleichen kann. Auf der Steigerung der Effizienz von SMN2 basiert die erste zugelassene ursächliche Therapie der SMA, das Antisense-Oligonukleotid Nusinersen (Spinraza® von Biogen).

 

Die Schädigung der Motoneuronen bei SMA ist nicht reversibel. Bereits verlorengegangene Fähigkeiten lassen sich also mit einer Zolgensma-Therapie nicht wiederherstellen. Um den Schaden möglichst gering zu halten, werden Patienten daher bereits im Alter von wenigen Monaten mit Zolgensma behandelt.

Besonderheiten

Zolgensma wird in Durchstechflaschen à 5,5 beziehungsweise 8,3 ml Infusionslösung ausgeliefert. Die Lösung ist in gefrorenem Zustand bei ≤ -60 °C zu lagern und zu transportieren.

Zolgensma ist verschreibungspflichtig.

Vorläufige Bewertung

Sprunginnovation

Letzte Aktualisierung: 04.08.2020