Simvastatin |
Der Cholesterolsenker Simvastatin ist laut Arzneiverordnungs-Report unter den zehn am häufigsten kassenärztlich verordneten Wirkstoffen. Es ist damit der meistverordnete Wirkstoff bei Fettstoffwechselstörungen.
Statine gelten als Mittel der Wahl zur Senkung erhöhter Cholesterolwerte bei Hyperlipoproteinämien. Sie dienen außerdem der kardiovaskulären Prävention bei Patienten mit manifester atherosklerotischer Herzerkrankung oder Diabetes mellitus.
Simvastatin greift in die Biosynthese von Cholesterol ein, indem es die Hydroxy-3-methylglutaryl-Coenzym-A-Reduktase (HMG-CoA-Reduktase) kompetitiv hemmt. Das Enzym katalysiert den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der Synthese: die Umwandlung von HMG-CoA in Mevalonsäure. Wird es gehemmt, sinkt die intrahepatozytäre Cholesterolkonzentration, was über einen Feedback-Mechanismus zu einer verstärkten Produktion von LDL-(Low-Density-Lipoprotein-)Rezeptoren führt. LDL dient als Transportvesikel für lipophile Substanzen wie Cholesterol im Blut. In Folge der erhöhten Rezeptordichte kann mehr Cholesterol aus dem Blut aufgenommen werden. Unter Simvastatin nehmen also sowohl die LDL- als auch die Gesamt-Cholesterolkonzentration im Blut ab. Außerdem steigt unter der Einnahme die HDL-Konzentration und die der Triglyceride sinkt. Statine haben darüber hinaus sogenannte pleiotrope Effekte, die nicht direkt durch eine Senkung des LDL-Spiegels zu erklären sind. Die Wirkstoffgruppe wirkt antioxidativ, antiinflammatorisch, antithrombotisch und vaskuloprotektiv. Diese Effekte sind unter anderem darauf zurückzuführen, dass durch die Hemmung der Cholesterolbiosynthese verschiedene Mevalonat-Folgeprodukte nicht mehr entstehen.
Statine haben strukturelle Ähnlichkeit zum Substrat des Enzyms (HMG) und besitzen eine substituierte 3,5-Dihydroxycarbonsäure-Kette aus fünf Kohlenstoff-Atomen. Da Statine eine höhere Affinität zu der Reduktase haben als das Substrat selbst, können sie HMG-CoA vom Enzym verdrängen. Simvastatin liegt zunächst als inaktives Lacton und somit als Prodrug vor. Es wird in der Leber in die aktive, ringoffene Form überführt.
Die Dosierung von Simvastatin richtet sich nach der Indikation. Die Tagesdosis variiert dabei zwischen 5 und 80 mg. Eine abendliche Einnahme empfiehlt sich, da die körpereigene Cholesterolsynthese zu dieser Zeit am höchsten ist. Bei Hypercholesterolämie beträgt die Anfangsdosis meist 10 bis 20 mg täglich. Dosisanpassungen sollten mit Abständen von mindestens vier Wochen erfolgen. Patienten mit hohem Risiko für eine koronare Herzerkrankung nehmen üblicherweise zwischen 20 und 40 mg Simvastatin als Einzeldosis am Abend ein. Die maximale Tagesdosis von 80 mg ist nur nach Nutzen-Risiko-Abwägung bei schwerer Hypercholesterolämie und hohem Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen empfohlen, wenn das Therapieziel durch niedrigere Dosen nicht erreicht werden konnte.
Prinzipiell gelten Statine als gut verträglich. Als mögliche Nebenwirkung kommen Apothekern wohl als erstes die Muskelschmerzen in den Sinn. Die Ursache dafür ist vermutlich ein Mangel an Ubichinon (Coenzym Q10), dessen Synthese durch die Statine gehemmt wird. Bei leichten, unspezifischen Beschwerden ohne Erhöhung muskelspezifischer Enzyme spricht man von Statin-Myalgie. Gehen diese Beschwerden mit einer Erhöhung muskelspezifischer Enzyme wie der Kreatinkinase einher, liegt ein sogenanntes Myopathiesyndrom vor. Dabei kommt es meist zu einem ziehenden Muskelschmerz. Dem Syndrom kann durch regelmäßige Kontrollen der Kreatinkinase-Plasmakonzentration vorgebeugt werden. Tritt es auf, müssen die Patienten die Einnahme in der Regel abbrechen.
Eine seltene, aber sehr schwerwiegende Nebenwirkung ist die Rhabdomyolyse. Dabei kommt es zu einem massiven Untergang von Skelettmuskelzellen, was akutes Nierenversagen verursachen und tödlich enden kann. Diese Nebenwirkung wird meist bei Kombination mit weiteren Pharmaka beobachtet, die CYP3A4 hemmen. Ebenso kann es zu einer Erhöhung der Transaminasen kommen. Es ist empfehlenswert, die Transaminasewerte unter der Therapie mit Statinen etwa vierteljährlich zu kontrollieren. Weitere unerwünschte Wirkungen können gastrointestinale Störungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schlafstörungen, Juckreiz und Mundtrockenheit sein.
Da Simvastatin über CYP3A4 in der Leber abgebaut wird, interagiert es mit anderen CYP3A4-metabolisierten Pharmaka sowie mit Inhibitoren und Induktoren des Enzyms. Die gleichzeitige Einnahme von Fibraten erhöht das Risiko für Myopathien und Rhabdomyolyse. Die Interaktion ist höchstwahrscheinlich auf einen additiven Effekt auf den Stoffwechsel von Muskelzellen zurückzuführen. Bei gleichzeitiger Einnahme von Antikoagulanzien vom Cumarin-Typ kann deren antikoagulierende Wirkung verstärkt werden.
Der Wirkstoff hat mit ungefähr 5 Prozent eine recht geringe orale Bioverfügbarkeit. Nach oraler Aufnahme wird Simvastatin nur teilweise resorbiert und unterliegt einem ausgeprägten First-Pass-Effekt. Die Metabolite werden zusammen mit der aktiven Form überwiegend biliär ausgeschieden. Da der Hauptangriffsort der Cholesterolbiosynthese-Hemmung die Leber ist, ist die geringe Bioverfügbarkeit nicht von Nachteil.
Bei Leber- und Skelettmuskelerkrankungen sowie während Schwangerschaft und Stillzeit sollte der Wirkstoff nicht eingenommen werden. Simvastatin ist außerdem bei HIV-Infektion und begleitender Hyperlipidämie kontraindiziert.
Der erste Inhibitor der HMG-CoA-Reduktase wurde Mitte der 1970er-Jahre beschrieben. Mevastatin wurde damals aus dem Pilz Penicillium citrinium isoliert. Da die Substanz stark hepatotoxisch war, kam es nie zur klinischen Anwendung. 1979 gelang dann die Isolation von Mevinolin, das später Lovastatin genannt wurde, aus dem Pilz Aspergillus terreus. Dieser Wirkstoff war deutlich besser verträglich und wurde Ende der 1980er-Jahre als erstes Statin zur Behandlung von Hypercholesterolämien zugelassen. Simvastatin wurde später von Lovastatin abgeleitet.