Arzneistoffe im Abwasser |
Die meisten Kläranlagen in Deutschland reinigen das Abwasser in einem dreistufigen Verfahren mit einer mechanischen, einer biologischen und einer chemischen Stufe. Diese sind primär auf den Rückhalt von Feststoffen, den Abbau der organischen Stoffe sowie die Elimination von Nährstoffen ausgelegt. Arzneistoffe werden aufgrund ihrer Eigenschaften bei diesen Verfahren teilweise gar nicht oder unzureichend entfernt, was das Abwasser zu einem Haupteintragspfad von Arzneistoffen in die aquatische Umwelt macht (1) (Grafik).
Die meisten Kläranlagen in Deutschland reinigen das Abwasser in einem dreistufigen Verfahren. Jede zusätzliche Stufe kostet mehr Geld und Energie. / Foto: Adobe Stock/Kalyakan
Vielerorts laufen Studien und Untersuchungen, um eine ergänzende vierte Reinigungsstufe zu etablieren, die eine bessere Elimination von Arzneistoffen in Kläranlagen ermöglicht (2). So sind Adsorptionsverfahren, zum Beispiel mithilfe von Aktivkohle oder Schlamm, verschiedene Filtrationsverfahren, zum Beispiel Ultra- oder Membranfiltration, oder oxidative Verfahren, zum Beispiel mit Ozon, Wasserstoffperoxid, UV-Strahlen oder nichtthermischem Plasma, in Kläranlagen mit stark belastetem Abwasser bereits etabliert oder werden weitergehend getestet (3-5).
Allerdings kann kein Verfahren die ganze Bandbreite an Arzneistoffen abbauen. Vielmehr eignet sich jedes einzelne nur für bestimmte Stoffe. Daher favorisieren Experten zusätzlich eine Kombination aus zwei Reinigungsmethoden. Außerdem sind die Zusatzverfahren teuer und benötigen viel Energie und Ressourcen (1, 6, 7).
Es bestehen weitere Probleme: Die Abwasseranalytik auf Arzneimittelrückstände findet nicht einheitlich und flächendeckend statt. Die Probenentnahme ist nur bedingt standardisiert und finden kann man nur, wonach man sucht. Zudem entstehen – neben der Bandbreite an Arzneistoffen und deren Metaboliten – besonders bei oxidativer Aufreinigung zahlreiche Abbauprodukte in der Kläranlage. Diese werden meist nicht näher charakterisiert und in der Analytik von Arzneimittelrückständen im Abwasser nicht erfasst. Ihre umweltrelevanten Eigenschaften und Toxizität können häufig nicht bewertet werden (4), was die Interpretation von Analysedaten erschwert oder unmöglich macht.
Zugang zu sauberem und durchgängig verfügbarem Wasser zu haben, ist in Deutschland ein Normalzustand, aber nicht für mehr als zwei Milliarden Menschen auf der Erde. Mit steigender Weltbevölkerung, Ressourcenverbrauch und Klimaveränderungen werden Verbrauch von und Bedarf an sauberem Wasser weiter steigen.
Nach Angaben des UN-Weltwasserberichts 2017 gelangen weltweit 80 Prozent des Abwassers ungereinigt in die Natur. Eine effiziente und effektive Behandlung der zunehmenden Abwassermengen wird deshalb künftig immer wichtiger.
Aktuelle Zahlen machen die Grenzen eines rein technologischen Lösungsansatzes immer sichtbarer. Über undichte Abwasserrohre versickert ein Teil des Abwassers auch hierzulande, bevor es zur Kläranlage gelangt. Bei Überlastung von Kläranlagen durch Starkregen oder Überflutung wird Wasser zum Schutz der Kläranlage direkt in Oberflächengewässer geleitet. Tierarzneimittel, die in der (Massen-)Tierhaltung teilweise in hohen Mengen verabreicht werden, können über die Gülle als Dünger direkt auf den Feldern landen. Ein End-of-the-Pipe-Ansatz allein, der nur auf die Reinigungskraft der Kläranlagen setzt, kann Arzneimittelrückstände in der Umwelt nicht verhindern.