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Metabolisches Syndrom

Das tödliche Quartett

Abdominelle Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und gestörte Glucosetoleranz: Diese vier zusammen bilden das metabolische Syndrom. Jeder vierte Mensch ist mittlerweile davon betroffen – mit verheerenden gesundheitlichen Folgen.
Annette Rößler
27.04.2021  11:00 Uhr

Bei Heilberuflern lässt der Begriff »metabolisches Syndrom« alle Warnglocken schrillen, Betroffene pflegen dagegen sehr häufig einen nonchalanten Umgang damit und ignorieren »das bisschen Cholesterin« und ihre anderen Beschwerden. Alarmierender – und leider sehr treffend – ist die Bezeichnung »tödliches Quartett« für das metabolische Syndrom. Dr. Eric Martin, Inhaber der Hubertus-Apotheke in Marktheidenfeld, nannte bei seinem Vortrag im Rahmen des Sächsischen Apothekertags die Kriterien: zentrale Adipositas (Grenzwert für den Bauchumfang ethnienabhängig), Fettstoffwechselstörung mit Hypertriglyceridämie (TG  ≥  150 mg/dl) und niedrigem HDL-Cholesterol (< 40 mg/dl bei Männern, < 50 mg/dl bei Frauen), Hypertonie (≥  130/85 mmHg) und gestörte Glucosetoleranz (Nüchternglucose < 100 mg/dl oder neu diagnostizierter Typ-2-Diabetes).

»Die Ursachen des metabolischen Syndroms sind außerordentlich komplex«, sagte Martin. Es sei gleichzeitig die Folge einer chronischen systemischen Entzündung des Viszeralfetts und Nebenwirkung deren Kompensation. So werde etwa Leptin, das eigentlich über eine Verstärkung des Sättigungsgefühls gewichtsregulierend wirkt, von den Adipozyten in so hohem Maß freigesetzt, dass es zu einer Leptin-Resistenz komme. Eine Sättigung stelle sich somit kaum noch ein; gleichzeitig bewirke aber der Überschuss an Leptin eine Erhöhung des peripheren Widerstands und eine Sympathikus-Aktivierung, sodass der Blutdruck steigt. Martin zeigte mehrere solcher komplexen Zusammenhänge auf, die alle letztlich eine Folge haben: ein drastisch erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.

Eine Therapie der Wahl beim metabolischen Syndrom gebe es nicht, sagte Martin, stattdessen würden die einzelnen Komponenten behandelt. Die Therapie des Typ-2-Diabetes sei »Schadensbegrenzung«, denn die makrovaskuläre Schädigung sei bereits Jahre fortgeschritten, bevor sich ein Diabetes manifestiert. In großen Interventionsstudien habe eine intensive Blutzuckersenkung kaum Einfluss auf kardiovaskuläre Ereignisse gezeigt. Mit Metformin lasse sich jedoch langfristig ein Vorteil für den Patienten erreichen und mit Empagliflozin schon kurzfristig. Das sei kein Zufall, wie Martin betonte, denn beide Wirkstoffe adressieren neben dem Blutzucker noch eine weitere Komponente des metabolischen Syndroms: Metformin senke auch die Lipidwerte, Empagliflozin den Blutdruck.

Entscheidend für eine Besserung sei eine Gewichtsreduktion. Mehr Bewegung und eine kalorienreduzierte Diät führten zu diesem Ziel. Wo dies nicht ausreiche, könnten Antiadiposita eingesetzt werden, allerdings sei das bislang »ein relativ entmutigendes Kapitel«. Mit den GLP-1-Rezeptoragonisten Liraglutid (Saxenda®) und Semaglutid (Ozempic®) hätten Patienten allerdings in Studien drastische Gewichtsreduktionen erreicht.

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