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ARZNEISTOFFE

Autologe, CD34+-angereicherte Zellfraktion|Zynteglo®|42|2020

STOFFGRUPPE
42 Gen- und Zelltherapeutika
WIRKSTOFF
Autologe, CD34+-angereicherte Zellfraktion
FERTIGARZNEIMITTEL
Zynteglo®
HERSTELLER

Bluebird bio

MARKTEINFÜHRUNG (D)
04/2020
DARREICHUNGSFORM

Nicht mehr im Handel

ATC-CODE
B06AX02
ORPHAN DRUG
Nein

Indikationen

Zynteglo ist zugelassen zur Behandlung von Patienten ab zwölf Jahren mit transfusionsabhängiger β-Thalassämie (TDT). Sie dürfen keinen Genotyp β0/β0 tragen, also nicht homozygot bezüglich der Erkrankung sein. Des Weiteren müssen sie für eine Transplantation von hämatopoetischen Stammzellen (HSZ) geeignet sein, für die aber kein passender Spender verfügbar ist.

Wirkmechanismus

Bei Zynteglo handelt es sich um genmanipulierte patienteneigene hämatopoetische Stammzellen (HSZ), denen ex vivo mittels eines lentiviralen Vektors ein modifiziertes β-Globulin-Gen eingefügt wurde. Dem Körper wird somit beigebracht, Hämoglobin selbst zu bilden.

Anwendungsweise und -hinweise

Zynteglo wird für jeden Patienten individuell aus Stammzellen hergestellt, die seinem Blut entnommen wurden. Vor der Gabe muss eine Mobilisierung und Apherese sowie eine Chemotherapie, die sogenannte myeloablative Konditionierung mit Busulfan, vollständig durchgeführt werden.

 

Zynteglo wird nur einmalig intravenös verabreicht, wobei die Dosis vom Körpergewicht des Patienten abhängt. Die empfohlene Mindestdosis beträgt 5,0 × 106 CD34+-Zellen pro kg Körpergewicht.

 

Die Patienten sollten für mindestens einen Monat vor der Mobilisierung bis mindestens sieben Tage nach der Zynteglo-Infusion keine antiretroviralen Arzneimittel oder Hydroxyharnstoff einnehmen. Eisenchelatoren sollten sieben Tage vor Beginn der Konditionierung abgesetzt werden. Manche Eisenchelatoren sind myelosuppressiv. Nach der Zynteglo-Infusion ist die Anwendung dieser Eisenchelatoren für sechs Monate zu vermeiden. Wenn eine Eisenchelattherapie erforderlich ist, sollten nicht myelosuppressive Eisenchelatoren erwogen werden.

Wichtige Wechselwirkungen

Es wurden keine formalen Studien zur Erfassung von Wechselwirkungen durchgeführt. Man geht nicht davon aus, dass Zynteglo mit Enzymen der hepatischen Cytochrom-P-450-Familie oder Arzneistofftransportern interagiert. Die Patienten sollten jedoch für mindestens einen Monat vor der Mobilisierung bis mindestens sieben Tage nach der Zynteglo-Infusion keine antiretroviralen Arzneimittel oder Hydroxyharnstoff einnehmen. Eisenchelatoren sollten sieben Tage vor Beginn der Konditionierung abgesetzt werden. Manche Eisenchelatoren sind myelosuppressiv. Nach der Zynteglo-Infusion ist die Anwendung dieser Eisenchelatoren für sechs Monate zu vermeiden. Wenn eine Eisenchelattherapie erforderlich ist, sollten nicht myelosuppressive Eisenchelatoren erwogen werden.

Nebenwirkungen

Häufig beobachtete Nebenwirkungen in Studien zu Zynteglo waren Thrombozytopenie, Hitzewallungen, Bauchschmerzen, Schmerzen in den Extremitäten, Atemnot und Thoraxschmerz nicht kardialen Ursprungs.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Zynteglo ist in der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei einer vorherigen Behandlung mit einer HSZ-Gentherapie kontraindiziert. Des Weiteren müssen die Gegenanzeigen für die Mobilisierungswirkstoffe und den Wirkstoff für die myeloablative Konditionierung berücksichtigt werden.

