Therapieziele im Wandel |
Das α4β7-Integrin spielt eine Schlüsselrolle beim Homing von Leukozyten in der Darmmukosa und den verwandten lymphatischen Geweben. Das Homing wird durch die Bindung von α4β7-Integrin an das Mukosa-Adressin-Zelladhäsionsmolekül 1 (MAdCAM-1) vermittelt (Wyant 2016). Die Zahl α4β7-Integrin-positiver Zellen und die MAdCAM-1-Expression sind in der Mukosa von CU-Patienten erhöht. Ihre T-Lymphozyten produzieren mehr inflammatorische Zytokine (IFN-γ, TNF-α und IL-17A) sowie IL-9, das die Reparatur von Epithelzellen hemmt. Die Anti-Integrin-Therapie blockiert die Wirkung von Integrinen auf der Oberfläche von Leukozyten und endothelialen Adhäsionsmolekülen und somit die Interaktion von Leukozyten mit der Darmschleimhaut.
Vedolizumab, ein rekombinanter humaner monoklonaler IgG1-Antikörper, hemmt spezifisch die Bindung von α4β7-Integrin an MAdCAM-1 (Grafik). Seine Wirksamkeit bei der CU wurde in randomisierten kontrollierten Studien gezeigt (Sandborn 2013). Vedolizumab ist infolge der intestinalen Selektivität gut verträglich und sicher im Vergleich zu einer systemischen Immunsuppression. Es blockiert nur die Migration von Lymphozyten im Darmtrakt und nicht die Entzündungsreaktion direkt. In Kombination mit Calcineurin- oder mit TNFα-Inhibitoren wird das Anti-Integrin bei Patienten mit refraktärer CED eingesetzt (Pellet 2019).
Grafik: Etablierte und neue Therapieansätze bei Colitis ulcerosa; mod. nach Neurath, Nature Immunology 2019. Blau: zugelassene Arzneistoffe, rot: Arzneistoffe in klinischer Erprobung / Foto: PZ/Stephan Spitzer
Etrolizumab greift selektiv an der β7-Untereinheit sowohl bei α4β7- als auch αEβ7-Integrinen an. Darmselektivität und der duale Wirkmechanismus machen es zu einer potenziellen Alternative für die CED-Behandlung (Tabelle 2). Das Medikament hat bei CU-Patienten in einigen Studien gegenüber Placebo allerdings keine deutlichen Vorteile gezeigt.
Carotegrast Methyl (AJM300) ist ein oral applizierbarer niedermolekularer Inhibitor, der spezifisch auf die α4-Untereinheit von α4β7 und α4β1 abzielt (Tabelle 2) (Yoshimura 2015). Es wird sich zeigen, ob dieser Applikationsweg dem intravenös oder subkutan applizierten Vedolizumab ebenbürtig ist. Auch PF-00547659, ein vollständig humanisierter monoklonaler Antikörper gegen MAdCAM-1, hat sich als gut verträglich und wirksam in der Remissionsinduktion erwiesen (Vermeire 2017).
Nach der aktuellen S3-Leitlinie der DGVS sollten Patienten mit primärem Versagen unter TNF-Antikörpern entweder Vedolizumab, Tofacitinib, Ustekinumab oder Calcineurin-Inhibitoren erhalten. Patienten mit mittelschwerer CU und sekundärem Versagen unter TNF-Antikörpern sollten mit alternativen TNF-Antikörpern, Vedolizumab, Tofacitinib, Ustekinumab oder Calcineurin-Inhibitoren behandelt werden.
Biologika haben große Vorteile wie Darmselektivität, hohe Effizienz und geringe Toxizität, sind aber sehr teuer. Aufgrund fehlender primärer Wirkung und sekundärem Wirkungsverlust gibt es daher weitere Ansätze.