Pharmazeutische Zeitung online
Umweltschutz

Arzneistoffe im Abwasser

Die Themen nachhaltiger Umgang mit Ressourcen und Umweltschutz sind aktueller denn je. Arzneimittelrückstände in der Umwelt beeinflussen ganze ­Ökosysteme und eine Risikoabschätzung ist nur bedingt möglich. Ein (umwelt-)bewusster Umgang mit Arzneimitteln ist besonders wichtig, um den Eintrag von Wirkstoffen in die Natur zu minimieren.
Michael Müller
Karina Witte
01.12.2019  08:00 Uhr

Schon seit vielen Jahren ist bekannt, dass Arzneistoffe auch auf die Umwelt Auswirkungen haben. Prominente Beispiele sind Ethinylestradiol, Diclofenac und Antibiotika. Rückstände von Ethinylestradiol in Gewässern führen zur Verweiblichung von Fischen und Dic­lofenac hat in Südostasien beinahe zum Aussterben von drei Geierarten geführt, die die Kadaver von mit dem Antiphlogistikum behandelten Rindern gefressen haben. Antibiotika in der Umwelt ­fördern die Resistenz­bildung von Bakterien. Aus diesen ­Problemfällen ­erwuchsen wichtige Fragen: Welche Arzneistoffe und Abbauprodukte ­kommen in der Umwelt vor und wie lässt sich das Risiko abschätzen? Wie können wir Pharmazie nachhaltiger gestalten, um negative Auswirkungen auf die kommenden Generationen zu verhindern?

Arzneimittelrückstände kommen in Deutschland und weltweit in nahezu allen Gewässern und vereinzelt auch im Trinkwasser in geringen Konzentrationen vor (Grafik). Bei den aktuellen Konzen­trationen sind akute Folgen für die menschliche Gesundheit in der ­Regel nicht zu erwarten. Jedoch sollte das Trinkwasser auch künftig sauber gehalten werden. Zudem ist nicht auszuschließen, dass sich Langzeitfolgen auch bei geringen Stoffkonzentrationen entwickeln und unerwartete Effekte durch Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Wirkstoffen entstehen.

Besonders aus Rücksicht auf vulnerable Personengruppen wie Kinder, Schwangere und chronisch Kranke ­sowie gegenüber anderen Organismen in der Umwelt gilt das Vorsorgeprinzip: Arzneimittelrückstände sollen minimiert oder möglichst ganz entfernt und verhindert werden.

Bei der Entwicklung von Arzneistoffen stehen die Aspekte Wirksamkeit und Stabilität im Vordergrund. Der Arzneistoff muss bis zur Anwendung am Pa­tienten lagerungsbeständig sein und den physiologischen Bedingungen wie Magensäure, Darmbakterien und ­Leberenzymen möglichst standhalten. Meist ist dies die Voraussetzung für eine Wirksamkeit und dient zudem der Vorhersage von konstanten Konzentrationsspiegeln im Körper.

Nach der renalen oder fäkalen Ausscheidung des Arzneistoffs in unveränderter oder metabolisierter Form aus dem Körper wird diese Stabilität gegenüber zahlreichen Bakterien und Enzymen oder pH-Schwankungen oft zum Problem. Viele Arzneistoffe wirken nicht spezifisch auf den menschlichen Organismus. So zeigen Studien, dass gewisse Psychopharmaka oder Hormone bei Fischen oder Fröschen Verhaltensänderungen auslösen.

Mehr von Avoxa