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Metabolisches Syndrom

Raus aus der Falle

Das metabolische Syndrom wird zu Recht auch als tödliches Quartett bezeichnet, denn es erhöht das kardiovaskuläre Risiko deutlich. Koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt und Schlaganfall können die Folge sein. Umso wichtiger sind Primär- und Sekundärprävention. Was hilft wirklich?
Ilsabe Behrens
01.11.2020  08:00 Uhr

Deutliche Symptome hat das metabolische Syndrom nicht. Es kommt sozusagen schleichend und auf leisen Sohlen – als Folge von zu viel hochkalorischer Nahrung und zu wenig Bewegung. Die Patienten haben keine Schmerzen oder direkte Beeinträchtigungen im Befinden. Sicht- und merkbare Anzeichen sind das bauchbetonte Übergewicht und (selten) vermehrte Kopfschmerzen, Schwindel, Hitzegefühl im Kopf und Nasenbluten, das durch Bluthochdruck ausgelöst wird.

Häufig wird ein metabolisches Syndrom erst bei Vorsorgeuntersuchungen oder auch erst nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall entdeckt. Es ist neben Rauchen der wichtigste Risikofaktor für Arteriosklerose, koronare Herzkrankheit und Erkrankungen der Blutgefäße; man spricht von einem »Cluster kardiovaskulärer Risikofaktoren«. Umso wichtiger ist – im Sinn der Prävention – die frühzeitige Reduktion der Faktoren Übergewicht, Insulinresistenz und erhöhte Blutfettwerte. Empfehlungen, wie diese Faktoren verbessert werden können, sind sehr gut in die präventionsorientierte Gesundheitsberatung in der Apotheke zu integrieren.

Mehrere Definitionen

Die Definitionen des metabolischen Syndroms wurden wiederholt geändert; zurzeit gibt es keine allgemein akzeptierte Definition.

Die Klassifizierung orientiert sich bei der Weltgesundheitsorganisation an der Insulinresistenz, beim National Institute of Health (NIH) dagegen an klinischen Parametern. Im 3. Report des NCEP (National Cholesterol Education Program) von 2001 wird das Risiko der einzelnen Parameter aufgelistet (Details unter www.nhlbi.nih.gov/files/docs/guidelines/atglance.pdf).

Bei den deutschen Fachgesellschaften besteht zumindest Konsens darüber, dass verschiedene Erkrankungen und Störungen zum metabolischen Syndrom dazugehören. Die Grenzwerte unterscheiden sich je nach Fachgesellschaft geringfügig, was wenig relevant ist, da der Patient gesamt betrachtet wird. Zu den Kernfaktoren gehören:

  • starkes Übergewicht mit meist bauchbetonter Fetteinlagerung (Adipositas),
  • erhöhter Blutdruck (arterielle Hypertonie),
  • Insulinresistenz, messbar in erhöhten Nüchternblutzuckerwerten, oder manifester Diabetes Typ 2,
  • gestörter Fettstoffwechsel: Hypertriglyceridämie, erhöhtes LDL/VLDL-Cholesterol oder laufende Behandlung erhöhter Blutfette,
  • niedriges HDL-Cholesterol (unter 30 mg/dl oder über 60 mg/dl).

Gleichzeitig liegen oft folgende Auffälligkeiten vor: erhöhte Harnsäure, niedriggradige Entzündung, verstärkte Blutgerinnung oder Gerinnungsstörungen sowie eine endotheliale Dysfunktion.

Wichtigster Parameter ist Übergewicht, bei dem die Fettpolster vor allem am Bauch sitzen, auch stammbetonte Fettsucht genannt (»Bierbauch«, »Apfeltyp«). Fettpolster an Hüfte und Oberschenkel (»Birnentyp«) bergen ein deutlich geringeres Risiko. Gemäß den Vorgaben der IDF (International Diabetes Federation, Internationale Diabetesgesellschaft; Kasten) wird das Übergewicht am besten durch Messung des Bauchumfangs ermittelt und bewertet. Die IDF bewertet einen Bauchumfang bei Männern über 90/94 cm und bei Frauen über 80 cm als stammbetonte Fettsucht (androide Adipositas). Die Bewertung des Body-Mass-Index ist nicht so aussagekräftig.

Die Prävalenz des metabolischen Syndroms ist schwer zu bestimmen. Auswertung der Krankenkassen aus dem Jahr 2015 nennen eine Häufigkeit zwischen 1 und 7,5 Prozent der arbeitenden Bevölkerung. Die IDF spricht von 25 Prozent mit einem Gipfel zwischen 50 und 64 Jahren. Als Folge des Syndroms steigen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und damit die Mortalität erheblich.

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