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NVL Asthma

Was ist neu in der Therapie?

Die 2020 aktualisierte Nationale Versorgungsleitlinie Asthma (4. Auflage) enthält eine substanzielle Änderung im Therapieschema für die Stufen 1 und 2. Was sind die wichtigsten Inhalte der Neuauflage der NVL Asthma und welche Rolle kommt den Apothekern bei der Umsetzung zu?
Eric Martin
10.06.2021  11:00 Uhr

Asthma ist eine chronisch entzündliche Atemwegserkrankung mit bronchialer Hyperreagibilität und variabler Bronchoobstruktion. Auch die übrigen Symptome wie Reizhusten, exspiratorisches Giemen und Brustenge sind Entzündungsfolgen, variieren aber deutlich im zeitlichen Verlauf und der Intensität.

Die episodisch auftretende, meist gut reversible Bronchienverengung rührt her von einer entzündlichen Schleimhautschwellung, einer vermehrten Bildung eines zähen Sekrets und einer Tonuserhöhung/Verkrampfung der Bronchialmuskulatur. Bei dauerhaft schlechter Entzündungskontrolle droht dagegen ein Remodeling mit einem zumindest teilweisen Verlust der Reversibilität.

Hyperreagibilität und Reizhusten werden durch eine entzündliche Schädigung der Schleimhaut und eine Exposition von Irritant-Rezeptoren verursacht. Die Folge ist eine Reaktionsbereitschaft auf eine Vielzahl unspezifischer Trigger, zum Beispiel Kaltluft oder Anstrengung. Damit ist die Hyperreagibilität sowohl Entzündungsindikator als auch Gradmesser für das Greifen der antientzündlichen Therapie.

Asthmapatienten weisen nur im akuten Anfall eine Hyper- beziehungsweise Dyskrinie auf (vermehrte Bildung eines hochviskosen, glasig-spinnbaren Sekrets). Ansonsten ist ein nichtproduktiver Reizhusten typisch.

Unter akutem Asthma wird sowohl der Asthmaanfall als auch die Infektexazerbation verstanden, die sich darin unterscheiden, wie rasch sich Atemnot entwickelt: sehr schnell im Rahmen eines Asthmaanfalls etwa nach Allergenkontakt, über mehrere Tage langsam progredient bei einer Infektverschlimmerung.

Neu ist der Begriff »schweres Asthma«. Es liegt vor, wenn der Patient trotz inhalativer Corticosteroid-Therapie (ICS) in Höchstdosis plus mindestens einem weiteren Langzeitmedikament und gegebenenfalls Gabe oraler Steroide (OCS) eine unverändert schlechte Lungenfunktion, häufige steroidpflichtige oder zur Hospitalisierung führende Exazerbationen und die Kriterien eines teilweise kontrollierten oder unkontrollierten Asthmas aufweist. Im Stufenplan ist die Diagnose eines schweren Asthmas die Voraussetzung für eine Einleitung einer Antikörpertherapie durch den Pneumologen (Eskalation von Stufe 4 zu Stufe 5 bei Erwachsenen) (1).

Einige Schwierigkeit kann die Abgrenzung von Asthma und chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) bereiten (Asthma-COPD-Overlap, ACO). Ein gutes Viertel, mehrheitlich jüngerer COPD-Patienten lässt sich trotz der typischen Unterschiede beider Krankheitsbilder (Tabelle 1) nicht sicher zuordnen. Die Unterscheidung hat Auswirkungen auf die Prognose und die Auswahl der Therapiestrategie: keine LABA- oder LAMA-Monotherapie bei Asthmaverdacht (LABA: langwirksame Beta-2-Sympathomimetika; LAMA: langwirksame M-Cholinozeptorenblocker)! ACO-Patienten sprechen, anders als der typische COPD-Patient, gut beziehungsweise besser auf inhalative Steroide an.

Typische Merkmale Asthma COPD
Alter bei Erstdiagnose häufig Kindheit, Jugend* meist ab 6. Dekade
Tabakrauchen kein direkter Kausalzusammenhang, Verschlechtung möglich typisch, aber nicht obligat**
Hauptbeschwerden anfallsartige Atemnot Belastungsdyspnoe
Verlauf variabel/episodisch meist progredient
Allergie häufig kein direkter Kausalzusammenhang
Atemwegsobstruktion variabel, reversibel (aktuell oft nicht präsent) immer nachweisbar
Fraktion des abgeatmeten NO (FeNO) oft erhöht normal bis niedrig
Bluteosinophilie häufig erhöht meist normal
Reversibilität der Obstruktion oft voll reversibel nie voll reversibel
Bronchiale Hyperreagibilität meist vorhanden selten
Ansprechen der Obstruktion auf Cortison regelhaft vorhanden selten
Tabelle 1: Unterscheidung von Asthma und COPD. *) späte Manifestation beim nicht-allergischen beziehungsweise eosinophilen Asthma **) Minderheit ohne aktive Raucherkarriere; in diesem Fall zum Beispiel Lungenreifungsstörung ursächlich

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