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Zynteglo hat eine bedingte Zulassung erhalten. Sie basiert auf den Daten der abgeschlossenen Phase-I/II-Studien HGB-204 und HGB-205 sowie den Daten aus den laufenden Phase-III-Studien HGB-207 und HGB-212 und der Langzeit-Follow-up-Studie LTF-303. An HGB-204 und HGB-205 nahmen 22 TDT-Patienten teil, von denen 14 einen Nicht-β00-Genotyp und acht einen β00-Genotyp aufwiesen. Allen Patienten wurde Zynteglo in einer durchschnittlichen Zelldosis von 7,80 × 106 CD34+-Zellen pro kg Körpergewicht als intravenöse Infusion verabreicht. Der primäre Endpunkt war Transfusionsunabhängigkeit bis Monat 24. Diesen erreichten 11 der 14 TDT-Patienten mit einem Non-β00-Genotyp.

Hintergrundinfos

Patienten mit β-Thalassämie fehlt aufgrund einer Mutation ein zentraler Bestandteil des Hämoglobins: β-Globulin. Die Betroffenen leiden an chronischer Anämie und sind auf Bluttransfusionen angewiesen, weil sie nicht genügend Hämoglobin produzieren können.

 

Im Februar 2021 hat der Hersteller die Auslieferung der Gentherapie vorsorglich gestoppt. Den Grund bildet die Erkrankung an einer akuten myeloischen Leukämie. Sie ist bei einem Patienten aufgetreten, bei dem vor 5 Jahren im Rahmen einer klinischen Studie eine Gentherapie der Sichelzellanämie durchgeführt wurde.

 

Zwar wurden bei der klinischen Entwicklung von Zynteglo keine Hinweise auf eine Insertionsmutagenese gefunden und auch nach der Zulassung sind nach Auskunft des Herstellers keine Fälle von Leukämien aufgetreten. Da jedoch die noch nicht zugelassene Behandlung denselben Vektor wie Zynteglo zur Behandlung der Beta-Thalassämie verwendet, stellt der Zwischenfall auch die Sicherheit dieser Gentherapie infrage.

 

Im Juli 2021 gab der Pharmakovigilanzausschuss PRAC der Europäischen Arzneimittelbehörde Entwarnung. Es gebe keine Beweise dafür, dass Zynteglo akute myeloische Leukämien auslöse. Dem PRAC zufolge sei es plausibler, als Ursache die Konditionierungstherapie, die die Patienten erhielten, um die Knochenmarkzellen zu entfernen, sowie das höhere Risiko für Blutkrebs bei Menschen mit Sichelzellanämie in Betracht zu ziehen.

 

Dennoch bleibt es bei der Marktrücknahme. Sie erfolgt aus wirtschaftlichen Gründen, da im Rahmen des AMNOG-Verfahrens die Schiedsstelle nach erfolglosen Verhandlungen zwischen Bluebird Bio und dem Spitzenverband der Krankenkassen (GKV-SV) einen Preis festgelegt hat, der um mehr als die Hälfte niedriger lag als der von Bluebird Bio geforderte.

Besonderheiten

Zynteglo ist in der Dampfphase von flüssigem Stickstoff bei Temperaturen von -140 °C oder darunter sowie in der Metallkassette zu lagern. Nach dem Auftauen ist es maximal vier Stunden bei Temperaturen von 20 bis 25 °C haltbar und darf nicht wieder eingefroren werden.

Zynteglo ist verschreibungspflichtig.

Weitere Hinweise

Frauen im gebärfähigen Alter und Partnerinnen von zeugungsfähigen männlichen Patienten müssen vom Beginn der Mobilisierung bis mindestens sechs Monate nach Verabreichung von Zynteglo eine zuverlässige Methode der Empfängnisverhütung (ein Intrauterinpessar oder eine Kombination aus hormoneller und Barrieremethode) anwenden.

 

Vor Beginn der Mobilisierung muss ein negativer Serum-Schwangerschaftstest bestätigt werden; vor Beginn der Konditionierungsverfahren sowie vor der Verabreichung von Zynteglo muss dies erneut geschehen.

 

Zynteglo darf während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden.

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