Diclofenac |
Diclofenac, das nicht steroidale Antirheumatikum (NSAR), ist auch in Form von OTC-Präparaten häufig im Einsatz. Zu beachten ist sein kardiovaskuläres Risikopotenzial.
Diclofenac wirkt wie alle NSAR analgetisch, antiinflammatorisch und antipyretisch über die Hemmung der Cyclooxygenasen COX-1 und COX-2 und dadurch der Prostaglandinsynthese. Typische Indikationen sind Schmerzen und Entzündungen nach Verletzungen oder aufgrund von akuten oder chronischen Krankheiten, etwa bei rheumatischen Erkrankungen oder einem akuten Gichtanfall. Die topische Anwendung eines 3-prozentigen Gels ist zudem bei aktinischer Keratose indiziert. Die Wirkung beruht hier neben den entzündungshemmenden Effekten von Diclofenac vermutlich auf antiangiogenetischen, antiproliferativen und Apoptose-induzierenden Mechanismen.
Bei oraler Anwendung von verschreibungspflichtigen Präparaten liegt der empfohlene Dosisbereich für Erwachsene und Jugendliche ab 16 Jahren zwischen 50 und 150 mg täglich, verteilt auf zwei bis drei Einzelgaben. Ohne Rezept wird niedriger dosiert: Ab einem Alter von 14 Jahren werden bei oraler Gabe 12,5 bis 25 mg als Einzeldosis empfohlen und eine maximale Tagesdosis von 75 mg. Als Topika stehen Gele, Cremes und Salben und Pflaster als Rx- und OTC-Präparate zur Verfügung.
Gastrointestinale Blutungen und Ulcera sind typische Nebenwirkungen der NSAR und können auch bei der Einnahme von Diclofenac auftreten. Um diese abzumildern, gibt es Diclofenac auch als Fixkombination mit Misoprostol (Arthrotec® forte), wobei umstritten ist, ob das Prostaglandin-Derivat in der Dosierung von 200 µg überhaupt einen nennenswerten Effekt hat. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Hautreaktionen, ein Anstieg der Leberwerte und Analgetika-Asthma.
Ein besonderes Augenmerk ist auf das Herz-Kreislauf-System zu richten: Diclofenac hat bei oraler Anwendung laut einer großen dänischen Registerstudie aus dem Jahr 2018 von allen klassischen NSAR das höchste kardiovaskuläre Risiko, vergleichbar sogar dem der COX-2-Hemmer (»British Medical Journal«, DOI: 10.1136/bmj.k3426). Die Autoren vermuteten als zugrundeliegenden Mechanismus Folgendes: Diclofenac hemme die COX-2 stärker als die COX-1. Bei sinkender Wirkstoffkonzentration am Ende eines Dosierintervalls gebe es einen Zeitraum, in dem die COX-1-Hemmung schon nicht mehr, die COX-2-Hemmung aber noch gegeben sei. Da die kardiovaskulären Nebenwirkungen von NSAR und Coxiben auf der COX-2-Hemmung beruhten, erkläre dies das höhere Risikopotenzial im Vergleich zu anderen NSAR, die COX-1 teilweise sogar stärker hemmten als COX-2.
Auch bei topischer Anwendung gelangt ein geringer Teil des aufgetragenen Wirkstoffs in den Blutkreislauf. Da bei Diclofenac insbesondere die niedrigen Konzentrationen problematisch für das Herz-Kreislauf-System zu sein scheinen, ist daher ein negativer Effekt zumindest denkbar. Auf Nachfrage der PZ erklärte jedoch Professor Dr. Dieter Steinhilber von der Universität Frankfurt am Main, er bezweifle, dass es eine signifikante systemische Wirkung bei topischer Anwendung gebe. Bei oraler Gabe würden Plasmakonzentrationen zwischen circa 500 und 3000 ng pro ml erreicht, bei topischer Anwendung dagegen nur circa 40 ng pro ml und damit weniger als ein Zehntel.
Diclofenac sollte im ersten und zweiten Schwangerschaftsdrittel nur angewendet werden, wenn es unbedingt notwendig ist, und ist im dritten Schwangerschaftsdrittel kontraindiziert. In der Stillzeit sollte es wie die anderen NSAR nicht angewendet werden, da es in geringen Mengen in die Muttermilch übergeht.
Da sich das gastrointestinale Risiko addiert, sollte die gleichzeitige Anwendung von Diclofenac mit anderen NSAR, Glucocorticoiden oder selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) unterbleiben. In Kombination mit Digoxin, Phenytoin oder Lithium können die Spiegel dieser Arzneistoffe steigen und sollten deshalb überwacht werden. Diclofenac kann die Wirkung von Diuretika und Antihypertensiva abschwächen, zusammen mit Kaliumsparern kann es zur Hyperkaliämie kommen. Da die renale Clearance von Methotrexat (MTX) gehemmt werden kann, ist ein Anstieg der MTX-Konzentration möglich. Diclofenac sollte daher nicht innerhalb von 24 Stunden vor oder nach MTX angewendet werden. Patienten, die auf Phenprocoumon eingestellt sind, sollten bei Anwendung von Diclofenac ihren INR-Wert überwachen und Diabetiker, die orale Antidiabetika einnehmen, ihren Blutzuckerwert.
Diclofenac wurde erstmals in den 1960er-Jahren von Mitarbeitern der Baseler Firma J.R. Geigy AG – einer der Vorgängergesellschaften von Novartis – synthetisiert. Der Wirkstoffname verrät, dass das Molekül zwei Chlor-Reste und eine Phenylessigsäure-Teilstruktur enthält.
Das weiß der Geier, denn das NSAR ist der Grund, warum diese Vögel in Indien fast ausgestorben waren. Die Geier hatten verendete Kühe gefressen, die in Indien traditionell auf der Straße liegen gelassen werden. Die Kühe waren zuvor mit Diclofenac behandelt worden, was bei den Geiern zu akutem Nierenversagen führte. Der Fall ist ein Paradebeispiel für den großen Schaden, den Arzneistoffe in der Umwelt anrichten können. Auch bei gezielter Gabe sind NSAR, die Menschen gut vertragen, für Tiere meist nicht geeignet, weil diese sie anders verstoffwechseln. So kann auch Diclofenac in für den Menschen normalen therapeutischen Dosen für Haustiere wie Hunde oder Katzen lebensgefährlich sein.